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Alt 04.08.2010, 07:37
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annika33 annika33 ist offline
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Standard AW: Denkt Ihr in Eurer Verzweiflung manchmal an Selbstmord?

Hallo Krettl,

ich lese meistens früh am Morgen im Forum, dann sind da die "heutigen Beiträge" gelistet, und da lese ich die Überschrift Deines Threads und erschrecke mich unheimlich.

Zitat:
Hattet Ihr ebenfalls schon den Gedanken, Euch umzubringen, oder es sogar schon versucht, damit Ihr wieder bei einer geliebten Person sein könnt oder weil Ihr das Gefühl habt, ohne sie überhaupt nciht mehr leben zu können??
Ja, die Verzweifelung und die Frage nach dem "wie soll es dann nur werden?", all das kenne ich. Man kann sich die Zukunft überhaupt nicht ausmalen und vorstellen, und eigentlich, ohne die Mama, möchte man das auch gar nicht.

Meine Mama war unheilbar an Krebs erkrankt, und wir wußten von Beginn an, dass sie daran sterben würde. Vom Tage der Diagnosestellung an, da änderte sich alles. Meine vorherige Unbefangenheit, die ich seinerzeit überhaupt noch nicht zu schätzen wußte, sondern als selbstverständlich empfand, die wich einer so großen Krebs-Angst und der ständigen Sorge um meine Mama. Unbeschwertheit - was ist das?!

Zitat:
Ich fühl mich total schlapp und müde und habe ds Gefühl meiner Mama wirklich keine große Hilfe zu sein, sondern sie dazu noch mehr zu belasten. Sie weiß zwar nicht alles, aber sie bekommt die Abgeschlagenheit viel zu sehr mit!!
Ach Krettl, wie gut kenne ich das, was Du da beschreibst. Irgendwann dann, da gab´s kein Halten mehr. Ich "Versagerin" weinte hemmungslos. Vor meiner Mama! Und mit einem Male, da war die Welt für einen kurzen Augenblick wieder richtig herum. Denn eigentlich sind ja die Mamas diejenigen, die uns Kinder trösten und stets nahezu bedingungslosen Rückhalt geben. Im Moment der Diagnosestellung verkehrt sich diese Welt. Man meint, man muss die Mama schützen, und vor allem überflüssigen Ballast bewahren. Aber manchmal, so zumindest bei uns, tut gemeinsames Weinen und einander Trösten auch gut. Man muss nicht immer stark sein. Mamas fühlen doch sowieso, wie es in einem aussieht. Vielleicht will sie auch reden?

Zitat:
Dabei will ich ihr doch so gerne helfen, ihr das alles abnehmen - es tut mir so leid, dass sie das alles durchmachen muss!!

Ohne meine Mama ist mein Leben keines mehr!
Ich hab versucht mit dem lieben Gott zu "dealen" , hab gebetet, er solle mir von meinen Tagen was abziehen, und ihr was obendrauf tun. Keinen Schimmer, ob er mich erhört hat.

Das Leben allerdings, Dein Leben, ist und bleibt Dein Leben. Es wird für immer anders, wenn ein Elternteil nicht mehr da ist, aber Dein Leben wird weitergehen. Ich weiß, Du kannst Dir das nicht vorstellen. Das kann man auch nicht.

Meine Mutter starb im September vergangenen Jahres, und ich habe immer gedacht, ich könne ohne sie nicht weiterleben. Meine Mama wußte um die Verzweifelung, ahnte und spürte das. Irgendwann aber, da habe ich gemerkt, dass mein Leben nicht mit ihrem Versterben enden wird. Und ich wollte auch weiterleben. Und das konnte ich ihr irgendwann sagen. Ich glaube, es war sehr erleichternd für sie, denn neben der Sorge um die eigene Erkankung, so glaube ich, gilt die größte Sorge der Betroffenen den Menschen, denen sie am nächsten stehen.

Zitat:
Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre dann selbst zu sterben und ich muss feststellen, dass ich weder Angst vor dem Tod habe, noch dass mir das Leben ohne meine Mama etwas bedeuten würde.
Ich glaube genau das ist der Punkt. Unser Vorstellungsvermögen reicht so weit nicht, sich ausmalen zu können, wie "selber sterben" ist. Auch die Bedeutungslosigkeit des Lebens, die gedanklich ausgemalt mit dem Versterben eines Elternteils einhergeht, das ist hinterher doch anders, glaube mir.

Zitat:
Die ganzen Idee und Ängst, die ich hatte wegen meeinem Abi jetzt und einem Studienplatz und vlt. einer eigenen Familie später, sind aufeinmal so weit weg und völlig banal. Ich will das alles gar nicht mehr, meine Mama soll einfach nur gesund und glücklich sein dürfen... ich würde ihr dieses verdammte Vieh so gerne abnehmen!!
Ja, die Prioritäten ändern sich. Manches "Problem", was man vorher als solches bezeichnet hat, bekleidet urplötzlich einen viel geringeren Stellenwert. Verlier Dein Leben aber nicht gänzlich aus dem Auge, denn es wird weitergehen. Und das ist auch gut so.

Stell Dir mal vor, Du würdest so krank werden. Wie würde Deine Mama fühlen? Ich hab mit meiner Mutter mal drüber gesprochen und gesagt:"Mama, wenn ich könnte, dann würd ich Dir die Krankheit abnehmen!" Sie hat gesagt:"Ja sag mal Annika, bist Du denn verrückt geworden?! An sowas darst Du noch nicht einmal denken. Es ist doch in der Natur der Sache, dass die Eltern vor den Kindern gehen!"

Ich glaube, wenn wir uns hier im Forum weiterhin austauschen, dann findest Du ein gutes Ventil, um das was Dich belastet niederzuschreiben, und Menschen zu finden, die all das nachfühlen können. Es macht die Seele ein klein wenig leichter.

Ich wünsche mir für Euch, dass Deine Mama von der Chemo so nebenwirkungsarm wie möglich profitiert und ihr ganz viel gute Zeit genießen könnt.

Liebe Grüße

Annika
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