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Alt 30.11.2010, 17:32
patafix patafix ist offline
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Standard AW: Mein Mann hat Hodenkrebs

Hallo June30,

erstmal: Kopf hoch! Wie mein Urologe zu sagen pflegt: die Wahrscheinlichkeit, an Hodenkrebs zu sterben, ist geringer, als auf dem Weg zur Behandlung einen tödlichen Verkehrsunfall zu erleiden! Es gibt weniger Krebse, die standardisierter und mit höheren Heilungsraten behandelt werden können (wenn ich das richtig gelesen habe, spricht man hier auch von Heilungsraten und nicht von Fünfjahresüberlebensraten).

Ich bin selbst betroffen, auch am linken Hoden, mit Mitte 30. Damit bin ich für diese Krankheit schon ein alter Sack und am oberen Altersende, aber weder als Betroffener noch als Angehöriger hat man auf sowas Einfluss, denke ich. Vielleicht hilft Dir mein Erfahrungsbericht, ist alles noch ganz frisch. Ich bin kein Arzt und fasse hier nur zusammen, was ich erlebt habe:

Ich habe zufällig einen Knoten ertastet und war einen Tag später direkt beim Hausarzt und am gleichen Tag noch beim Urologen. Ich habe vorweg nur bei Wikipedia nachgelesen, was Hodenkrebs bedeuten würde, und was ich gelesen habe, fand ich beruhigend. Mein Vater ist vor einigen Jahren an Lungenkrebs gestorben und das war im Vergleich zu dem, was ich zu Hodenkrebs gelesen habe, mal richtig heftig.

Die Sonographie hat den Verdacht bestätigt und kurz darauf wurde mir der linke Hoden operativ entfernt. Ich habe das ambulant bei dem Urologen machen lassen, was rückblickend Vor- und Nachteile hatte. Ich dachte immer, "ambulant" bedeutet, dass ich anschließend quasi auf dem Fahrrad nach Hause fahren kann. Bei mir hat der Eingriff beim Erwachen aus der Narkose richtig weh getan, von den Schmerzen war ich überrascht. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur ein Weichei oder hatte Pech. Im Krankenhaus wäre die Schmerztherapie vielleicht einfacher gewesen als Zuhause (der aus meiner Sicht einzige Nachteil der ambulanten Behandlung), aber zuhause mit meiner Frau sein zu können hat das alles aufgewogen (der positive Aspekt).

Ich hatte zuhause trotz Schmerzmittel (mitgeben lassen oder Rezept, Aspirin bringts nicht, finde ich) noch zwei Tage Schmerzen, lag viel auf dem Rücken im Bett. Ich konnte bestimmt eine Woche lang nicht auf der Seite schlafen, aber für kurzzeitiges Seitenliegen auf der rechten Seite hat ein dickes Kissen geholfen, auf dem dann das linke Bein lag. Der Bereich im Schritt war bei mir doch eine ganze Weile schmerzempfindlich, auch wenn der eigentliche Schnitt ziemlich klein war (Narbe hat so vier Zentimeter).

Sitzen war ebenfalls am Anfang nicht drin, irgendwann ging "wie ein Schluck Wasser in der Kurve" im Stuhl hängen halbwegs.

Ansonsten erinnere ich mich nicht an viel an diese Zeit. Sollte mal meine Frau fragen, die mich gepflegt hat :-) Ich glaube, die erste Woche habe ich nicht viel gemacht. Bis wir abends mal in Ruhe Essen gehen konnten, ohne dass ich die Hälfte der Zeit stehen musste, ist noch ne Weile vergangen. Ich war insgesamt drei Wochen krankgeschrieben und in der Zeit auch wirklich nicht arbeitsfähig.

Nach der OP kam die Diagnostik: CT Abdomen, Rö-Thorax, Labor, Befund der Histologie (des entfernten Tumorgewebes). Ich hatte weder vor der OP noch danach Tumormarker, was weder gut noch schlecht ist (habe ich so verstanden). Röntgen und Sono waren ohne Befund, auf dem CT waren zwei leicht geschwollene Lymphknoten, sonste auch oB. Der Radiologe hat empfohlen, in drei Monaten noch ein Kontroll-CT zu machen, da man direkt nach einer OP nicht sagen könne, ob die Lymphknoten aufgrund der OP geschwollen sind, oder ob das eine beginnende Metastasierung ist.

Die Histo hat ergeben, dass es ein Keimzellentumor ist. Wäre es nur ein Seminom gewesen, hätte ich laut Urologen gute Chancen gehabt, dass das Ganze nach der OP ggf mit Bestrahlung abgehakt gewesen wäre.

Der niedergelassene hat mir für die weitere Behandlung zwei Alternativen aus dem Standardprotokoll erläutert: "wait and see", also abwarten, regelmäßige Untersuchungen und dann bei klarer Indikation eine Chemotherapie (voraussichtlich vier Zyklen). Es bestünde eine geringe Chance, dass ich ohne Metastasen durchkommen würde. Zweite Alternative ist eine präventive Chemo mit zwei Zyklen und anschließenden regelmäßigen Kontrollen. Danach bestünden hohe Chancen (>90%), dass der Drops gelutscht ist.

Ich habe mir die Entscheidung richtig schwer gemacht, eine Chemo ist kein Zuckerschlecken. Auf jeden Fall sollte man sich, und mein Urologe hat mir das auch empfohlen, unabhängig vom Vertrauen in seinen behandelnden Arzt eine Zweitmeinung einholen. Ich habe mich dabei gegen einen niedergelassenen Urologen entschieden und mir ein bekannteres Zentrum gesucht, also eine Klinik, die mehr als vier Hodenkrebspatienten im Jahr behandelt (z.B. eine Uniklinik, die auch an Hodenkrebsstudien teilnimmt).

Dort wurde mir dringend zu einer präventiven Chemo geraten, da man aus den letzten Jahrzehnten wisse, dass bei Patienten mit meinem Histologischen Befund (pT2 cNx cM0) mit 90% Wahrscheinlichkeit Metastasen auftreten würden und das CT würde in meinem Fall auch darauf hindeuten. Angesprochen wurde ich auch darauf, dass man vermute, dass auch ein Zyklus die gleichen Erfolgsaussichten auf Heilung wie zwei Zyklen habe. Dazu liefe zur Zeit allerdings noch eine Studie, an der ich teilnehmen könne, und die These sei also noch nicht wissenschaftlich durch eine Studie belegt. Dazu gibts hier auch einen separaten Thread. :-)

Ich habe mich für einen Zyklus PEB entschieden. Erste Woche stationär, zwei Wochen zuhause und ambulant für die B-Spritzen. Vor dem Aufenthalt ein Hörtest beim HNO Arzt, dam dem Aufenthalt auch. Stationär war harmlos (nachlassender Appetit mit der Zeit, latente Übelkeit, aber kein Erbrechen), die zwei Wochen ambulant fand ich übler (aber das Essen war besser, zumindest ab dem Zeitpunkt, wo ich wieder Appetit hatte). Die ersten Tage zuhause waren echt scheiße, mir war schlecht, ich war k.o.. In den zwei ambulanten Wochen hat sich als Muster abgezeichnet, dass es mir am Montag (Tag 14 und 21) ziemlich gut ging, und mich die B-Spritze zurückgeworfen hat und es in den Folgetagen immer eher schlecht ging (v.a. mit dem Magen).

Sonst hat sich bei mir pünktlich am Tag 15 Haarausfall eingestellt. Außerdem habe ich seit dem stationären Aufenthalt einen leichten Tinnitus rechts und Rauschen auf beiden Ohren, aber zumindest der Hörtest war genau wie vorher und organisch konnte auch nichts festgestellt werden.

Was folgt, sind die Kontrolluntersuchungen. Dann mal schauen, wie es weitergeht, ich drücke mir jedenfalls die Daumen :-)

Ich denke, dass die Behandlungsfrage sich bei jedem Betroffenden anders stellen wird, da sie vom Tumortyp und den Ergebnissen der CT abhängig sind.

Kopf hoch und schönen Gruß an Deinen Mann!
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