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Alt 11.09.2009, 21:06
JuergenT JuergenT ist offline
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Daumen hoch AW: kurative OP Cholangiokarzinom

Hallo Gemeinde,

habe dieses Forum erst heute entdeckt, obwohl ich bereits früher mal gesucht hatte.

Ich bin 41 Jahre alt und möchte mal über meine bisher insgesamt positiv verlaufene Entwicklung seit der Diagnose CCC berichten:

Bei mir wurde in Großhadern bei zwei ERCPs mit Stenteinlage im September 2008 ein CCC (Stadium Bismuth III, später Bismuth IV, wobei sich der Tumor nicht vergrößert hat, sondern wohl nur ein anderer Arzt eine andere Klassifizierung vorgenommen hat) diagnostiziert. Bei der ersten ERCP gab es zudem noch eine Pankreatitis, die zum Glück nach ein paar Tagen unter Kontrolle war. Nachdem die Chirurgen sich gegen eine Teilresektion der Leber entschieden hatten, war sehr schnell klar, daß mir nur eine Lebertransplantation (Ltx) helfen könnte. Um die Zeit zu überbrücken wurde auch eine PDT geplant.

Erster Punkt zum Kraft tanken:
Etwa zeitgleich mit der Diagnose kam die Nachricht, daß meine Lebensgefährten schwanger ist !!


Voraussetzung für die Ltx war allerdings, daß der Tumor noch keine Metastasen gebildet hatte. Dies wurde zum Glück in einer OP (Laparotomie oder so ähnlich) Mitte Oktober 2008 bestätigt *großes Danke nach oben*. Vorher hatte sich die OP wegen einer Blutvergiftung noch um ca. 10 Tage verschoben => dritte ERCP/Stentwechsel.

Zweiter Punkt zum Kraft tanken:
Meine Lebensgefährtin hat meinen Heiratsantrag angenommen !!


Zwei Wochen nach der OP wurde Anfang November 2008 die PDT begonnen => vierte ERCP/Stentwechsel
War ganz schön hart, im Einzelzimmer bei gelbem Licht eingesperrt zu sein, ohne Fernseher und ohne Notebook/Internet. Und die ganze Zeit lesen wollte und konnte ich nicht. Hörbücher haben mir über die Zeit geholfen.

Außerdem kam während der "Einzelhaft" die Nachricht, daß ich vor einer Ltx noch eine Radio-Chemo-Therapie (5FU, 45 Gy über 25 Tage) über mich ergehen lassen muß, was auch nicht gerade zur Stimmungsverbesserungs beigetragen hat.
Zum Ende der PDT Mitte November nochmals Kontrolle => fünfte ERCP

Ende November mußte ich dann nochmal außerplanmäßig in die Klinik, da sich eine Cholangitis durch verstopfte Stents entwickelt hatte => sechste ERCP
Der Oberarzt meinte damals zu meiner Lebensgefährten, ich hätte jetzt fast alles an Komplikationen mitgenommen.

Dritter Punkt zum Kraft tanken:
Hochzeit Anfang Dezember; erster Tag ohne Sonnenbrille nach der PDT !!


Da ich zur Hochzeit schon gewissermaßen "fitgespritzt" wurde, mußte ich einige Tage später mal wieder in die Klinik. Die ERCP war für den gleichen Tag angesetzt, als ich morgens plötzlich starke Schmerzen im rechten Unterbauch hatte. Es handelte sich um ein Aneurysma, das in die Gallenblase einblutete, so daß diese stark entzündet war. Mittags wurde das Aneurysma gecoilt, abends wurde in einer Not-OP die Gallenblase entfernt. Glück gehabt, da es bei einer ERCP zu einer ateriellen Blutung hätte kommen können. Allerdings hatte der Oberarzt das auf einem CT auch schon entdeckt und per Mail an die betreffenden Kollegen weitergegeben.

Eine Woche später (an Heiligabend) sollte ich eigentlich wieder nach Haus entlassen werden. Wir hatten auch schon das OK vom Stationsarzt und waren mit gepacktem Koffer bereits auf dem Weg zum Fahrstuhl, als uns der Arzt nochmal zurückrief. Die Chefärztin wollte wg. der Blutwerte noch ein CT machen lassen. Dort wo die Gallenblase war, hatte sich ein Abzess gebildet. Ich bekam eine Drainage (was sehr schmerzhaft war, weil der Arzt immer auf meine sehr druckempfindliche Leber gehauen hat), aus der der Arzt sofort ca. 0,3 Liter absaugen konnte. Die Weihnachtstage war ich dementsprechend gelaunt, und bin meinen Zimmernachbarn wohl ziemlich auf den Sender gegangen. Am 27.12 durfte ich dann überraschend nach Haus und mußte mich danach für ca. zwei Wochen immer wieder zur Kontrolle in der Klinik blicken lassen.

Zwischendurch siebte ERCP, da während der Radio-Chemo-Therapie keine ERCP gemacht werden sollte.

Vierter Punkt zum Kraft tanken:
Meine Frau hatte einen geschäftlichen Termin in Freiburg; für mich war's ein viertägiger Kurzurlaub !!


Mitte Januar begann die Radio-Chemo-Therapie. Einige Tage später wurde dann der Port für die Chemotherapie gelegt (ein Segen, wenn nach mehreren Monaten so langsam die Venen aufgeben). Am gleichen Tag nachmittags wurde ich kurz ohnmächtig. Ein Grund dafür wurde nicht gefunden und ein paar Minuten später ging es dann auch schon wieder.

Nach 10 Tagen durfte ich mit Baxter-Pumpe wieder nach Haus, mußte dann aber täglich zur Bestrahlung in die Klinik fahren (ca. 100 km Entfernung). Anfang Februar hatte ich dann eine TIA. Und wurde vom Notarzt erstmal ins örtliche Krankenhaus auf die Schlaganfall-Station gebracht. Wegen des Aneurysmas 7 Wochen zuvor (zum Glück konnte ich den Ärzten recht viel zu meiner Krankengeschichte sagen; es lohnt sich, wenn man sich auskennt und weiß, was schon alles mit einem los gewesen ist) wurde auf eine Lyse verzichtet. Am nächsten Tag wurde ich dann in die Klinik verlegt. Aber auch dort brachten die Untersuchungen keine Ergebnisse. Die Chemo wurde abgesetzt, obwohl mir mehrere Ärzte versicherten, daß die TIA damit nicht in Zusammenhang stehe. Nach zwei Wochen zur Beobachtung durfte ich dann wieder nach Hause.

Da ich drei Wochen nach der Bestrahlung ohnehin nicht hätte transplantiert werden können, hatten meine Frau und ich eigentlich noch verschiedene Kurztrips geplant, u.a. eine Woche Gran Canaria. Daraus ist dann zwar leider nichts geworden, aber wenigstens konnte ich mich ca. 2 Wochen darauf freuen (das hilft auch schon ein bißchen ;-) ). Stattdessen habe ich meiner Schwägerin bei der Suche nach einem neuen Auto geholfen; hat auch viel Spaß gemacht!

Anfang März waren dann mal wieder die Stents dicht und ich bin wieder mal in die Klinik => achte ERCP/Stentwechsel
Der nächste Stentwechsel wurde für Mitte Mai geplant, damit sich der Termin möglichst nicht mit dem Geburtstermin (1. Juni/Pfingstmontag) überschneidet.
Ab Freitag, den 13. März stand ich dann endlich auf der Ltx-Warteliste

Danach war klinikmäßig erst mal Ruhe und es ging mir jeden Tag besser.

Fünfter Punkt zum Kraft tanken:
Ich konnte sogar zum ersten Mal seit Sommer 2008 wieder Motorrad fahren, was ich in der Folgezeit auch ausgiebig getan habe... !!


Ende April habe ich mich für ca. eine Woche von der Ltx-Warteliste abgemeldet, da ich mit meiner Frau nach Dortmund mußte. Auf dem Weg dahin hatte ich zwar nochmal Fieber, ansonsten war ich aber relativ fit. Nachdem wir wieder daheim in Kaufbeuren angekommen waren, rief einer meiner Stationsärzte an, um mir mitzuteilen, daß ich dringend zum Blut abnehmen vorbei kommen sollte. Ich sagte ihm, daß ich da doch lieber am nächsten Morgen zu meinem Hausarzt um die Ecke gehen würde, statt ganz in die Klinik zu fahren. Am nächsten Morgen kam noch ein Anruf, daß ich doch zur Blutabnahme in die Klinik kommen sollte, da man nicht auf die Ergebnisse von meinem Hausarzt warten könne.

Also ab in die Klinik, Blut abgenommen, und wieder nach Haus. Zwei Tage später wieder ein Anruf. Die Tumormarker im Blut seien deutlich gestiegen; ich solle eine Woche früher als geplant in die Klinik kommen. Die Nachricht hat uns ziemlich fertig gemacht, da Metastasen ja bedeutet hätten, daß eine Ltx nicht mehr in Frage kommt. In der Klinik habe ich dann noch den Oberarzt getroffen, der mich dann aufgeklärt hat, daß das wahrscheinlich der Tumormarker C19-9 sei, der aber auch schon erhöht sei, wenn sich ein Gallestau anbahnt. So war es dann auch. Keine Veränderung beim Tumor * Danke nach oben * .

Leider mußte ich auf die Nachricht recht lange warten, da an dem Tag nur eine Ärztin auf der Station war und diese demzufolge stark ausgelastet war. Ich habe ihr dann gesagt, daß doch ein kurzes Reinschauenn ins Krankenzimmer mit "Daumen hoch" fürs erste völlig ausgereicht hätte.

Ein paar Tage später war dann noch die => neunte ERCP/Stentwechsel

Der Mai war dann ganz gut...

Sechster Punkt zum Kraft tanken:
Oldtimermesse in Friedrichshafen besucht
!!


Drei Tage vorm Geburtstermin (Freitag vor Pfingsten) bin ich dann abends mit hohem Fieber notfallmäßig in die Klinik eingewiesen worden. Noch in der Nacht wurde die => zehnte ERCP durchgeführt. Da aber statt der üblichen Internisten ein Anästhesist mich schlafen gelegt hat, habe ich nicht zu tief geschlafen wie sonst. Der erste Stent konnte noch gesetzt werden. Der zweite auch, allerdings saß der dann nicht richtig. Der dritte Stent wurde nicht mehr gesetzt; stattdessen eine Sonde gelegt, die die Gallenflüssigkeit durch die Nase ableitet (sehr unangenehm). Der Anästhesist meinte, ich solle mir nächstes Mal eine Vollnarkose geben lassen. Die Internisten und ich sahen das allerdings anders.

Am nächsten Morgen (Samstag) kam überraschend der Oberarzt bei mir vorbei. Als erstes wollte er wissen, wie es zuhause aussieht, Ich sagte ihm, daß das Baby noch auf sich warten lässt. Er wollte eigentlich aber nur wissen, wer zuhause auf meine Frau aufpasst. Nachdem das geklärt war, erklärte mir noch mal, warum der Anästhesist mich nicht ausreichend schlafen legte und daß er für (Pfingst-)Sonntag oder -Montag eine weitere ERCP ansetzen würde, und zwar mit einem Internisten-Team, daß auch keine Bereitschaft hat, damit niemand weggerufen werden kann. Die => elfte ERCP lief dann am Montag vormittag wie geplant und ohne jegliche Probleme. Bereits einige Stunden danach durfte ich wieder essen und später am Nachmittag wurde ich bereits wieder nach Haus entlassen. Vielen Dank nochmal an den OA, der sich wirklich ins Zeug gelegt hat, damit ich schnell wieder zu meiner hochschwangeren Frau nach Hause kann.

Siebter Punkt zum Kraft tanken:
Das Baby hat sich dann allerdings noch eine Woche Zeit gelassen, um schließlich genau an meinem Geburtstag auf die Welt zu kommen. Außerdem wurde es ein Kaiserschnitt, da sich die Kleine in den letzten 24 Stunden nochmal gedreht hat. !!


Die folgenden Wochen waren sehr schön, aber auch sehr anstrengend ;-) !

Mitte Juli kam dann mal wieder ein Klinikaufenthalt und die => zwölfte ERCP

Vier Wochen später hatte ich dann mal wieder gelegentlich das Gefühl einer Faust, die sich im Bauch ballt; das war in der Vergangenheit oft ein erstes Anzeichen für eine beginnende Cholangitis gewesen, so daß ich frühzeitig zu meinem Hausarzt gegangen bin. Die Blutwerte waren zwar i.O. aber er schickte mich trotzdem am nächsten Tag zur Abklärung in die Klinik. Hier wurde nochmals Blut kontrolliert; die Werte waren immer noch i.O., lediglich die Entzündungswerte waren leicht erhöht. Es sollte noch ein Ultraschall gemacht werden, um dort einen evtl. Gallestau zu entdecken. Gleichzeitig wollten die Stationsärzte noch mit den Professoren sprechen. Die waren der Meinung: Wenn ich glaubte, da sei was, dann werde das schon so sein. Eine Stunde später wurde dann bereits die => dreizehnte ERCP durchgeführt - ohne vorherigen Ultraschall. Das Gefühl war richtig. Die Cholangitis bahnte sich schon an. Vermutlich hätte ich am nächsten wieder die üblichen 39-40 °C Fieber gehabt.

Bevor ich am nächsten Tag auf eigenen Wunsch nach Hause entlassen (ausnahmsweise mit iv Antibiotikum) wurde, wurde mir nochmal empfohlen, mich nicht mehr von der Warteliste abzumelden, da jetzt jederzeit eine Leber verfügbar sein könnte. Einige Tage später sagte ich einem guten Freund ab, der Anfang Oktober heiraten wird. Eigentlich wollte ich mir dafür auch zwei Tage "freinehmen", aber nach der neuerlichen Ermahnung meiner Ärzte habe ich mich dann doch anders entschieden.

Am nächsten Abend (18. August 2009) war es dann soweit. Gegen 22:00 Uhr kam der Anruf, daß eine Leber für mich da sei. Meine Frau und ich waren gerade dabei, das Antibitikum anzuhängen. Dieses sollten wir auch noch einlaufen lassen und dann in die Klinik kommen. Die Transplantation sei für 3:00 Uhr nachts angesetzt. Gegen Mitternacht waren wir dann in der Klinik. Die drei Stunden bis zur OP vergingen wie im Flug. Die OP verlief sehr gut und ohne Komplikationen und war nach weniger als vier Stunden vorbei (sechs bis acht Stunden sind auch keine Seltenheit). Noch am gleichen Tag konnte ich schon wieder aufstehen und auf der Stelle trippeln. Am nächsten Tag bin ich bereits alleine zur Toilette gegangen. Die Leber hat ihre Arbeit aufgenommen und funktioniert gut; die Leberwerte normalisieren sich. Die Medikamente vertrage ich gut. Auch wenn ich wegen des Cortisons eine Diabetis entwickelt habe. Die soll mit Absenkung der Cortisondosis allerdings wieder verschwinden.

Nach der OP sagte man mir, daß während der OP Gewebeproben entnommen und sofort untersucht wurden. Dabei wurden keine Tumorzellen mehr gefunden. Zehn Tage später kam dann doch die schlechte Nachricht, daß bei der genaueren Untersuchung der Gewebeproben noch ein mikroskopisch kleiner Rest des Tumors entdeckt wurde. Die Radiologen und die Chirurgen hätten gesagt, daß sie da nichts mehr machen könnten :-( . Die Nachricht hat mich natürlich mal wieder ziemlich runtergezogen.

Am nächsten Tag habe ich dann noch mal mit dem Oberarzt gesprochen. Der hat das Ganze dann doch etwas relativiert. Wenn man den Tumor vorher bekannt gewesen wäre, hätte ich gar keine neue Leber bekommen. Die Radiologen und Chirurgen wollen derzeit auch deswegen nichts machen, weil sowohl eine weitere Bestrahlung als auch eine weitere OP eine größere Gefahr darstellen, als der Tumor. Und vor einigen Jahren hätte man den Tumor noch gar nicht festgestellt und ich wäre als R0 (geheilt) aus der Ltx gekommen. Die Experten wollen sich zwar noch mögliche Maßnahmen überlegen. Die sind aber wohl nur als Option gedacht, wenn der kleine Tumor jetzt plötzlich stark anfängt zu wachsen. Derzeit bin ich aber noch optimistisch, daß mein Körper trotz unterdrücken Immunsystems mit dem Tumor fertig werden könnte

Seit drei Tagen bin ich jetzt in der REHA (genauer gesagt AHB). Der Stationsarzt in der Klinik hätte mich direkt nach Hause geschickt. Da ich aber noch Probleme mit Atmung und Körperhaltung habe, wollte ich doch erst in die AHB. Ich hoffe, daß ich Anfang/Mitte nächster Woche soweit bin, daß ich nach Hause gehen kann.

So, das ist jetzt viel Text geworden, aber schließlich habe ich auch einiges erlebt in den letzten 12 Monaten. In den letzten Monaten habe ich mich oft gefragt, ob ich nur die Einschulung oder auch das Abitur meiner Tochter miterleben werde. Aber das weiß schließlich auch jeder gesunde Vater nicht. Mir ist es wohl nur mehr bewusst als anderen.

Ansonsten habe ich gelernt, daß man sich in seinem Leben Highlights schaffen muß. Das hat mir zumindest immer wieder geholfen. Sicherlich bin ich als frischgebackener Vater in einer besonderen Situation, die viel Kraft gibt. Aber ich hoffe, das jeder etwas finden kann, was ihn wieder aufbaut und wieder Kraft gibt; wenigstens für eine Weile...

Liebe Grüße,
JürgenT

Geändert von JuergenT (15.10.2009 um 18:16 Uhr) Grund: Link entfernt
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