Liebste Ina,
Linnea hat genau die Worte schon geschrieben, mit denen ich diesen Beitrag hier beginnen wollte: "Ich bin gestern abend mit dem Gedanken an Dich eingeschlafen und heute wieder damit aufgewacht."
Dann fiel mir
"Gesto de Amor" ein, das mich tief-berührende Video der spanischen Kinderkrebshilfe, zu dem ich schon einmal vor einigen Monaten den Link hier eingestellt hatte. Ich glaube es spricht uns allen aus der Seele, in dem Wunsch etwas aus innerstem Herzen etwas für Dich zu tun.
Allmählich finden sich in mir Gedanken ein, die Deine Situation aus einer weiteren Perspektive zu betrachten wagen....
Aus-therapiert ist ein grausames Wort und klingt nach einem vernichtenden Urteil, es klingt nach "aus-sortiert, aus-rangiert, auf-gegeben....". Damit einen Menschen nach Hause zu schicken und Dich damit allein zu lassen, ist schlichtweg unmenschlich.
Dieses grausame Wort ist nun das ehrliche Eingeständnis der Schulmedizin, dass sie mit ihren konventionellen Mitteln momentan nicht weiter weiß. Dass sie keine weiteren Waffen mehr im Arsenal hat, deren Preis darin bestand, dass sie letztendlich auch Deine körperliche und seelische Verfassung immer weiter verschlechtert haben, ohne gegen die Krankheit etwas ausrichten zu können. Während dessen wurde Dein Körper immer mehr geschwächt.
Wenn ich diesen Gedanken weiter-spinne, würde austherapiert bedeuten, dass Du nun endlich eine Chance bekommst, Dich von den Strapazen gebührend zu erholen. ENDLICH DIE REHA MACHEN. Wenn nicht jetzt, wann dann ???.... ich wünsche mir, Du könntest sie schon morgen antreten. Damit Du endlich einmal rundum versorgt wirst, Dir Gutes getan wird, Dein Körper wieder in einen besseren Ernährungs- und Allgemeinzustand gelangen kann, die vielen Nebenwirkungen der vergangenen Chemotherapie-Monate möglichst weitgehend gelindert werden können. Und vor allem eine RundumdieUhr-Psychoonkologische Betreuung wünsche ich Dir, damit Du in diesem Schock bestmöglich aufgefangen wirst.
Jetzt ist die Zeit für alles, was Deine Lebenskraft nährt, und ich bin sicher, da gibt es noch viele, viele Möglichkeiten.
Gerade wenn Du nocheinmal ein SZ-Sammelversuch gemacht werden soll, ist es doch wichtig, dass Du überhaupt erst einmal in einer Verfassung bist, in der dies möglich wird.
Aus-therapiert in diesem Sinne bekommt so für mich wieder einen Aspekt der Hoffnung. Bedeutet es doch, dass zunächst einmal die Qualen der massiven Chemotherapien ein Ende haben. Aber es heißt für mein Verständnis noch lange nicht, dass nichts mehr für Dich getan werden kann.
Auch glaube ich an die Macht der Gedanken. Ich konnte sehr gut beobachten, was das Lesen Deiner Nachricht zunächst einmal mit mir machte. Es geschah eine Verselbständigung des Denkens, Bilder von Siechtum und Hoffnungslosigkeit tauchten auf - und in mir selbst fühlte sich alles dunkel und eng an. Als mir dies bewusst wurde, versuchte ich, - auch wenn ich nicht weiß, wie Du aussiehst, das ist letztendlich unerheblich - mir eine strahlende Ina vorzustellen, eine Ina, die täglich an Gewicht zunimmt, sich immer wohler fühlt und in der die "Knubbel" schrumpfen. Ich sehe "Willi" (wo war denn nur die Willi-Geschichte? - Du hast sie bestimmt auch gelesen....), ich sehe also Willi, wie er beginnt sich wieder in Dir wohlzufühlen, weil er nun nicht mehr gegen die Chemo-Gefahren rebellieren muss und sich nun freiwillig zurückzieht und in friedlicher Eintracht mit Dir lebt ....
Ich konnte und kann deutlich wahrnehmen, was dieses veränderte innere Bild in meinem Körpergefühl verändert. Und ich bin glaube fest daran, es macht einen Unterschied, ob wir alle in Lähmung und Schrecken verharren, oder ob wir unsere Gedanken auf einen guten Weg für Dich ausrichten.
In diesem Sinne, liebe Ina, werde ich versuchen
aus der Ferne das Meine für Dich zu tun
Mit einer herzlichen Umarmung
Bellinda