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Alt 06.01.2009, 10:33
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Summer 175 Summer 175 ist offline
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Standard AW: Vor 12 Jahren Mundboden-Ca - und jetzt "aus heiterem Himmel" Lungen-Ca

Lieber Anton,
ich wollte keinesfalls die Uniklinik oder einen der dortigen MA disqualifizieren.

Wie Jutta schreibt, können die MA absolut integer und kompetent sein, und trotzdem passt einiges nicht. Und als Kassenpatient hat man in der Regel nur selten mit den leitenden Ärzten zu tun ...

Ein Problempunkt ist in meinen Augen z. B. die Ambulanz der Lungenabteilung, weil man dort nur selten den gleichen Arzt zweimal antrifft und sich als Patient ständig neu auf den Gesprächspartner einstellen muss - grad wenn man älter ist (meine Eltern sind 69 und 70), auch die "Chemie" muss grad bei solchen Gesprächen simmen. Das ist subjektives Empfinden, ganz klar, aber es ist wichtig ...

Was die Nuklear betrifft, ist dieses kurze "Statement" (in der Regel in Medizinerlatein) für ältere Patienten (meine Mutter hat dazu einen Hörschaden) nicht so optimal - ein kurzer, handgeschriebener Brief für den HA bringt da viel mehr, das weiß ich mittlerweile aus eigener Erfahrung. Meine Mutter versteht akustisch vielleicht die Hälfte, und davon sachlich ein Drittel. Mein Vater ist verständlicherweise emotional sehr aufgewühlt, hat von medizinischen Fachbegriffen nicht die geringste Ahnung und versteht deshalb auch nicht alles, was möglicherweise wichtig ist. Dazu kommt, dass die Tumorkonferenz immer mittwochs stattfindet, so dass sich dann oft (in meinen Augen unnötige und vielleicht schädliche) Verzögerungen ergeben. So findet das Szinti am 7.1. statt, TK dann am 14.1., Ergebnis und Besprechung am 15.1. Bei meiner Mutter ist es jetzt so, dass sie eigentlich keine TK mehr braucht, sondern dass wir nur wissen wollen, ob evtl. nur wenige Knochenmetas vorhanden sind (eine an der Rippe ist schon gesichert), die vielleicht bestrahlt werden können, um Schmerzen zu lindern.

Was das Kontrastmittel betrifft, bezog sich meine Aussage nicht auf die Szintigraphie, sondern auf das ursprünglich auch vorgesehene Schädel-CT. Was auch nicht im "gleichen Aufwasch", sondern ca. vier Wochen nach dem Thorax-CT erfolgen sollte. "Blasendruck" in Zusammenhang mit dem KM sagt mir jetzt nichts, ich denke da höchstens an Harndrang. Bei meiner Mutter ging's um eine Schilddrüsenüberfunktion, aufgetreten nach dem letzten Thorax-CT (beim Abschluss der Strahlentherapie) auf und wurde nur deshalb recht kurzfristig erkannt, weil ich meine Mutter aufgrund ihres Ruhepulses im Bereich von 110 nach einigen Tagen zum Internisten "geschleift" habe ... Dann hieß es, sie sollte solche KM-Untersuchungen möglichst vermeiden, auch wenn man die Jodaufnahme der Schilddrüse blockieren könnte. Fakt ist einfach, dass meine Mutter während der Strahlentherapie soviele NW bei kopfbestrahlten Patienten miterlebt hat, dass sie diese Behandlung für sich ausschließt. Bei Hirnmetastasen ist bei Chemo häufig ein Problem die Blut-Hirn-Schranke, dazu kommt, dass der AZ meiner Mutter für eine sinnvolle Chemo (die also Metas bekämpfen könnte) mittlerweile zu schlecht ist. Und da evtl. Metas nicht behandelt werden könnten / wollten (je nach Auslegung), kann ich verstehen, dass meine Eltern dann gar nicht wissen wollen, ob es welche gibt. Stell dir mal vor, man würde etwas finden, meine Mutter würde aber keine Bestrahlung zulassen, und Chemo wäre nicht möglich - meine Mutter würde doch nur auf entsprechende Symptome warten, wäre einer zusätzlichen Belastung ausgesetzt. Jetzt geht sie davon aus, dass nichts ist, weil sie keine Symptome hat - damit ist sie zufrieden, und wenn meine Mutter soweit zufrieden ist, können auch wir anderen gut damit leben.

Fest steht, dass dieser Tumor absolut nicht heilbar ist, die Therapien bei meiner Mutter definitiv ausgereizt sind. Es handelt sich bei ihr (wahrscheinlich hast du meinen ganzen Thread nicht gelesen, wäre ja auch zuviel) um ein großzellig neuroendokrines Lungencarcinom - in diesem Bereich hat auch die Uni Würzburg leider nur sehr wenig Erfahrungswerte. Eine OP (laut Tumorkonferenz im August die einzige !!! Therapieoption) musste abgebrochen werden, weil der Tumor ausgedehnter war, als man auf CT, Szinti, PET usw. sehen konnte. Laut Aussagen der Tumorkonferenz ist dieser Tumor chemo-resistent, man könnte mit Platin nur "Schadensbegrenzung" betreiben. Für Cisplatin ist der AZ meiner Mutter zu schlecht, diverse Begleiterkrankungen sprechen auch dagegen - für Carboplatin ist sie laut Herstellerangaben zu alt, da ist das Risiko nicht zu unterschätzen. Taxotere könnte evtl. Beschwerden lindern, allerdings nicht einmal eine Lebensverlängerung erreichen. Wie sich die Nebenwirkungen bei Erhaltungsdosis (und um diese würde es bei Taxotere wohl gehen, da hatte sich der Arzt noch nicht genau drüber ausgelassen), darstellen, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. Und dass meine Mutter nun sagt, sie geht das Risiko von NW nicht mehr ein, sollten auch die Ärzte akzeptieren.

Ich will hier wirklich keinesfalls die Uni schlechtreden - die technischen Bedingungen schon gleich gar nicht. Es ist schön, dass dort auch hinreichende Forschung betrieben wird - aber die menschliche Seite, das Eingehen auf die Patienten, sollte auf gar keinen Fall zu kurz kommen. Und diesen Eindruck hatte ich einfach schon öfter von der Uniklinik. Mag sein, dass meine Kritik in deinen Augen unqualifiziert ist - aber ich schreibe hier, wie es meine Eltern und teilweise auch ich erleben.

Im Falle meiner Mutter ist in meinen Augen zu viel "nicht rund" gelaufen. Ich denke nicht, dass du es in Ordnung findest, wenn man eine schwerkranke Patientin zum Kontroll-CT einbestellt, dann feststellt, dass die Patientin ja Metformin (meine Mutter hat Diabetes, was in ihrer Krankenakte vermerkt ist - mein Vater hat auch die komplette Liste ihrer Medikamente beigefügt!) nimmt, also kein KM bekommen darf und dann eben wieder heimgeschickt wird - gute vier Stunden vertane Zeit und vergeudete Kraft für meine Mutter .... Vor der Strahlentherapie bekam meine Mutter ein Formular mit, auf dem einige wenige Nebenwirkungen handschriftlich aufgeführt waren. So stand dort z. B., dass Müdigkeit auftreten könne - bei "Müdigkeit" macht sich wohl kein Patient Gedanken, wägt ab - dass auch Fatigue eine häufige NW bzw. Folge ist, wurde nicht erwähnt. Wenn du diesen "Handzettel" mit dem vergleichst, was z. B. in den blauen Ratgebern der Krebshilfe oder auf den Seiten des TZM aufgeführt ist, fragst du dich als Angehöriger schon, ob das dann die sog. "ausführliche Aufklärung" ist ... Dann geht mal das Bestrahlungsgerät "kaputt" - mein Vater hat auch seine Handynummer hinterlegt, aber man begnügt sich damit, auf dem Festnetz anzurufen, so dass meine Eltern schon mal über sechs (!) Stunden in Würzburg warten musste, damit meine Mutter in einer anderen Abteilung bestrahlt werden konnte. Vor der OP sollte an einem Montag ein Lungenperfusions-Szintigramm gemacht werden. Meine Mutter wurde in die Abteilung gefahren, dann die Aussage der MA: "Das geht heute nicht mehr, das machen wir Mittwoch" - Darauf meine Mutter ganz schüchtern: "Aber ich soll doch morgen schon operiert werden ..." Dann ging's doch ... Es hat ja über vier Wochen gedauert, bis die Diagnose (die der Internist schon anhand des Röntgenbilders sehr sicher gestellt hat - nur die Zellart war unklar) stand - u. a. deshalb, weil es nur ein einziges Mal möglich war, zwei Untersuchungen auf einen Tag zu legen. Sonst sind meine Eltern jedesmal für eine einzige, oft sehr kurze Untersuchung (OHNE Statement hintennach!) extra nach Würzburg gefahren - und bekamen noch gesagt, dass sie über so kurzfristige Termine froh sein könnten .... Als meine Eltern bei der Absprache der Strahlentherapie um für sie günstige Termine (sprich in den Fahrzeiten des Shuttlebusses) baten, wurden sie einmal angeblafft, man könne es schließlich nicht allen Patienten passend machen. Das mag stimmen, aber viele Patienten kommen mit dem Taxi, das ist flexibler von der Zeit her - und nur, weil man drum bittet, am Freitag einen Termin am frühen Vormittag zu kriegen, weil der Bus nur bis 11.30 Uhr fährt, finde ich jetzt nicht allzu übertrieben. Das sind alles keine "großen Sachen" - aber sie summieren sich, belasten die eh angeschlagene Psyche und Physis der Patienten noch mehr ...

Was ich ganz heftig fand, ist die Tatsache, dass man meinem Vater erst am zweiten postoperativen Tag (als er sich dann weigerte, die Klinik ohne Gespräch mit einem Arzt zu verlassen) gesagt hat, dass die OP abgebrochen werden musste. Als er (meine Mutter wurde morgens um 8.00 Uhr operiert) am späten Nachmittag anrief, hieß es nur, ihrer Frau geht es hervorragend, sie liegt nicht mal auf Intensiv. Am nächsten Tag fand er, dass meine Mutter für solch einen schweren Eingriff in ausgesprochen guter Verfassung war und wollte gern mit einem Arzt sprechen. Aber der eine war noch nicht da, der andere im OP, der dritte schon wieder weg ... Er Freitagnachmittag, als er dann energisch wurde, war dann doch ein Arzt greifbar ... Man kann doch dem nächsten Angehörigen so etwas Wichtiges nicht so lange vorenthalten, bis es gar nicht mehr anders geht!!!!

Und ich habe absolut kein Verständnis dafür, wenn einer krebskranken Frau in schlechtem AZ ein Rezept über Bisphosphonat-Infusion beim HA verweigert wird, sondern dass diese Infusion dann in der Uni durchgeführt werden müsste. Für eine halbe Stunde Infusion sind meine Eltern dann wenigstens 3 1/2 Stunden unterwegs, müssen schauen, dass sie die Zeiten so legen, dass sie mit dem Shuttlebus fahren können - mehr als 50 m zu Fuß überfordern meine Mutter bereits, und Parkplätze im "zu-Fuß-Bereich" sind im Bereich der Frauen- und Kopfklinik ja knapp, Behindertenparkplatz geht (noch) nicht, weil meine Mutter "nur" B und G in ihrem 100 % Ausweis stehen hat.

Das Julius-Spital ziehe ich deshalb in Betracht, weil meine Mutter im Akutfall dort stationär aufgenommen und sehr zeitnah auf die Palliativstation verlegt werden könnte. Die Praxis am Bahnhof kennt meine Mutter von früher, das wäre auch eine Alternative.

Die Erfahrungen der vergangenen sechs Monate in der Uniklinik sind halt leider nicht positiv - da gibt's einfach nichts schönzureden - ganz anders die Erfahrungen meiner Mutter in der Zahnklinik, wo sie damals wegen des Mundboden-Ca's behandelt wurde und heute noch zur Nachsorge geht. Dort geht es "familiärer" zu, meine Mutter fühlt sich dort "aufgehoben", nicht nur als "Fall".

Wenn du unsere persönlichen Erfahrungen - und als solche habe ich es immer dargestellt!!! - als unqualifiziert bezeichnest, kann ich damit auch leben. Aber vielleicht helfen unsere Erfahrungen anderen, bessere zu machen, indem sie einfach öfter nachhaken, energischer sind, nicht alles als "Evangelium" hinnehmen, nur weil es von Ärzten kommt - wie es grad ältere Patienten oft tun, und wie es meine Eltern anfangs taten ...

Wie gesagt - die technische Ausstattung einer Klinik ist das eine, ebenso wie eine Koriphäe in der Leitung ... Aber gerade Krebspatienten brauchen eben auch die andere Seite, die menschlich, mitfühlend, vertrauenaufbauend, unterstützend ist. Vor allem finde ich persönlich EINEN Ansprechpartner wichtig, wo sich ein Vertrauensverhältnis entwickeln kann. Meine Mutter hat jetzt schon Angst, welcher Arzt wohl am 15. die Ambulanz abhält - ob's ein netter ist, der so mit ihr redet, dass sie's auch versteht, oder einer von der Sorte, die ihr Fachlatein runterrattern und auf den Patienten einschüchternd wirken. Beim letzten Gespräch Mitte Dezember, hatten wir in meinen Augen wirklich Glück - das muss auch mal gesagt werden! - und einen netten, jungen Arzt, der nicht nur einen Monolog hielt, sondern mit dem man das Für und Wider diskutieren konnte, ich konnte zu den mir bekannten Gegenanzeigen und Nebenwirkungen von Platinchemo nachfragen, bekam auch ehrliche Antworten. Aber wie gesagt - jeder Arzt dort oben ist anders, und man weiß nie, wen man bekommt ... Anderen Patienten macht's vielleicht nichts aus - meiner Mutter ist ein Vertrauensverhältnis zu "ihrem" Arzt sehr wichtig. Und ich möchte auch das Gefühl haben, dass meine Mutter als Mensch wichtig ist und ernst genommen wird, und nicht nur ein "Fall" ist. Und dass man auch ihre Entscheidung für oder gegen eine Behandlung akzeptiert und respektiert. Ich denke nicht, dass das zuviel verlangt ist.

Wie du vielleicht schon gelesen hast, arbeite ich als Pfarramtssekretärin, höre also auch dadurch Erfahrungen anderer Leute über die Uniklinik. Eine Bekannte von mir, die im Herbst an Brustkrebs verstarb, nahm ihrem Mann gegen Ende das Versprechen ab, dass er sie unter gar keinen Umständen nochmals in die Uniklinik bringen würde ... Es scheint also wirklich so sein, dass sich viele Patienten dort einfach nicht "geborgen" fühlen...

Was ich persönlich an deinem post schade fand, dass du - zumindest kam's bei mir so an, entschuldige, wenn ich dich missverstanden habe - in erster Linie auf die Klinikleitung (diesen Professor kennen wir leider eben nicht) und die technische Ausstattung bzw. Forschung eingegangen bist.

Es wäre schön gewesen, wenn du persönliche Erfahrungen über den Umgang mit Patienten und / oder Angehörigen hättest schreiben können - vielleicht kannst du das ja noch nachholen?

Liebe Grüße, Karin


Liebe Jutta,
danke schön
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"Das Leben ist keine Autobahn von der Wiege bis zum Grab, sondern ein Platz zum Parken in der Sonne."
(Phil Bosmans)

Geändert von Summer 175 (06.01.2009 um 11:16 Uhr)
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