Lieber Ecki,
hab heute schon mehrfach versucht Dir zu schreiben, aber alles was ich schrieb erschien mir so leer und falsch. Vielleicht besser so zu erklären, dass Worte
da gar nicht das auszudrücken vermögen, was man eigentlich sagen will.
Ich hoffe mit Dir auf das gute Wirken von Topotecan. Ich erinnere mich, meine Mama vertrug es seinerzeit relativ gut und so hoffe ich, verhält es sich auch bei Dir.
Zitat:
Wohl setze ich mich auch bewusst mit dem Tod auseinander und bedenke, wie ich in die Sterbephase hineingehen kann. (Aber bitte noch nicht so bald.) Ich kann dazu auch ins Krankenhaus zurückgehen, dort sorgt man dafür, dass ich nicht in schmerzhafte Krampfzustände verfallen muss.
|
Deine Offenheit und der Umgang hiermit, ist für mich wirklich verblüffend. Oftmals tabuisiert man ja das Thema Sterben, was ich irgendwo auch nachvollziehen kann. Es ist einfach eine so große Angst vor dem Unbekannten im Spiel und die Sorge um die und um das, was man evtl. hinterlässt.
Dieses Auseinandersetzen mit dem Tod, finde ich gut und wichtig. Wünschen würde ich mir allerdings, dass Deine Gedanken nicht zu sehr mit dem "Wie" beschäftigt sind, denn das macht natürlich mit die größte Angst. So zumindest war es auch bei meiner Mama. Dazu würde ich Dir gerne was erzählen, trau mich das auch einfach mal, wenngleich ich weiß, dass nicht jeder Betroffene solche Dinge gerne liest.
Als meine Mama den Anfangsverdacht erhielt, da war ich zwischen Hoffen und Bangen. Gläubig, das war ich schon immer, von Kindesbeinen an. Ich betete auch ab und zu, aber nicht mit Regelmäßigkeit. Dies änderte sich, als Mama so krank wurde und dann die sichere Diagnose Kleinzelliges BC erhielt.
Ich betete für ein Wunder, und so sehr ich mich an die Hoffnung klammerte, so sehr hatte ich mich unterdessen belesen, und wußte, dass es in diesem Stadium keine Heilung mehr geben würde. Also betete ich um realistische Wunder. Um gute Zeit, um Schmerzfreiheit, um Qualität im Leben, ganz ganz lange. Und vielleicht, lieber Gott, um ein doch größeres Wunder.
Mit der Zeit, so wie die Krankheit fortschritt, wuchs ich auch auf gewisse Weise mit der Erkankung. Und nicht nur das änderte sich, auch die Gebete allabendlich, die änderten sich. Und als es konkret schlechter und schlimmer wurde und die Tendenz sehr eindeutig, da betete ich neuerlich um ein Wunder.
Als meine Mama dann auf der Palliativstation lag, da war sie in einem Zustand, in dem sie völlig in ihrer eigenen Welt war. Sie realisierte ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr alles, erkannte mich aber immer. Pfleger Dirk, der mit einer meiner Lieblingspfleger auf der Station war, sagte mir einige Tage ehe Mama für immer ging:"Wissen Sie, Ihre Mutter ist gänzlich in ihrer eigenen Welt. Wenn man so will, dann ist das eine Form von Gottes Gnade!"
Wir redeten noch eine Weile, und als ich das KH verließ, da dachte ich ewig lange über diesen Satz nach. Für uns, die wir hier sind, die wir Gebete nach oben senden, bleibt stets der Zweifel. Wir haben selten konkret sowas vor Augen, was man als "Zeichen" deuten könnte oder so. Aber diese Aussage des Pflegers seinerzeit, die beschäftigt mich noch heute sehr. Das Wunder, um das ich den lieben Gott bat, das ließ sich gemäß meiner Vorstellung so nunmal nicht bewerkstelligen, aber vielleicht hat er mich doch erhört, und das möglich gemacht, was für uns "am sanftesten" war.
Meine Überzeugung dahingehend, dass wir uns "auf irgendwen verlassen können" ist seitdem gewachsen. Wir Menschen möchten stets vorausschauend denken, aber im Bezug auf die Krankheit und das was kommt, da erfahren wir im Vorfeld zu wenig. Ich wünsche Dir alles alles Gute, ein erfolgreiches Ansprechen der Chemo und werde heute Abend für Dich beten.
Liebe Grüße
Annika