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Alt 03.02.2009, 09:12
Thessa76 Thessa76 ist offline
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Standard AW: Unverständnis und Fragen....

Guten Morgen,

es gibt nicht viel Neues bei uns. Gestern war ich mit Mama bei den Bestrahlungen, das ist ja immer ein Mordsaufwand, weil in der kleinen Lungenfachklinik, in der sie liegt, keine Strahlenabteilung ist und wir immer ins Nachbarkrankenhaus müssen.

Meine Mama hat so Rituale, wohl mit meiner Schwester eingeführt, die ja meistens dabei war. So sagte sie schon auf dem Weg im Taxi, dass wir danach aber unbedingt einen Cappuccino trinken müssen. Ich war erst ein bisschen verdattert. Aber dort steht so ein Tchibo-Automat, aus dem der Automaten-Kaffee wirklich ganz gut schmeckt. Nach den Strahlen wollte sie dann einen, anschliessend gleich noch einen zweiten.

Zu den Strahlen durfte ich erst nicht mit rein, dann hat Mama aber gesagt, sie will, dass ich ihr beim Jacke ausziehen helfe und dann haben sie mich doch gerufen.
Sie kann nicht mehr aufstehen. So mache ich es immer so, dass sie ihre Arme um meinen Hals legt und wir dann bis drei zählen und ich sie dann in den Stand hole. Dann legt sie immer ihren Kopf in meine Kuhle am Hals, so wie ein Baby. Und ich geniesse diesen Moment so sehr, sie ist ganz nah bei mir und hält dann auch im Stehen aus, ist ganz ruhig. Das ist unheimlich innig.

Als wir wieder zurückwaren habe ich sie dann hingelegt und sie hat sofort geschlafen, für abends hatte sie sich Suppe gewünscht, ich habe die dann auch gekocht und nachdem sie ja immer frisches möchte, fielen mir gestern Wasser-und Honigmelonen ins Auge. Das hat sie dann gestern abend alles weggemümmelt, sicherlich ein Pfund Melone, ganz viel Suppe mit ganz viel Sahne, ein bisschen Haribo, ein Actimel, ich war zufrieden.

Gestern mittag habe ich nochmal mit der Ärztin gesprochen, und sie auch wegen dem Fortsetzen der Bestrahlung gefragt. Sie meinte dann, dadurch, dass Mama keine Schmerzen hat, sondern sie nun nur die Bronchitis plagt und sie sehr müde ist, KANN es auch sein, dass die Strahlen helfen. Die Bronchien sehen bronchoskopiert so gut aus wie noch nie. Das heisst, da kommt auch so schnell nichts nach. Und da es ein bisschen dauert, bis die Strahlen wirken, sagt sie, dadurch, dass sie wirklich schon alles, alles gesehen hat, kann man mit der schlafenden Mama im Moment noch gut zurechtkommen. Es ist keine Qual für sie. Und das ist ja die Hauptsache.

Also machen wir noch heute und morgen, heute macht mein Papa den Weg mit ihr, den haben wir allerbest geimpft mit Teetasse mit Zucker mit auf den Weg, danach den Cappuccino aus dem Automaten, bei dem man passsend zahlen muss und und und.. ich hoffe, er kriegt das hin.

Dadurch, dass sie gestern so gut gegessen hat, war ich ein kleines bisschen besser drauf. Das hat mir gut getan. Trotzdem ist die Traurigkeit übermächtig und ich möchte am liebsten gar nicht mehr aufstehen. Der Schlaf der Restfamilie ist nicht mehr existent, abends gucke ich dann immer nach der Oma, der es ganz schlecht geht.
Aber es geht... irgendwie. Man mobilisiert tatsächlich Kräfte, die übermenschlich sind.

Ich grüsse Euch lieb und lese jetzt nochmal kurz quer.

Eure Thessa
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Meine Mutter, ED 03/08 Adenokarzinom nicht operabel; T4N3M0.
Chemokonzept: seit 03/08 Carboplatin/ Vinorelbine, Umstellung aufgrund von Versagen von Carboplatin auf Taxotere am 22.07.08. Letzte Chemo am 27.11.08 - nun watch and wait.
14.01.: Lunge fast tumorfrei, multiple Hirnmetastasen, 10 Ganzhirnbestrahlungen ab dem 22.01.
am 09.02.2009 in unseren Armen eingeschlafen
1946 - 2009
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