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Alt 08.10.2008, 17:21
Mapa Mapa ist offline
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Standard AW: Palliative Behandlung; ambulant, stationär, Hintergründe und Ängste

Liebe Verena,
zunächst möchte ich Dir schreiben, dass es mir aufrichtig leid tut wegen Deiner Schwester. Sie war noch so jung und hatte das ganze Leben vor sich. Mein aufrichtiges Mitgefühl für Dich und Deine Familie.
Ich hatte Dich in keinster Weise gemeint, als ich diesen Satz geschrieben habe. Ich wollte auch niemanden kritisieren, der Krankheiten wie eben Diabetes, Bluthochdruck, Rheuma, Asthma, usw. im Zusammenhang mit dem Begriff "Palliative Behandlung" in Verbindung bringt, um evtl. Neuankömmlingen Trost zu geben, wenn sie selbst oder auch ein Angehöriger bei Lungenkrebs palliativ behandelt wird. Auch mir wurde das anfänglich öfters geschrieben und anfänglich fand ich es sogar ganz hilfreich und wirklich tröstlich. Es ist mir auch klar, dass nur gute Absicht dahinter steckt. Irgendwie ist es ja auch richtig. Ich wollte nur veranschaulichen, dass ein gewisser Unterschied besteht, wenn man manche Krankheiten palliativ behandelt, da es sich dabei teilweise um Jahrzehnte handeln kann. Bei einem palliativ behandelten Lungenkrebs ist die Aussicht, mehrere Jahre damit zu gewinnen, geschweige denn Jahrzehnte, mehr als die Ausnahme. Es scheint, wahrscheinlich wegen der medizinischen Forschung und den Fortschritten bei der Medikamengabe, Ausnahmen immer öfter zu geben.
Keinesfalls lag es auch in meiner Absicht, Krankheit, egal welcher Art, zu pauschalisieren. Jede Krankheit ist schlimm und für den jeweils Betroffenen sehr schwer anzunehmen. Trotzdem gibt es gewisse Unterschiede innerhalb einer Krankheit. Ich versuche, ein Beispiel zu geben, ohne die Krankheiten vergleichen zu wollen.
Zwei Menschen sind querschnittsgelähmt. Einer davon bis zur Hüfte, der andere komplett. Beides ist sehr schlimm. Für den komplett Gelähmten jedoch, wäre es bestimmt wesentlich einfacher anzunehmen, wenn er "nur" bis zur Hüfte gelähmt wäre. Für einen Gesunden wiederum wäre beides unvorstellbar. Würde man jetzt einen Krebskranken im letzten Stadium, bzw. eben T4 mit palliativer Behandlung dazu fragen, würde der vielleicht dazu sagen: Aber beide können damit Jahrzehnte leben.
Es ging mir in erster Linie darum, zu erklären, warum die Menschen immer so schockiert sind, wenn es heißt "nur palliative Behandlung".
Wenn man sich jetzt auch noch dazu diese ganzen ungeliebten Statistiken, Prognosen und Studienergebnisse ansieht, fällt einem auf, dass bei T4, vor allem in Verbindung mit M1, immer nur von Monaten gesprochen wird. Bei Studien mit neuen Zytostatika heißt es auch fast immer: Lebensverlängerung dadurch ca. 1-2 Monate.
In unserer Tageszeitung gab es vor einigen Wochen einen Artikel mit einem Interview über die Kosten im Gesundheitswesen. Dort wurde darüber gesprochen, dass es bald so sein wird, dass man darüber nachdenken muss, in Zukunft keine Behandlungen mehr zu bezahlen, die "nur" noch eine Lebenszeitverlängerung von 1-3 Monaten bringt. Das können sich die Kassen nämlich nicht mehr leisten. Der leitende Onkologe, der dazu befragt wurde, meinte dann, dass er nicht darüber entscheiden möchte, wer was noch bekommt. Sollte das in naher Zukunft tatsächlich beschlossen werden, würde der Begriff "palliative Behandlung" noch schockierender sein, denn dann gibt es wahrscheinlich nur noch einen Versuch, wenn überhaupt. Dann würde einem sogar noch die Hoffnung auf ein Wunder genommen.
Liebe Verena, es ist oft schwierig hier schriftlich manche Meinungen in Worte zu fassen. In einer persönlichen Diskussion würde das leichter fallen. So kommt es manchmal zu Missverständnissen. Ich hoffe, Du verstehst jetzt, was ich meine. Für Deinen Vater alles Liebe und dass er noch viele Jahre mit Euch verbringen kann.
Herzliche Grüße
Mapa
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