[Kristina M.]

Meine liebe kleine Rena; jeden Tag wollte ich Dir schreiben, aber mir fehlen einfach die Worte. Wir haben uns doch beide so gestützt "davor" und dachten, wir seien die absolut Starken und nun "danach" sind wir nur noch ein Häufchen Unglück. Jeden Tag denke ich an Dich und ich wünsche Dir sehr, dass Dir die Seeluft gut tut. Ich arbeite ja seit dem 14. Januar wieder, aber ich bin eine Andere geworden. Kein Wunder ! Die zweieinhalb Jahre sind nicht spurlos an einem vorübergegangen, die direkte Konfrontation mit der Endlichkeit unseres Seins lässt uns anders werden. Und wenn ich dann die große Sinnfrage stelle ("Warum tue ich dies oder das, welchen Sinn hat es überhaupt?"), finde ich keine Antwort. Am Wochende habe ich den Arbeitsplatz meines Mannes weggeräumt, weil ich dessen Leere nicht mehr ertragen konnte, nun ist die neue Leere noch schlimmer. Alle unsere lieben Freunde geben sich die größte Mühe im Umgang mit mir, ich bin dankbar, aber das ist es dann auch. Vielleicht wäre es gut, wenn man sich mal eine gewisse Zeit so richtig hängen lassen würde? Ich baue morgens um 8 Uhr meine Fassade auf, gehe in die Öffentlichkeit ("Man merkt ihr ja gar nichts an!") und komme in die Wohnung und bin nur noch ein jämmerliches Etwas.
Ich will Dir damit sagen, liebe Rena, dass ich froh bin, dass Du Deinen Schmerz zeigen kannst. Ich glaube, das ist sehr wichtig. Und Du solltest lernen, Deine Position offensiv zu vertreten, auch gegenüber Deinen Schwiegereltern. Ich glaube nur wir hier wissen, was Du geleistet hast, und Du hättest ihnen sagen sollen, dass es keinen Gradmesser für Verluste gibt, da entscheidet nicht das Familienstammbuch, sondern ganz individuell das Herz jedes Einzelnen. Ich weiß nicht, was ich Dir wünschen soll, liebe Rena; wenn Dir Schwachsein gut tut, dann sei es; wenn Du Stärke brauchst, dann nimm sie Dir... Hauptsache es tut Dir gut. Ich wünsche Dir ganz viele gute Minuten, Deine Kristina