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Alt 14.03.2008, 13:56
thomue thomue ist offline
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Standard Metastasiertes Adenokarzinom der Prostata

Liebes Forum,

vor zwei Jahren war ich einige Zeit im Speiseröhrenkrebs-Forum unterwegs. Aus aktuellem und traurigem Anlass möchte ich aber jetzt an dieser Stelle um hilfreiche Informationen bitten.

Im Haushalt meiner Schwiegermutter lebt seit 50 Jahren ein geistig behinderter Mann, der nach dem 2. Weltkrieg, unendlichen Demütigungen und Folterungen durch die Nationalsozialisten, einem 13-Jährigen Aufenthalt in einer Psychiatrie, schließlich als "Erntehelfer" dort gelandet ist.

Seine Eltern und seine sechs Geschwister haben das Dritte Reich nicht überlebt, da sie -allesamt als "lebensunwert" eingestuft- irgendwelchen Orten des Schreckens zugeteilt wurden und schließlich an einer "Lungenentzündung" verstorben sind. (Ich brauche sicher nicht hinzuzufügen das sie ermordet wurden.)

Aufgrund seiner liebenswerten Natur ist er zwischenzeitlich ein fester Bestandteil der Familie geworden, so dass wir uns alle wünschen, dass er seinen Lebensabend in gewohnter Umgebung und im Kreise seiner "Familie" verbringen kann. Egal ob Geburtstage, Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen, Familienfeste oder was-weiss-ich-sonst-noch-für-Feierlichkeiten anstehen, er gehört dazu. Nein, er ist einer "von uns".

Seit einigen Jahren nimmt sein Gesundheitszustand allerdings rapide ab. Das Lebensalter von nunmehr 76 Jahren, die frühkindliche Hirnschädigung, eine fortgeschrittene Parkinson-Erkrankung und Herz-Kreislaufbeschwerden verleiden ihm den so wohl verdienten Ruhestand.

Ja, Ruhestand, denn er hat viele Jahre auf dem Hof seinen Mann gestanden und hart gearbeitet.

Als hätte dieser Mann nicht schon mehr als genug Schicksalsschläge hinter sich gebracht, wurde im Januar, im Rahmen einer "Schälung" der Prostata (TUR-Prostata), ein Adenokarzinom der selbigen diagnostiziert.

Der insgesamt schwierige Zustand unseres Schützlings ließ eine radikale Prostatektomie nicht zu. Als Alternative wurde eine HIFU-Behandlung angeboten. Weiterhin wurde dieser Lösungsansatz als "vollkommen ausreichend" und "definitiv erfolgversprechend" verkauft. (Wie konnte ich nur so naiv sein das zu glauben?)

Der Primärtumor wurde in der vergangenen Woche mit Hilfe der HIFU-Technik therapiert. Hinter dem Terminus verbirgt sich die fokussierte Einbringung hochintensiver Ultraschallstrahlung in den Tumor, was ein Absterben der Zellen bewirken soll. Ach, was sag' ich, das wissen sie hier sicherlich allesamt besser als ich und sie könnten es vermutlich auch weniger umständlich erklären.

Nach der Therapie wurde ein Staging angeordnet, bei dem leider eine Metastase an der Lendenwirbelsäule (LWK 2/3) und auffällig vergrößerte Lymphknoten im Unterbauch zum Vorschein kamen. Die Größe der Lymphknoten wurde mit 1,4 mm bis 1,6 mm angegeben. Eine genau Anzahl wurde nicht genannt. Gewebeproben wurden nicht entnommen.

Andere Stellen des Skeletts (linke und rechte Hüfte) wurden als suspekt klassifiziert, da es im Rahmen einer Szintigrafie zu "vermehrten Ablagerungen" des Kontrastmittels in diesen Arealen kam.

Die Untersuchung von Leber, Bauchspeicheldrüse, Nieren und Milz per Ultraschall ergab keinen Hinweis auf Metastasen in oder an diesen Organen. Auch eine Röntgenuntersuchung der Lunge erbrachte keinen auffälligen Befund.

Dummerweise wurde der Mann aber nach dem Staging aus dem Krankenhaus entlassen, ohne das vorher auch nur ein einziges Wort über die neuen Erkenntnisse an uns kommuniziert wurde. (Einige mögen mich für einen Aufschneider halten, aber ich würde vor einem Gericht beschwören, dass es so war - und zwar genau so!)

"Aufgeklärt" wurden wir lediglich durch das Selbststudium des Arztberichtes und die ergänzenden Ausführungen des Hausarztes. Es mag hochgradig polemisch sein wenn ich sage, dass ich verstärkt den Eindruck hatte, dass die Ärzte in dem betreffenden Krankenhaus einen geistig behinderten Mann als Patienten zu schätzen wussten, weil er keine unangenehmen Fragen stellt. Dennoch kann ich mich dieses Eindrucks nur schwerlich erwehren.

Ausserdem frage ich mich, wie man in einem Entlassungsgespräch all diese Sachverhalte verschweigen kann, wenn doch der Gesprächspartner nicht nur ein Familienangehöriger, sonder auch der gesetzliche Vertreter und Betreuer des Patienten ist.

Uns allen ist bewusst, dass die Summe der Erkrankungen und das Stadium des Prostatakarzinoms eine Heilung -was auch immer das in diesem besonders gelagerten Fall heissen mag- nahezu unmöglich machen.

Dennoch ist es nicht nur unser herzlichster Wunsch, sondern auch unsere Pflicht ihm eine adäquate Therapie zukommen zu lassen, die ihm eine bestmögliche Lebensqualität sichert.

Nur wie kann diese Therapie aussehen? Was kann man tun?

Gottlob ist er sich der Tragweite der gesamten Entwicklung nicht bewusst. Ich möchte nicht überheblich klingen, aber er würde den Sachverhalt auch nicht verstehen und daher belasten wir ihn auch nicht mit Details oder der Aussage, dass seine gesundheitliche Situation momentan nicht sonderlich zufriedenstellend ist. Er hat mir mal das Versprechen gegeben 100 Jahre alt zu werden und glaubt bspw. fest daran, dass alle Menschen die früher sterben, einfach den "Lieben Gott" gebeten haben sie wunschgemäß abzuholen. Er ist weiterhin felsenfest davon überzeugt, dass er "später" einmal heiraten wird.

Er lebt halt in seiner eigenen Welt, in die wir teilweise auf bizarre Art und Weise aufgenommen werden und ist trotzdem einer der besten und wunderbarsten Menschen die ich in meinem ganzen Leben kennengelernt habe.

Da sich der niedergelassene Urologe derzeit im Urlaub befindet, bleiben noch 12 Tage sich über weitere Behandlungsoptionen zu informieren und sich eine eigene Meinung zu bilden, was meines Erachtens nach nicht falsch sein kann. Obwohl auf meiner Seite die medizinische Ausbildung fehlt.

Wie gesagt, über hilfreiche Hinweise, Links, Adressen oder Telefonnummern würde ich mich herzlich freuen!

Liebe Grüße,

Thorsten.
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