Hallo kleinesDing,
ich sehe mich zwar nicht als Beziehungsratgeber, aber ich versuche als Betroffener meine Sicht darzulegen. Jedoch muss ich vorab schon mal darauf hinweisen, dass jeder Mann unterschiedlich mit seiner Hodenkrebserfahrung umgeht.
Generell ist es so, dass häufig junge Männer (zwischen 20 - 40 Jahre) von Hodenkrebs betroffen sind. Aus psychischer Sicht ist es sicherlich für die jungen Männer ein tiefgreifendes Erlebnis. Hatte man(n) bislang ein mehr oder weniger sorgloses Leben geführt, wird man nun plötzlich mit dem Tod konfrontiert. Ich habe bspw. zum ersten Mal so richtig realisiert, dass das Leben endlich ist und es sehr schnell vorbei sein kann. Als Hodenkrebsler erfährt man ab der Schock-Diagnose Krebs bis zur eigentlichen Therapie (i.d.R. Chemotherapie) eine Grenzerfahrung. In dieser Zeit dreht sich i.d.R. alles um das Thema Krebs. Die Chemotherapie hat als Begleiterscheinung auch bestimmte Nebenwirkungen (z. B. Übelkeit, Haarausfall, Schlappheit etc.), mit denen man (individuell unterschiedlich) konfrontiert werden kann. Es ist ja nicht nur so, dass man selber mit dem Krebs zu kämpfen hat, sondern dass auch nahestehende Personen mit einem mitleiden (auf psychischer Ebene). Manchmal ist es auch so, dass Freunde (die man bspw. schon seit Kindesbeinen kennt) oder die Partnerin sich von einem abwenden, weil sie wahrscheinlich nicht wissen, wie sie mit dem Betroffenen oder mit dem Thema Krebs umgehen sollen/können.
Somit hat ein Betroffener neben der großen psychischen Belastung durch das Thema Krebs (Werde ich überleben? Werde ich wieder gesund? Warum ausgerechnet ich? Womit habe ich das verdient? Wie sieht meine Zukunft aus? Kann ich meine Wünsche/Träume noch verwirklichen? etc.) und den körperlichen Eingriffen (Operation, Chemotherapie, Bestrahlung) auch manchmal mit anderen neu entstandenen Problemen zu kämpfen, die aus dem sozialen Umfeld herrühren. Das Umfeld kann häufig nicht ganz nachvollziehen, was man alles durchmacht. Man kann sich als Betroffener von seiner Umwelt sehr mißverstanden fühlen.
Ich will nur sagen, dass dein Freund seit der Diagnose Hodenkrebs viel mitgemacht und erfahren musste, womit sich ein normal gesunder junger Mann normalerweise nicht herumschlagen musste. (Hoden)krebs ist eine sehr persönliche Grenzerfahrung.
Jeder Betroffene geht aber unterschiedlich mit diesen Erlebnissen rund um Hodenkrebs um.
Es gibt einige, die das ganze Thema Hodenkrebs nicht so einfach verarbeiten können und noch lange danach daran zu knabbern haben. Es gibt auch einige andere, die aus dieser Erfahrung positive Energie gezogen haben (berühmtestes (und vllt. extremstes) Beispiel: Lance Armstrong, der anschließend 7x die Tour de France gewann und 4facher Vater wurde).
Zitat:
Zitat von kleinesding
mir ist nur aufgefallen, dass es im bett anfangs nie so richtig geklappt hat, da er, glaube ich, angst hatte zu versagen oder vielleicht nur noch ein halber mann zu sein. das hat mich überhaupt nicht gestört und nach einiger zeit lief es dann auch etwas besser.
|
Was meinst du mit "nicht richtig geklappt hat"?
Zitat:
Zitat von kleinesding
kann es sein, dass er dieses völlig verdrängt hat und er vor mir als der starke mann stehen wollte....und dann komm ich und löse so eine panik in ihm aus? seit er weg ist,habe ich mehr über dieses thema gelesen und es ärgert mich das ich es nicht schon vorher getan habe. jetzt habe ich ihn wohl für immer verloren. kann es sein dass man auch 5 jahre später noch darunter leidet, psychisch und körperlich?
|
5 Jahre nach der Hodenkrebserfahrung ist er nahezu geheilt.
Die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall wird von Jahr zu Jahr geringer. Körperliche Folgen können natürlich vorhanden sein (z. B. ein zu geringer Hormonaushalt), können aber normalerweise behandelt werden.
Bezüglich der Psyche ist es von Person zu Person unterschiedlich wie man den Hodenkrebs verarbeitet. Oben habe ich ja kurz darüber geschrieben. Häufig berichten Betroffene, dass sie umso weniger an den Hodenkrebs denken, umso länger er zurückliegt. Viele führen ein normales Leben (haben eine Familie gegründet, eine neue Freundin gefunden etc.). Einer schrieb mal, dass ihm der Hodenkrebs nun wie eine Grippe vorkommt. Es war mal da, man musste das Bett hüten und nun ist alles wieder gut.
Sicherlich kann man im Alltag schnell mal wieder an den Hodenkrebs erinnert werden, wenn jemand (Unwissender) sagt: "Du musst Eier zeigen!", "Das geht mir ganz schön auf den Sack!" oder "Ich habe schon richtig dicke Eier" etc.
Aus der Ferne ist es natürlich schwierig das Verhalten deines Freundes zu beurteilen. Er war wohl sehr emotionalisiert als ihr euch gestritten hattet. Er wurde durch das Weinen an seine harte Zeit erinnert. All die ganzen miesen Gefühle kamen dann wohl plötzlich hoch. Es kann sein, dass er sich jetzt schämt, weil er sich als starken Mann präsentiert und während des Streits seine schwache verletzliche Seite gezeigt hatte. Ich würde an deiner Stelle weiter versuchen, das Gespräch mit ihm zu suchen.