Thema: Neuer "Kunde"
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Alt 04.01.2023, 00:51
frankfurt100 frankfurt100 ist offline
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Standard AW: Neuer "Kunde"

Kurz zu meiner Vorgeschichte:
Dieses Jahr Erkrankung an Hodenkrebs Stadium IIIa mit Metastasen in beiden Lungenflügeln und Lymphknoten. Nach unilateraler Orchiektomie, 3 Zyklen PEB und abschließender RLA in Remission.
Mein Tumor war ein nicht seminom; Bestandteile von einem embryonalen KZT und ebenfalls einem Teratom.
Bei einem Teratom ist immer zu bedenken, dass sie wesentlich schlechter auf eine Chemo ansprechen und zu einer gewissen Aggressivität neigen.

Deine Tumormarker sind laut deinem ersten Post entweder Nahe der Nachweisgrenze oder bereits darunter. Ganz null sind die nie, weil dein Körper die auch von sich aus produziert (wenn auch in sehr geringem Maße). Deswegen gibt es diese Nachweisgrenzen.

Zu deiner Angst, dass dir das negativ ausgelegt werden könnte: Nö, stimmt so nicht. Ne Chemo hat für dich im Job keine negativen Auswirkungen. Du wirst (sprich es mit einem Sozialarbeiter ab) nach einem Zyklus Chemo wahrscheinlich Anspruch auf mind. 50% Schwerbehinderung haben. Es gelten allgemein besondere Regeln beim Umgang mit (ex) Krebspatienten im Job. Du kannst nicht so leicht gekündigt werden usw. Also da kann ich dich beruhigen. Dein Arbeitgeber MUSS da Rücksicht auf dich nehmen.

Zu den Ängsten, was die Folgen einer Chemo angeht.... Ich kann nach 3 Zyklen PEB sagen: Ich hatte fast nix. Das ist jetzt kein Scherz, es ist wirklich so. Nur im letzten Zyklus kam bei mir die Appetitlosigketi.
Was du erwarten MUSST bei einem Zyklus: Starke Geschmacksstörungen durch das Cisplatin. Das geht aber nach 1-2 Wochen nach dem Absetzen wieder weg. Stell dir das wirklich wie Metall vor und du musst alles extrem würzen.... Manche schmecken saures plötzlich säuerlicher, manche weniger.... Das variiert etwas.... Wie die Geschmacksstörungen genau aussehen werden, ist individuell. Dafür gibts aber Hausmittel. Beispielsweise Kardamom. Einfach mal den Onkologischen Pflegedienst ansprechen.
Was du noch erwarten kannst.... Definitiv Haarausfall. Deine Kopfhaare werden dir definitiv (fast) vollständig ausfallen. Individueller ist es, wies es mit dem Rest des Körpers aussieht.... Ich hab ein paar Patienten kennengelernt und der Schnitt meiner Erfahrung ist, dass du damit rechnen kannst, dass es sich auch bei deinem Oberkörper bemerkbar machen wird und eventuell im Intimbereich.
Das mit dem Haarausfall ist definitiv eine große psychische Belastung für jeden, der es nicht gewohnt ist mit Glatze rumzulaufen. Unterschätze das nicht, ich habs vor meiner Chemo leider auch gemacht. Man gewöhnt sich dran, aber es ist nicht ganz easy. Ich will dir keine Angst machen, sondern nur meine Erfahrung schildern. Ich bin recht ehrlich...
Dann zum Thema Übelkeit.... Vor 9/10 Jahren kamen neue Medikamente auf den Markt gegen die Übelkeit. Ich habe jedes Mal drei Medikamente vor der Chemo bekommen. Die haben dazu geführt, dass ich mich in allen 3 Zyklen kein einziges Mal übergeben musste.
Also wie geht man so ne Chemo an?
Pole dich positiv! Mache dir bewusst, dass es nicht ganz einfach wird. Mein Fall sollte dir zeigen, dass es nicht unbedingt krass werden muss von den Nebenwirkungen. Ich denke ich hatte zwar enormes Glück, aber das kann jedem anderen auch so gehen.
Versuche nach dem stationären Aufenthalt und wenn möglich auch während der Chemo dich UNBEDINGT zu bewegen!!!! Leichter Sport bzw. Bewegung werden allgemein empfohlen! Das ist was, was sich auch vor einigen Jahren geändert hat, aber da herrscht mittlerweile Konsens. Studien haben nachgewisen, dass Bewegung dem Körper hilft mit der Chemo besser klarzukommen. Auch hier Stichwort: Nebenwirkungen.
Falls du es dich dennoch nicht traust, nimm dir jemanden mit.

Achso.... Dann hast du noch was von Langzeitfolgen geschrieben.... Ich habe mich mal mit einem Onkologischen Pfleger unterhalten.... Seine Aussage war sinngemäß, dass sein letzter Wissensstand war, dass so Dinge wie Chemo-Brain usw. eine große psychische Komponente sind. Stichwort: PTBS. Also auch hier wieder: Pole dich positiv! Empfange so viel wie möglich Besuch und achte auf deine geistige Gesundheit! Dann passieren diese langfristigen Folgen auch (möglicherweise) nicht. Tatsache ist dennoch, dass es sie leider gibt. Selbst wenn sie nur psychischer Natur sind.

Also was denke ich, dass du tun solltest?
Ich empfinde einen Zyklus Chemo als vertretbar. Ich würde das Risiko nicht eingehen. Es ist allerdings schon so, dass deine Werte echt gut aussehen und Warten daher auch für mich verständlich wäre.

Viel Glück und halte uns auf dem Laufenden! Du schaffst das!!!

Geändert von frankfurt100 (04.01.2023 um 00:54 Uhr)
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