[Summer 175]

Liebes Julchen,
da gehst du grad durch eine doppelt schwere Zeit - beides (die evtl. Trennung von deinem Freund UND die Krankheit deiner Mama) braucht viel Trost und Zuspruch, und das fehlt dir jetzt grade besonders ...

Ich weiß nicht, ob das 90 in deinem nick für dein Geburtsjahr steht - nach dem, was du schreibst, kann ich mir aber auch so vorstellen, dass du noch sehr jung bist - und sehr allein ... Meine Tochter ist grad 24 geworden, und es dreht sich mir das Herz um, wenn ich mir vorstelle, sie müsste etwas durchmachen wie du grad ...

Dieses Forum hier kann dir sehr helfen - es gibt sehr viele liebevolle Menschen hier, die in ihrer eigenen schwierigen und traurigen Situation noch Trost und liebe Worte für andere finden. Du kannst hier schreiben, was dir auf der Seele liegt, brauchst keine Angst vor "schiefen Blicken" zu haben (von ein paar ganz ganz wenigen Schreibern abgesehen, aber die darf man nicht zu ernst nehmen) - und irgendeiner wird sicher immer für dich da sein. Ich weiß auch, dass es im Laufe der Zeit auch zu persönlichen Kontakt zwischen den Menschen hier kommt, dass auch die virtuelle, etwas unpersönliche Ebene verlassen wird.

Was die Psychotherapie betrifft, ist das sicher ein guter Ansatz, aber das Problem ist die lange Wartezeit - und dann weiß man immer noch nicht, ob's der Richtige für einen ist ... Aber versuch es - psycho-onkologisch ist sicher eine sehr gute Möglichkeit, aber es gibt leider nicht all zu viele Therapeuten, die auch auf diesem Gebiet tätig sind - und die Wartezeiten sind vermutlich noch länger. Ich weiß, dass es bei "normalen" Therapeuten mehrere Monate dauern kann - selbst mein Mann als Privatpatient bekam als "schnellsten" Termin sechs Wochen später genannt (zu der Zeit wurde er dann schon stationär behandelt, weil es sich so verschlechtert hatte ...). Aber kümmere dich um einen Therapieplatz - wichtig ist nur, dass es ein Psychotherapeut oder ärztlicher Therapeut ist, dann gibt es auch mit der Kasse keine Probleme.

Ich bin als Angehörige mehrfach mit Krebs konfrontiert worden: bei meiner Mutter wurde Ende 1995 ein Mundboden-Ca. mit sehr ungünstiger Prognose diagnostiziert - sie hat viele schwere OP's überstanden und dann noch 12 recht gute Jahre (mit einigen gesundheitlichen Einschränkungen) überstanden. Ende 2005 erkrankte mein Vater an Darmkrebs - ein Zufallsbefund durch den Test auf okkultes Blut ihm Stuhl 1 x jährlich ... Er wurde operiert, bis jetzt besteht kein Verdacht, dass der Krebs wieder aktiv ist. Und letzten Sommer erkrankte dann meine Mama an einer sehr seltenen Form von Lungenkrebs - daran ist sie nur 7 Monate später Ende Januar verstorben.

Irgendwann kommt wohl jeder an den Punkt, wo er meint, es ginge nicht mehr - die Kraft ist weg, die Hoffnung gleich null, die Freunde zum großen Teil auf Tauchstation ....

Ich wünsche dir von Herzen, dass dein Freund genug Verständnis für dich aufbringen kann - dass dir wenigstens eine Last von der Seele genommen wird. Aber - bitte sei nicht böse, wenn ich so direkt bin - auf der anderen Seite weißt du im anderen Fall, dass es eben nicht der richtige Mann für dich war. Wenn ihr diese Situation durchstanden hättet, wäre es vielleicht bei der nächsten schwierigen zur Trennung gekommen. Das sagt sich mit 49 und 26 Ehejahren natürlich leichter als in deiner Situation ....

Ich umarme dich mal ganz lieb,
Karin