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Alt 30.12.2022, 13:44
dirk66 dirk66 ist offline
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Standard AW: Neues Mitglied

Hallo Karl-Heinz,
ich fange mal beim GdB an, ist vielleicht die einfachste Antwort: Du musst ggf. mit Deinem Arzt gemeinsam einschätzen, wie sich Deine "alten Leiden" die bereits berücksichtigt sind, entwickelt haben. Sind sie mindestens gleich oder aber schlimmer geworden ? Dann spricht aus meiner Sicht überhaupt nichts gegen den Verschlimmerungsantrag. Der wird bei Krebs eben nach 2 Jahren geprüft und wenn sich Deine alten Leiden nicht gebessert haben bzw. sollte ggf. noch was anderes dazu gekommen sein, dann kannst Du m.E. den Verschlimmerungsantrag stellen. Letztendlich bist Du aber der Entscheider.

Ich lebe ebenfalls allein und Dinge, die ich vor der OP problemlos selbst gemacht habe, waren mir über eine lange Zeit verboten. Wir leben aber in 2022 und es gibt mittlerweile unzählige Möglichkeiten wie geholfen werden kann, z.B. Einkaufsdienst oder Getränkelieferung bis in die Wohnung usw. Du musst Deine Einschränkung halt bedingungslos annehmen, "falschen Stolz" ablegen und von den (seriösen) Angeboten Gebrauch machen.

Dein Befund beinhaltet quasi alles was Du wissen musst. Deine Nierenkrebserkrankung ist in einer sog. Tumorformel beschrieben. Meine lautet T1a N0 M0 G1 und ist die günstigstmögliche Tumorformel. Dazu findest Du auch ausführlich alles im Internet. Das T1a beschreibt die Tumorgröße und wie/ob der Tumor auf andere Organe übergegriffen hat bzw. Adern/Venen usw. eingeschlossen sind. N beschreibt den Befall von Lymphknoten, 0 ist kein Befall, M beschreibt die Metastasenbildung, 0 bedeutet keine Metastasen erkannt. Das G beschreibt das internationale Grading, die 1 steht für ein geringe(re)s Rezidivrisiko.
Deine Erwartung der Erklärung ist das Eine, bedenke aber bitte auch, dass wir in einer hektischen, stressigen und schnelllebigen Gesellschaft leben. Von daher musst Du Dich auch daran gewöhnen, Dinge einzufordern, z.B. die Erkärung des Befundes incl. der Fragen die sich daraus für Dich ergeben. In der Reha gabe es bei mir ziemlich viele gute OnlineVorträge, die man sich auf dem Fernseher im Zimmer anschauen konnte. Darunter u.a. auch "Krebs, warum gerade ich und was bedeutet die Tumorformel". Einiges habe ich da auch noch dazu lernen können.

Die Gefahr, ob und wann sich was nach Deiner/meiner OP neu bildet, besteht. Ob, wann und wo, das wird Dir niemand sagen können. Auch mir wurde gesagt, da kommt nie wieder was. Sowohl in der FB-Gruppe als auch im "Lebenshaus" habe ich jedoch Menschen kennengelernt, denen es ebenfalls gesagt wurde und die im Nachhinein (nach 1, 2 oder auch nach 5 Jahren) neue Befunde bekommen haben. So wie ich es mir erlesen habe, trägt der Nierenkrebs in die Lunge, den Kopf und in die Knochen aus.

Aber bitte: Hier nochmals der Hinweis aus meiner allerersten Antwort: Projeziere nicht alles was Du liest sofort auf Dich !!!!!! Das ist sehr wichtig, Karl-Heinz.

Die (Krebs-)Medizin/-Forschung schreitet mit großen Schritten voran. Noch vor einigen Jahren wäre uns die komplette Niere entfernt worden, Einige mehr Jahre davor wären wir vielleicht an unserem Tumor gestorben. Das ist heute eben nicht mehr so, was positiv ist. Die aktuelle Krebsforschung gibt allerdings auch aus, dass sich nach Entfernung von Primärtumoren die Wahrscheinlichkeit der Metastasenbildung in anderen Körperteilen erhöht.

Hier nochmals: Projeziere nicht alles was Du liest sofort auf Dich !!!!!! Das ist sehr wichtig, Karl-Heinz.

Bezüglich der Vor- bzw. Nachsorge gibt es klipp und klare Vorgaben die Du in Abhängigkeit Deiner Tumorformel und Deines Gradings erhalten solltest. Dies sollte Dein nachsorgender Urologe auch wissen. Google mal "S3 Leitlinie Nierenkrebs". Es gibt Lang- und Kurzversionen. Dort findest Du immer den Bereich "Nachsorge nach Lokaltherapie des Primärtumors im nicht fernmetastasierten Stadium". Es sind mehrere Tabellen die in Abhängigkeit Deiner Tumorformel/des Rezidivrisikos beschreiben, nach welcher Zeit welche Untersuchung angesagt ist.

Zum Thema "Beratungsstelle" habe ich auch viel in meiner Umgebung gesucht, bin letztlich in der FB-Gruppe und im Lebenshaus gelandet und dort auch zufrieden. Wenn Du in der Reha bist dann wirst Du ebenfalls Leidensgenossen und auch Patienten anderer Krebsarten mit ihren Geschichten kennenlernen. Ich habe in der Reha sehr schnell verstanden, dass meine Krankheit sicher schwer ist, aber andere deutlich schlimmer betroffen sind. Zum Ende meiner Reha wollte ich auch gar keine neuen Menschen mehr dort kennenlernen, weil es mich zu weit nach unten gezogen hat. Habe dann entschieden, dass ich mich auf mich fokussiere und alles dafür tun möchte, dass der Nierenkrebs eben nicht mehr wieder kommt. Eine Garantie dafür, die gibt es leider nicht.

Soooo, ich hoffe, ich konnte ein wenig unterstützen. Und ja, ich weiß, dass einige meiner Aussagen auch wieder etwas niedergeschlagen machen. Vertraue auf Dich und Deinen Weg, fordere Dinge ein und betrachte die Ärzte nicht als Götter in weiß. Du wirst es schaffen, ich bin sicher.

PS: bin ebenfalls sehr ungeduldig, will an Arbeiten immer alles sofort wegmachen. Bin ein rational denkender Ingenieur, musste nach meiner OP aber eben auch dazu lernen und akzeptieren, dass es eben nicht immer so läuft wie ich es will.

Viele Grüße, Dirk

Geändert von dirk66 (30.12.2022 um 14:00 Uhr)
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