AW: Verdrängung - Tod
Guten Morgen, Nemonima,
warum bist du so überzeugt, dass deine Oma über ihren Tod reden sollte? Ich habe bereits mehrfach miterleben müssen, wenn Menschen gestorben sind oder im Sterben lagen. Niemand von ihnen wollte über seinen eigenen Tod reden. Er wurde als eine Tatsache akzeptiert, unaufschiebbar. Ein natürlicher Vorgang, der unweigerlich auf jeden von uns zu kommt.
Ich gebe Jutta da recht. Früher wuchsen die Menschen mit dem Tod auf. Er war etwas selbstverständliches im Leben. Die Oma, der Opa, später Papa und Mama. Kriege, Epedemien trugen das ihre dazu bei.
Alte Menschen, kranke Menschen wollen vielleicht einfach irgendwann nur noch auf die andere Seite. Ohne viel Gerede drumherum. Das Thema ist für sie persönlich abgeschlossen. Das ist nicht immer Verdrängung um jeden Preis.
Leidtragende dabei sind die Hinterbliebenen, so oder so. Zum Einen, weil wir den Umgang mit dem Tod verlernt haben zum Anderen, weil wir diesen Umgang nie lernen durften. Der Tod ist heute zum grossen Teil ein Tabu. Wir verstehen heute nicht mehr, wieso jemand den Tod akzeptieren kann. Ihn als unabänderliches Ereignis im eigenen Leben sieht. Wenn der Arzt den Geburtsschein ausfüllt, so unterschreibt er im Prinzip bereits auch den Totenschein im Durchschlag. Nur das Datum fehlt auf diesem noch.
Ohne Licht kein Dunkel, ohne Hitze keine Kälte, ohne Lärm keine Ruhe, ohne Anfang kein Ende. Ohne Geburt kein Tod und ohne Tod keine Geburt.
Zeig ihr unaufdringlich, dass du für sie da bist, wann immer sie dich braucht. Sollte sie aus ihrem Leben erzählen wollen, dann höre ihr genau zu. Auch, wenn du es bereits tausend Mal gehört hast. Das mag für sie viel wichtiger sein, damit die Dinge, die ihr wichtig sind, nicht verloren gehen. Denn alles, was vergessen ist, ist tot. Dein Problem, welches du mit dem Tod hast, musst du alleine lösen. Vielleicht hilft sie dir ja doch noch dabei?
Alles Liebe
Helmut
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