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Alt 10.12.2012, 10:08
dobbiie dobbiie ist offline
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Registriert seit: 12.07.2008
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Standard AW: Mein lieber großer Bruder - 2,5 Monate Pancoast

Liebe Marion,
Geschwisterliebe ist - neben der Elternliebe - die wohl schönste und
uneigennützigste Form der Liebe. Von Kindesbeinen an immer für-
einander da zu sein schafft eine enge, emotional glückliche Bindung.
Wer denkt in Zeiten des Glücks schon an die Endlichkeit allen Seins.
Wenn überhaupt, so erscheint Einem dieser Gedanke wie fernes Wet-
terleuchten am Horizont. Weit, weit weg.

Wenn dann das Unfassbare geschieht, wird Einem förmlich der Boden
unter den Füßen weg gezogen und die Trauer wird zur ständigen Be-
gleiterin.

Ich verstehe dich nur allzu gut. Denn auch ich habe meinen Bruder
Thomas an diese Geißel der Menschheit, die so viele hässliche Frat-
zen hat, verloren.

Mein Bruder hat sehr gesundheitsbewusst gelebt. Bei den geringsten
Anzeichen einer Unregelmäßigkeit ging er zum Arzt. So auch nachdem
er der Witwe seines ehemaligen Vorarbeiters begegnete und erfuhr, dass
der Krebs sie zur Witwe gemacht hätte.

Für meinen Bruder Grund genug umgehend einen Lungenfacharzt auf-
zusuchen. Die Untersuchung ergab Lungenkrebs im Anfangsstadium.
Leicht zu operieren. Sofort vereinbarte er einen Operationstermin.
Beim Vorgespräch wurde ihm wörtlich gesagt: „Wenn sie hier raus
gehen sind sie geheilt“. Im Vertrauen auf den Wahrheitsgehalt die-
ser Worte ließ er sich im September 2003 operieren. Die Operation
verlief gut und so begann für ihn ein neues Leben.

Doch dann, im Januar/Februar 2007, bekam er erneut Beschwerden.
Diesmal an der Wirbelsäule. Die Untersuchung mit einem Computer-
tomographen ergab einen Tumor im Bereich der Wirbelsäule.
Umgehend wurde er in die Universitätsklinik Aachen verlegt und noch
am gleichen Tag operiert. Ein Schnellschnitt ergab: Bösartig.

Trotzdem konnte er den Sommer 2007 noch einmal in vollen Zügen
genießen. Erst im September 2007 trat zunehmende Atemnot auf.
Die Fehldiagnosen dreier verschiedener Ärzte zum eigentlichen Grund
der Atemnot möchte ich hier nicht kommentieren.

Als die Atemnot immer bedrohlichere Ausmaße annahm ließ er sich in
eine, auf die Behandlung von Krebserkrankungen spezialisierte Klinik,
einweisen. Hier erkannte man den eigentlichen Grund für die Atemnot.
Wasser zwischen Lungen- und Rippenfell. Schrittweise wurde seinem
Körper das Wasser entzogen. Kurzzeitig besserte sich sein Allgemein-
befinden. Eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen begann.Die Hoffnung
starb am 31. Juli 2008 mit ihm.

Liebe Marion, in einer Fußnote Deines ersten Beitrags schriebst Du
*( sofern man denn glaubt)
Den Kinderglauben an einen gerechten, gütigen, barmherzigen Gott
habe ich schon früh verloren. Auch wenn uns sein Bodenpersonal,
mehr mit Worten als mit Taten, seine wahrhaftige Existenz einreden
will. Wenn es so wäre sähe unsere Wirklichkeit anders aus.

Dennoch glaube ich fest daran, dass es neben der Wirklichkeit, die wir
mit unseren bescheidenen Sinnen erfassen können, eine jenseitige Wirk-
lichkeit gibt. Eine Wirklichkeit in der Dein Bruder, mein Bruder und
all Diejenigen die gehen mussten ohne Schmerz und Leid weiterleben.

Nicht von ungefähr ließ ein Mensch die Worte: „Jetzt weiß ich mehr als
der Klügste unter euch“ in seinen Grabstein einmeißeln.

Ich wünsche Dir und den Menschen die Dir nahe sind ein friedvolles
Weihnachtsfest.
Hinter dem noch fest verschlossenen Tor zum Neuen Jahr wünsche ich
Dir ein strahlend helles Licht das Dich in schweren Stunden tröstet.

Meine Gedanken begleiten Dich durch die Zeit.
Manfred
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