AW: Gedanken.. Gefühle.. Fragen..
Mittwoch 13:30 Uhr. Aus lauter Angst seine Eltern könnten irgendetwas machen bezüglich Jürgen bin ich dann doch früher von Arbeit losgefahren. Ich lief gleich zum Zimmer der Sozialarbeiterin und klopfte. Da grad jemand im Zimmer war, sollte ich kurz draußen warten. Dann verließ derjenige der drinnen war das Zimmer, doch nichts passierte. Ich fing an mich nach 20 Minuten darüber zu ärgern, dass ich früher los bin und nun da draußen sitze. Dachte auch schon daran nochmals zu klopfen. Plötzlich lief der Professor an mir vorbei und ich sprach ihn gleich an. Ich fragte ihn ob er vor hat ihn nochmals zu operieren. Er antwortete mir mit nein. Er möchte ihm die Lebensqualität die er jetzt noch hat lassen. (Lebensqualität nennt er das noch, ging mir durch den Kopf) Er erklärte mir was bei einer erneuten op passieren würde bzw. das er danach weder sprechen noch laufen könnte und halbseitig gelähmt wäre. Ich sagte ihm das ich aus genau diesem Grund hier bin, da ich nicht mehr in der Lage bin mich um ihn zu kümmern. Ich bedankte mich bei ihm für die kurze Info und er lief weiter in Richtung seines Zimmers. Nun saß ich da. Die Tränen fingen an zu fließen. Ich war wie immer alleine. Keiner da der mich tröstete. Ich versuchte mich zusammen zu reißen. Was schließlich auch klappte. Die Sozialarbeiterin erklärte mir dann wie das mit der Beantragung des Hospiz laufen würde und gab mir die Blätter zum unterschreiben mit. Ich lief dann gleich zum Hospizdienst rüber, wo ich ja den nächsten Termin hatte. Als allererstes habe ich alles was mir so durch den Kopf ging erzählt. Ich habe quasi mein Herz ein bisserl ausgeschüttet. Ich bekam viele Infos und verblieb mit dem Mitarbeiter so, dass er gleich noch beim Hospiz meiner Wahl anruft um Jürgen dort wenigstens schon einmal auf die Warteliste zu setzen. Er gab mir die Nummer mit, damit ich dort anrufen kann um einen Termin zu machen zum Kennenlernen.
Nun lief ich mit Zettelchen in Richtung Aufzüge, denn ich konnte es kaum erwarten ihn wieder zu sehen. Schließlich dachte ich ja seit Sonntag, das ich ihn die ganze Woche nicht sehen kann aufgrund Arbeit, Kinder etc. Ich stieg grade aus dem Aufzug als mein Handy klingelte, es war sein bester Kumpel, der auch grad im KH war. Ich wartete auf ihn und erzählte ihm gleich, was der Professor sagte und was für Infos ich bezüglich Hospiz erhalten hatte. Wir gingen dann gemeinsam zu Jürgen. Bis dahin hatte ich mir noch nicht wirklich einen kopf gemacht, wie ich das jetzt Jürgen beibringen soll mit dem Hospiz. Dementsprechend wurde der Antrag auch nicht unterschrieben. Ich verblieb mit der Sozialarbeiterin so, dass ich ihr den Brief zurück gebe und wenn nicht unterschrieben, sie nochmal zu ihm geht und mit ihm darüber spricht. Ich lief also zum Schwesternzimmer und wollte den Brief abgeben. Da war eine Ärztin und diese fragte mich dann gleich wie es jetzt mit ihm weitergeht, da er hier ja bald nicht mehr bleiben kann. Ich schildertet ihr kurz die Situation und auch warum seine Eltern nicht in Frage kämen. Ich bat auch darum, das man mit den Eltern mal reden sollte, da diese mir nicht glauben würden und gar nicht erst realisieren oder gar wahr haben wollen was mit Jürgen ist. Naja, sie wollte sich darum kümmern.
Abends am Telefon sagte Jürgen wieder. Nur bei dir ist schön nur mit dir zusammen ist es gut.
Gestern erhielt ich dann eine Mail von der Sozialarbeiterin:
heute hatte ich ein längers Gespräch mit Ihrem Verlobten, er hat mir aber deutlich und mehrmals gesagt, dass er nicht in ein Hospiz möchte. Er meint er könne bei Ihnen sein und wenn es tagsüber nötig wäre zu seinen oder Ihren Eltern gehen.
Daraufhin habe ich ihm vorgeschlagen den PV Antrag zumindest für den häuslichen Bereich zu stellen, dass wollte er aber auch nicht unterschreiben ohne mit Ihnen darüber gesprochen zu haben, der Antrag liegt also noch bei ihm und muss unterschrieben werden. hoffentlich haben Sie dabei mehr Erfolg.
Die Anmeldung im Hospiz läuft trotzdem, dass kann ja dann jederzeit entschieden werden.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich noch nicht daran gedacht, dass er davon ausgeht, dass es wieder so etwas wie die Rehaklinik ist. (er hatte da ja grausige Erfahrungen machen müssen und hat eh Probleme die Sachen richtig zu verstehen. Wenn ich sage Fenster versteht er dabei Tür...) Wer das nicht weiß, der glaubt ihm gleich das was er als erstes erzählt. Doch man muss genauer nachfragen um zu verstehen was er meint. Doch wer weiß das außer mir???
Ich habe ihn auch gestern zusammen mit den Kindern besucht, da er unbedingt seinen Rasierer und eine Uhr haben wollte. Natürlich fahre ich dafür bei ihm vorbei, denn ich mache das sehr gerne und außerdem kann ich ihn dann wieder sehen.
Heute sollte dann der Tag sein an dem ich mit ihm einmal in Ruhe über die ganze Geschichte Hospiz sprechen kann. Ich konnte heute kaum arbeiten, da ich Angst hatte vor diesem Gespräch. Was wenn er denkt ich liebe ihn nicht mehr.. will ihn nicht mehr bei mir haben... Er sauer wird da ich sage er kann nicht mehr zu mir...
Ich rief gleich frühs nochmal bei der Sozialarbeiterin an. Fragte ob er diesen Zettel denn unbedingt unterschreiben soll. Sie erklärte mir das erstmal der Antrag wichtig sei, damit man schon einmal die Pflegestufe beantragen kann.
Anschließend rief ich beim Hospiz an und erklärte meine Lage. Sie bot mir an nochmal zu ihm zu gehen um mit ihm über die Sache Hospiz zu reden. Dann kam ich auf den Pfarrer zu sprechen. Ihm hatte ich auch eine Mail geschickt, da Jürgen zu ihm eine gute Beziehung aufgebaut hatte und sich immer wieder freute, wenn der Pfarrer ihn besuchen kam. Er rief mich dann später auch zurück, konnte mir aber nichts anderes erzählen. Er bot mir an beim Gespräch dabei zu sein, doch zufällig rief sein Kumpel vorher an und fragte ob wir zusammen zu ihm fahren wollen. Somit war ich also diesmal nicht alleine dort. Was mich einerseits erleichterte.
Jürgen fing von sich aus mit dem Zettel an. Ich hab mit allen mitteln und Argumenten versucht zu erklären warum er nicht zu mir kann.. warum ich mich besser fühlen würde wenn er im Hospiz wäre... usw. Das war das erste mal seit langem, das wir uns länger unterhalten hatten. In letzter Zeit saß er nämlich zu Hause meist teilnahmslos da und sprach nicht mehr viel mit mir, was mich einerseits verletzte.
Nun gut zurück zum Thema. Ich erzählte Jürgen das ich unabhängig von seiner Entscheidung auf jeden Fall am Montag das Hospiz ansehen werde und mich beraten lasse. Ich habe versucht ihm das Hospiz zu erklären und was da anders ist, das er da nicht hin muss, dort nicht gefangen ist, er Hilfe hat ich mich besser fühle, Schwestern da sind, ich bei ihm schlafen kann immer schnell da sein kann bei ihm etc.(unter Tränen, die ihn irritierten)
Schließlich sagte er er will Montag abwarten wenn ich mir das angeschaut habe. Ich erklärte ihm das ich ihm nichts böses will sondern nur das Beste und er mir wichtig ist. Das ich Angst nach all dem was passiert ist habe. Auf einmal fing er an zu weinen. Faselte was von ich muss da hin etc. Nein habe ich gesagt du musst da nicht hin. Wenn du es willst. Es zwingt dich keiner. Dein Wille ist mir auch wichtig.
Mir wurde klar, das er mich nur dann verstehen könnte, wenn er auch weiß, das er wieder einen Tumor im Kopf hat, der nicht mehr operiert wird. Aber nicht ich will diejenige sein die ihm das sagt. ICh habe mir vorgenommen morgen einen Arzt zu fragen, warum keiner ihm das sagt. Es ist doch nur fair wenn er weiß, das er die Zeit jetzt noch nutzen sollte.
Wie gerne würde ich ihm alles geben und meine Zeit für ihn nur noch opfern. Aber nein ich kann es nicht mehr. Die Kinder brauchen mich auch.
Mir tut es alles so weh. Ich liebe ihn doch und fühle mich so als würde ich ihn abstoßen. Ich kann nur dafür sorgen das er weiß was mit ihm ist, denn er hat es verdient die Wahrheit zu wissen um mich dann auch zu verstehen. Ich bin ihm das auch schuldig denn dann kann er die Zeit noch nutzen. Keiner weiß wie lange wir noch haben werden. Diese Zeit soll sinnvoll genutzt sein.
Wie soll ich das nur den Kindern beibringen.
vorhin am Telefon sagter er das er immer noch darüber nachdenkt wegen der Sache wo ich Montag hingehe. Er hat schon mitbekommen das was nicht stimmt, denn warum sollte ich ihn sagen du kannst nicht zu mir nach Hause und auch noch weinen. Er bekommt noch sehr viel mit. Nicht wie andere denken.
Ich hoffe ich bekomme morgen meine Antwort von der Ärztin und das sie ihm auch sagt was ist.
Ich will fair spielen und nicht länger lügen oder gar ihm alles verheimlichen.
ich werde mich wieder bei euch melden
eure
bluetrilo
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