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Alt 11.11.2010, 02:59
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GreenEye1972 GreenEye1972 ist offline
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Standard AW: Gedanken einer Angehörigen

Hallo zusammen!

Es ist 02:16 h - bin seit nach 00:00 h wach. Bin aufgestanden, trink grad ne Tasse Kaffee, weil der Blutdruck im Keller ist.

Vor mehr als 2 Stunden ging ein Tag zu Ende, vor dem ich mich schon lange gefürchtet hab. Meine Mama hat aus dem KH den vorläufigen Entlassbericht bekommen. Ein Brief über 4 Seiten, den ich mir erst mal kopieren liess und noch auf dem Gang kurz überflogen hab. Ich dachte es zieht mir die Schuhe aus...
Metas in der Leber mit beginnender Gelbsuch, Verdacht auf Schimmelpilz in der Lunge, Metas in den langen Röhrenknochen der Exträmitäten, Metas in den Augen, vergrößerte Lyphknoten hinter dem Bauchfell welche Leber und Niere beeinträchtigen, Nierenstau, Hautmestasasen, Verdichtung an den Schädelknochen, Sie braucht ständig ne Bluttransfusion .... hab ich was vergessen?

Und meine Mama weiss von all dem nichts, aber Sie ahnt, dass etwas "faul" ist an der ganzen Sache. Ich hab erst mal so getan, als ob ich den Bericht in der Arztsprache nicht verstehe. Sie haben Sie aus dem Krankenhaus entlassen und haben Ihr (anscheinend) nichts zu den neuen Befunden gesagt. Und nu?
Ich werde versuchen, heute bei Ihrer Hausärztin einen Termin zu bekommen.

Nun sollen die Bestrahlungen an den Augen bis Februar erst mal gemacht werden, danach soll die Chemo (welche im April mit 50% Taxol abgebrochen werden musste, wegen drohendem Nierenversagen) weiter geführt werden.
Wollen die Ärzte Sie nun mit Gewalt zu Grunde richten? Sie ist nur noch Haut und Knochen, kann nur noch mit Mühe allein auf Toilette gehen. Sie ist hochgradig sturzgefährdet .... aber es soll Chemo gemacht werden. Wie soll Ihr Körper denn noch eine Chemo verkraften, wenn Sie grad mal noch etwas über 50 kg wiegt???? Sorry ... ich bin kein Arzt, aber da bleibt mir der Verstand stehen!

Mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf ....Wie wird es weiter gehen?
Dabei ist die Antwort klar ... es wird bergab gehen, auch wenn ich den Verlauf nicht voraussagen kann. Wie viel Zeit hat bzw. bleibt Ihr noch? Muss Sie so lange Leiden, bis Ihrem Körper nichts anderes übrig bleibt, als Ihr den Dienst zu versagen? Wieviele Schmerzen muss Sie noch ertragen? etc ...
Am Samstag feiert Sie Ihren 73. Geburtstag - jetzt ist es wohl amtlich, dass es Ihr letzter sein wird. Nächsten Monat Weihnachten - es wird Ihr letztes Weihnachten sein!

Ich bin gestern um 22:00 ins Bett - hab noch ein paar Seiten gelesen, aber dann wegen meinem Mann das Licht ausgemacht. Seit langem hab ich die Hände unter der Bettdecke gefaltet und hab angefangen zu beten. In Gedanken fing das Gebet an, wie wohl alle Gebete anfangen => "Lieber Gott" Ich weiss nicht wer dieser "liebe Gott" sein soll - aber es war mir egal. Ich hab mit "Ihm" gesprochen, hab mich erst bedankt, für die vielen kleinen und auch großen Dinge, die mir das Leben so ungemein leicht machen .... und irgendwann hab ich angefangen für meine Mama um Gnade zu bitten...

Nichts ist selbstverständlich! Nachdem Vater gestorben war, hab auch ich mein Umfeld "missioniert"! Alles schien unwichtig - wenn jemand Sorgen hatte, dachte ich: "Was willst du? Mein Vater ist nicht mehr da - das ist schlimmer als alles andere ... und dann kommst du mit deinen Problemen, die doch gar keine sind?" Aber die Uhr tickt weiter, man findet sich zurecht mit dem Verlust und irgendwann ist man wieder im alten Trott. Die Diagnose von meiner Mom hat mich gestern wieder "austrotteln lassen" ...

Ich werde jetzt wieder ins Bett gehen und hoffen, dass ich noch mal Ruhe finde - um 06:15 h ist die Nacht zu Ende ...

Eure GreenEye
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