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Alt 24.07.2003, 23:08
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Standard junge Frauen und der Tod der Mutter

Liebe Kiki,

ich konnte es auch nicht lassen und musste nochmal reingucken.

Ja, ich habe schon oft darüber nachgedacht, ob Mama irgend etwas geahnt hat. Bei ihr war es so: mein Vater und ich fuhren ja so um acht aus dem Krankenhaus weg. Die Schwester meiner Mutter war noch etwa eine Stunde nach uns da.
Um 10 rief meine Mutter uns dann zu hause an. Sie sagt zu meinem Vater am Telefon, dass irgendetwas mit ihrem Sauerstoff nicht stimmen würde, und er kommen müsse. Papa meinte, sie solle die Schwester rufen, aber Mama sagte, das hätte sie schon, und die würde mit dem Sauerstoffgerät auch nicht klarkommen.

Da dachten wir, sie ist wieder durcheinander von dem vielen Morphium. Papa fuhr dann aber hin und blieb auch eine Weile. Er rief auch eine Schwester dazu, und die erklärte Mama dann, wofür die ganzen Kabel und Schläuche waren und sagte, dass alles in Ordnung sei. Mama erwiderte, dann könne sie ja jetzt noch ein bißchen lesen.
Mein Vater sagte dann irgendwann, er würde jetzt nach Hause fahren und am anderen Tag wiederkommen. Mama sagte, das sei okay, er solle ruhig fahren und verabschiedete sich bis zum anderen Tag. Papa hat sie wohl so um 23 Uhr verlassen, und 4 ½ Stunden später bekamen wir den Anruf, dass sie verstorben war.

Mama stand vor allem in den letzten drei Tagen unter sehr viel Morphium. Se hatte Durchblutungsstörungen im Bein vom vielen liegen, die ihr höllische Schmerzen bereiteten. Das Morphium machte sie zeitweise sehr verwirrt. Meine Mutter hatte Lungenkrebs, und zwar einen ziemlich seltenen, der Unmengen klaren Schleims produziert. Normalerweise spuckte sie alle 5 Minuten den Schleim aus, aber sie hatte so viel Morphium bekommen, dass es nicht mehr so spürte, wie viel Schleim sich angesammelt hatte. Erst wenn es richtig viel war und furchtbar brodelte spuckte sie aus.

Im nachhinein überlege ich aber eben doch, ob Mama wirklich nur aus Verwirrung anrief, oder ob tief im Unterbewußtsein so eine Ahnung lag, und sie Papa deswegen nochmal zu sich rief.
Er hat zumindest jetzt ein Bild des Friedens als letztes im Kopf, wie sie im Bett sitzt, mit ihrem Klatschblatt und sich beruhigt verabschiedet.

Ich bin heute auch nicht gut beisammen. Ich habe mir die Lieder von ihrer Trauerfeier angehört und im Schlafzimmer meiner Eltern auf der Bettkante gesessen, wo ich unzählige Male in durchwachten Nächten neben ihr gesessen habe. Dann kommt immer noch der Wunsch auf, ich hätte doch wenigstens ihr Leiden lindern können.

Die Ärztin, die bei dem Notfall zu meiner Mutter gerufen wurde sagte uns auch, dass bei einer Embolie der Tod sehr schnell eintritt. Und so hoffe ich, dass meine Mutter nicht allzu viel Angst haben musste. Es ist so furchtbar, sich diese Szene im Geiste immer wieder vorzustellen, weil man eben einfach nicht genau weiß, was nun genau geschehen ist. Aber ich denke nicht mehr so oft daran. Ich stelle mir lieber vor, dass sie es da, wo sie jetzt ist guthat, auch wenn sie so wahnsinnig gerne noch bei uns geblieben wäre.

Eines möchte ich noch sagen, falls ich das nicht schonmal geschrieben habe: eine Frau, die Sterbende zu Hause begleitet erzähle mal davon, wie die Menschen die letzten Minuten ihres Lebens erleben und wie sie sterben, Und sie sagte, das ALLE kurz bevor sie sterben ihr Schicksal annehmen können, loslassen und glücklich sterben. Vielleicht kann man deshalb bei so vielen Verstorbenen ein kleines Lächeln ausmachen.

Die Erzählungen dieser Frau haben mir jedenfalls ein Stück meiner eigenen Angst genommen, und sind auch jetzt ein Trost für mich.

Wir hören bald wieder voneinander!

Alles alles Liebe,

Katrin
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