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Alt 09.08.2013, 15:25
evelyn-wieda evelyn-wieda ist offline
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Standard AW: Erneute Erkrankung

Hallo Zaphyr,

wollte eigentlich ganz kurz antworten, geht aber irgendwie nicht und so schreibe ich dir einen kleinen Roman als Antwort und bitte bedenken, es ist nur meine Sichtweise und Meinung:

Was ist Angst? Wovor habe ich Angst? Warum hat Angst so viel Macht über mich?

All diese Fragen hatte ich mir gestellt, viele Male, viele Nächte hindurch und all die Fragen erdrückten mich. Bis mir meine liebe Therapeutin sagte: „Schau dir deine Angst genau an, rede mit ihr, hinterfrage alles, damit du ihr direkt in die Augen blicken kannst, denn vor deiner Angst, die in dir wohnt, die sich in deinen Gedanken breit macht, die dein Herz erdrückt, kannst du nicht weg laufen. Du kannst dich auch nicht vor hier verstecken, weil du sie in dir trägst und jeder Versuch, sie loszuwerden macht sie stärker, nährt sie, denn du beschäftigst dich mit ihr, gibst ihr dadurch Raum und Zeit! Du kannst sie nur verstehen lernen und wenn du sie verstehst, dann wird sie auch von alleine gehen.“
Damals dachte: Na die kann ja gut reden. Hat ja keine Ahnung, wie es in mir aussieht und überhaupt, dass kann wohl nur einer verstehen, der das gleiche Drama durchmacht.

Jedoch blieben ihre Worte in meinen Gedanken hängen und ich begann, mir meiner Angst bewusster zu werden und hinterfragte, wovor habe ich eigentlich Angst?

Ja, gut vor dem Krebs, was ja erst einmal nur ein Wort ist. Aber aus dem Wort entstand meine Lebensphase, die mich prägte, und davor, dass ich sterben muss und das meine Lieben um mich leiden, das ich sie alleine lasse, das ich mein Versprechen gegenüber den Katzen, die mit mir zusammen wohnen, nicht halten kann, dass ich Schmerzen habe, dass ich jämmerlich eingehe, dass ich mich quälen muss – überhaupt wegen dem Sterben, davor hatte ich panische Angst.

Mal ehrlich, das sind doch wirklich alles Dinge, wovor man Angst haben muss!

Nein, sagte da meine innere Stimme und sie sagte noch, kläre, was du klären kannst.

Nun gut. Also begann ich zu klären, was ich klären konnte. Ich sprach mit meinen Lieben, ich redete vom Sterben und das ich Angst hatte und das ich sie nicht alleine lassen wollte. Kam mir ja vor, wie ein Versager, der sich vom Acker machen will. Aber mit dem Reden und sich öffnen verlor da plötzlich dieses Angstgesicht ihre Schrecklichkeit, denn ich begriff: ich bin für niemanden verantwortlich, ich laufe nicht davon oder so, ich lebe einfach und meine Lieben leben auch und jeder lebt in seiner Welt. Diese Welten überlappen sich und das ist so wunderschön, weil wir trotz der Verschiedenheiten Eins sind. Wenn einer für immer gehen wird, ist es traurig und es reißt ein großes Loch in dieses Beisammensein, aber es wird stets weiter gehen, das Leben.

Nun ging es weiter mit dem Hinterlassen und so. Naja, viel ist nicht zu verteilen und doch liegt einem so manches am Herzen. Also machte ich ein Testament. Wie halt auch alle Vorkehrungen für alle Eventualitäten getroffen sind.

Als nächstes setzte ich mich mit dem Leiden, Siechtum und Schmerzen auseinander und sprach darüber mit meinem Hausarzt. Es war ein beruhigendes Gespräch, indem ich Informationen erhielt, die mich zuversichtlich stimmten. Also machte ich eine Patientenverfügung und so was alles und legte darin fest, dass ich nicht an irgendwelchen Geräten oder solches Zeug künstlich am Leben erhalten werden will. Ich will gehen, wenn die Zeit gekommen ist. Hier in Deutschland ist ja so was wie aktive Sterbehilfe verboten, was ich persönlich schade finde. Aber mit der Patientenverfügung kann man schon viel erreichen. Somit war da auch diese Angst beiseitegeschoben.

Als letztes blieb dann ja nur noch der Tod, das Sterben an sich. Nun, das war meine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Werden und Sein und dem Vergehen. Hierbei hat mir mein Glaube viel geholfen, auch verschiedene Bücher, die ich sehr liebe. Ja, ich glaube an ein Sein, dass nie vergeht, das nicht sterben wird.
Mich haben schon manche gefragt: Das ist doch alles Quatsch und was machst du dann, wenn das nicht so stimmt?
Meistens antworte ich: Nichts, dann kann ich nichts mehr machen, dann merke ich wohl auch nichts mehr. ABER bis dahin habe ich in einem sehr schönen Glauben gelebt, der mir die Angst genommen hat und die Vorstellung geschenkt hat vom ewigen Sein und gerade das ist doch JETZT so schön!

Somit war ich frei und ich konnte wieder gut schlafen.

Ich habe begriffen, dass meine Angst nicht jene Angst ist, die mit meinem Urinstinkt zu tun hat. Es sind meine Gedanken, die oft schreckliche zukünftige Szenarien abspielen und vor denen ich mich panisch gefürchtet habe. Heute macht mir zum Beispiel ein CT- oder MRT-Kontrolltermin oder Auswertungstermin keine Angst oder Sorge. Gut ausgeschlafen, entspannt und völlig in meiner Mitte gehe ich zu den Terminen. Gut, gut, da ist noch die Scheu vor dem Nadelsetzen – ehrlich, ich mag das nicht, weil ich verdammt schlechte Venen habe und ich mag das Rumgekiekse in meinem Körper nicht, es tut schlicht und ergreifend weh. Das ist es aber schon. Die Angst hat keine Macht mehr über mich. Sie macht mich noch vorsichtig und aufmerksam. Und das ist gut so.

Ich lebe im JETZT und HIER und jetzt entscheide ich mich für positive Gedanken und ich mache mir keine Gedanken mehr über das was, wäre, wenn. Sondern ich werde dann entscheiden, wenn die Zeit dafür gekommen ist.

So wünsche ich Allen ein positives Kopfkino und alles Liebe
Evelyn
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