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Alt 11.02.2010, 22:13
Thessa76 Thessa76 ist offline
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Standard AW: Meine Mama: nichts ist mehr wie es mal war. Und die Welt steht still.

Ihr Lieben,

ich bin wieder hier. Nach zwei Tagen KK-Abstinenz, weil es einfach nicht ging. Und so freue ich mich so sehr, dass Ihr an mich gedacht habt, ich bin sprachlos und richtiggehend gerührt. Wirklich. Allerliebsten Dank.

Was soll ich schreiben? Der Dienstag war, wie auch die ganzen Wochen davor, eine einzige Hölle. Es spitzte sich so sehr auf diesen Todestag zu, wie ich es in meinem Leben noch nicht erlebt habe. Mir ging es dermassen dreckig, dass mir alles, alles, alles andere egal war, dass ich kein Licht mehr gesehen habe, nur noch mit mir sein wollte und leiden. Ich vermisse sie so schlimm, fürchterlich.
Nach einer komplett schlaflosen Nacht von Mo auf Di bin ich dann aber ins Büro, wenn auch mit Bauchweh. Dort ging es bis Mittags einigermassen schlecht, danach brachen die Dämme und ich bin nach Hause. Was sich hier dann abspielte, will ich gar nicht weiter berichten. Es ging jede, jede, jede Minute nochmal durch meinen Kopf. Jeder Atemzug, jedes Wort von mir an sie, einfach alles. Auch die Bilder, an die ich jetzt ein ganzes Jahr nicht mehr rangekommen bin. Alles wieder da. Um ca. 18.20 hat sie das letzte Mal geatmet. Eigentlich wollte ich mit einem Glas Champagner und einer Zigarette auf dem Balkon stehen, und in den Himmel prosten und ihr "zu"rauchen, was ich ja sonst nicht tue.
Geraucht hab ich, getrunken nicht. Und dann, schlagartig, als es 18.30 war: es ging SEKÜNDLICH besser, so was hab ich noch nie erlebt. Mein Liebster kam um 7 nach Hause, sicher befürchtend, was er hier vorfindet, da lag ich schon auf dem Sofa und habe gelesen. Dann haben wir gegessen, uns unterhalten, dann hat er gesagt, komm, lass uns noch zu einem Aussichtspunkt laufen, ich habe eine Kerze gekauft, die wir anzünden können. Dafür war es mir zu kalt.
Die folgende Nacht war herrlich, seit Wochen hab ich nicht mehr geschlafen, seit zwei Nächten wie ein Baby.

Ich weiss nicht, was es ist. Warum es so ist. Hab ich mich nochmal von ihr verabschiedet im besonderen Sinn, wohlwissend, dass sie immer dabei ist? Oder bin ich einfach nur froh, dass ich jetzt ein Jahr Pause habe? Keine Ahnung.
Das, was ich weiss: die letzte Zeit war so schlimm, wie während dem Krankheitsanfang. Und das ist jetzt irgendwie verschwunden.

Ich hoffe, nachhaltig, genau wissen kann ich es nicht. Aber ich kann durchatmen, verschnaufen und Luft holen. Und dieses Gefühl ist für mich unglaublich wertvoll - immer mit meiner Mutter im Herzen.

Seid lieb bedacht, ich bin froh, dass ich Euch kennengelernt habe, hier.

Eure Thessa
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Meine Mutter, ED 03/08 Adenokarzinom nicht operabel; T4N3M0.
Chemokonzept: seit 03/08 Carboplatin/ Vinorelbine, Umstellung aufgrund von Versagen von Carboplatin auf Taxotere am 22.07.08. Letzte Chemo am 27.11.08 - nun watch and wait.
14.01.: Lunge fast tumorfrei, multiple Hirnmetastasen, 10 Ganzhirnbestrahlungen ab dem 22.01.
am 09.02.2009 in unseren Armen eingeschlafen
1946 - 2009
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