Thema: Myriam
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Alt 16.03.2010, 17:40
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Myriam

Liebe mollie,

ja, es waren Menschen. Zum Glück. So manche andre erlebten die Hölle auf Erden nachdem die erste stürmische Zeit aufgebraucht war und es wird noch vielen so gehen. Wieder andere geben zu schnell auf. Myriam und ich haben um unser Zusammenleben gekämpft, jeden Tag. Nicht mit grossen Worten und Taten, sondern mit vielen kleinen Gesten. OK, manchmal war es etwas schwieriger, doch auch das haben wir geschafft.

Ich habe 2 Töchter und zwei Enkelinnen. Immer wieder entdecke ich in und an ihnen Eigenschaften die Myriam ausmachten. Sie fragen sich oft: "Wie hätte Mama das gemacht?". Ich habe hier 4 Wassergläser mit schwarzen und goldenen Punkten drauf. Die beiden Kleinen wissen immer noch ganz genau, welches davon das Lieblingsglas ihrer Oma war. Es ist schön so. Sie lebt in ihnen.

Was ist mit deinem Ellenbogen? Was Schlimmes? Ich drück dir schonmal die Daumen!!

Letzten Samstag traf mich ein Schicksalschlag, den ich lange, jedoch letztendlich vergeblich, vor mir herschob. Ich bin Kassenwart im Computerclub: die Kassenprüfung stand an.

Also, pünktlich gegen 16 Uhr (+/- ne dreiviertel Stunde) marschierten 2 gesetzte Herren mit Sonnenbrille und schwarzem Anzug bei mir ein. Geschlagene 4 Stunden sassen besagte seriösen Herren um den Tisch herum, die Nase in den Büchern und meinem perfekt zurechtgefeilten Bericht.

Derweil lief ich mit quietschenden und quatschenden Turnschuhen im dreiviertel Kreis um sie herum. Irgendwo musste der Schweiss ja hin, also haben die Turnschuhe ihn aufgefangen. Es sind hohe Turnschuhe, früher, in meiner längst abgehakten Jugend, sagte man Basketballschuhe dazu, da geht einiges rein. Von wortreichen (noch eine meiner besten Eigenschaften!) Gesten begleitet hab ich ihnen die rudimentären Regeln meiner Buchführungskunst erklärt. Ob sie es verstanden haben, weiss ich nicht. Ist vielleicht auch besser so.

Da die Glaubwürdigkeit einer Kassenprüfung von einer Gegenprüfung abhängt, hab ich ihnen diese in meinem Bericht gleich mitgeliefert. Gegenprüfung heisst, das Pferd von hinten aufzurollen. Wenn dann am Schluss die gleiche Zahl steht, ist zumindest die Berechnung schon mal in Ordnung. Wenn dann noch 90% aller 10 Quittungen, Rechnungen und Kontoauszüge vorhanden und einigermassen logisch sortiert sind, steht einer abschliessenden, wohlwollenden Unterschrift dieser seriösen Herren mit Sonnenbrille nichts mehr im Wege. Was natürlich ein kluger Schachzug meinerseits war: ich hatte ihnen den Wind aus den Segeln genommen. Mussten sie doch jetzt in die Tiefen der Finanztechnik hinabsteigen.

Zufrieden? Meinste? Pustekuchen! Nach geschlagenen 2 Stunden, ich wollte gerade meine Hand zu einem Einwand erheben, rief einer dieser Herren mit hochrotem Kopf, strahlendem Gesicht und glänzenden Augen aufs Höchste erfreut aus: "Ha! Jez homma ne omm Schlawittche!" Sein Kollege, den Stift schwebte bereits unterschriftsbereit über geduldigem Papier, sackte schlagartig in sich zusammen wie ein nasses Handtuch, die Hand konnte gerade noch den ansetzenden Kugelschreiber bremsen: "Ooolägg! nä! Muss dass jez aanoch sinn? Wasss hasche donn jez noch gefunn?" Der Ausrufer tippte energisch mit jeweils einem Finger auf die beiden Zahlen. "Gugg mo! Do iss jo e Unnaschied drenn!" (Anmerkung meinerseits: natürlich hatte ich clevererweise diese beiden Zahlen nicht nebeneinander geschrieben sondern gleichmässig im Bericht verteilt.)

Schade, dass ich die beiden in dem Moment nicht fotografieren konnte. Der Eine, mit Schweissrändern im weissen Hemd unter den Armen und auf dem Rücken (seine Jacke lag irgendwo auf ner Couch), den Schlips auf halb Neun gezerrt, sass da wie ein lebendes Fragezeichen und machte dicke Backen und "Pfffffffffffffffffffffff", die Augen glanzlos und leer. Ich fürchtete schon, er würde abheben wie ein Luftballon, den man beim Aufblasen loslässt.

Sein Kollege im ebensolchen Hemd, Schlips und lustlos auf die Couch gepfefferter Jacke, das absolute Gegenteil. Mit strahlenden, lebhaften Augen tippte er immer noch auf die Zahlen und meinte beiläufig süffisant: "Gugg moll genau hinn. Do iss e Diffarenz vunn............... (Anmerkung des Schreiberlings: ich wusste von dieser schwindelerregenden Differenz von 2,00 €. Ürsrünglich waren es mal mehr, nämlich 2, 03 €. Die 3 Cent hab ich gefunden, die 2 € blieben übrig. Es hat mich ne halbe Nacht, d.h. sage und schreibe 4 Stunden, gekostet den Grund dafür nicht herauszufinden.) ....... zwee Euro!" (noch ne Anmerkung: er hat ein HOM auf dem Nummernschild seines Autos, die reden da wirklich so. Zwee! Das heist doch Zwoo! )

Ja, äh, und jetzt? Drei starrten in die Gegend. Jetzt packt uns der Ehrgeiz. OK, , alles von vorne. Die reine Rechnung stimmt, die Zahlen scheinen (!) zu passen. Also nochmal blättern, zählen, abhaken, links- und rechtsrum, rauf und runter rechnen .......... nix. Und doch! Endlich war es soweit: eine 7 sollte eigentlich ne 9 sein. Handschriftlich, in den Unterlagen. Schnell korrigieren, die Kugelschreiber flitzen unterschreibend übers Papier und weg mit ihnen. (Anmerkung: die Kugelschreiber stecken immer noch in meinem Fussboden. Ich bekomme sie nicht mehr raus. Werd sie wohl abschneiden, schleifen und verspachteln müssen.)

Nach 4 Stunden, 3 Litern Kaffee und 2 Taschenrechnerbatterien (Anmerkung: die beiden anderen waren im Taschenrechner heiss gelaufen und schrumplig geworden, wie überwinterte Kartoffeln. Und NEIN, sie hatten KEINE Triebe!) später vielen wir uns glücklich und schulterklopfend in die Arme. Man soll nicht glauben, wie man mit 2 fehlenden €'s gleich zwei Menschen glücklich machen kann. Ich hatte zwei seriöse Herren mit Sonnenbrille und ausgebeulter Jacke zu Freunden fürs Leben gewonnen.

Die Zwei stiegen in ihre Autos und dampften ab Richtung Heimat. Zurück in der Wohnung warf ich mich brüllend auf den Boden, neben die Kugelschreiber, trommelte laut lachend mit allen Vieren auf den Fussboden ein und knutschte meine Katze. Als ich mich wieder beruhigt hatte und meine Katze in Panik in den Keller gerannt war, bekann ich zu überlegen. Karibik? Südamerika? Hawai?

Oder geh ich nur ne Pizza essen und den Rest in Höhe von Zweimillionenneunhundertneunundneunzigtausendneunh undertzweiundneunzig € Fuffzisch, die sie nicht gefunden haben, leg ich aufs Sparbuch?


*abwink*

Helmut

PS: Das Grünzeug passte rein. Ist eine Frage der räumlichen Aufteilung. Wer mit 2 Erwachsenen und drei minderjährigen Kindern (die Nichte war noch dabei) im Kleinwagen ohne Anhäger und Dachgepäckträger für 3 Wochen 600 km in Urlaub fahren kann, für den ist das kein Problem.
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Geändert von HelmutL (16.03.2010 um 17:49 Uhr) Grund: Was vergessen
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