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Alt 02.03.2015, 10:56
Hexlein73 Hexlein73 ist offline
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Standard AW: Scheidenrekonstruktion nach Cervix Ca und Wertheim OP

Liebe Betroffene,

ich glaube, dieses Thema ist kein Thema, weil es relativ uninteressant ist. Also für die Ärzteschaft.
Ein Arzt sagte nach der OP zu mir: "Aber Sie können doch noch Geschlechtsverkehr haben, Sie müssen halt viel vorbereiten. Viel Gleitgel nehmen, das müssen viele ältere Frauen machen.
Der Mann merkt meist keinen Unterschied, er muss halt vorsichtiger sein als bei anderen"

Da dachte ich mir noch nix, aber nachher dann dachte ich: eine Frechheit.
Was ist mit mir und meinen verlorenen Empfindungen? Hat der Arzt überlegt, was es für ihn bedeuten würde, mit (s)einer Frau zu schlafen, die null Empfindungen oder gar Schmerzen hat? Und zwar nicht nur mal, sondern als Dauerzustand?

Grad wenn Frauen schon Kinder haben, ist es wohl noch ärger.
Bei Frauen mit Kinderwunsch, der ihnen dann auch genommen wird, hat man zumindest diesbezüglich (hoffentlich!!!) Verständnis.

Und das ärgert mein feministisches Herz irgendwie.
Männer nach Prostatakrebs oder nach Hodenkrebs- ha, da versteht jeder, dass das sehr problematisch ist. Vor allem, wenn die Betroffenen noch jung sind.
Da versteht jeder, dass das für die Männer ein großes Problem ist.
'Es gibt auch Forschung diesbezüglich.
Aber bei Frauen- da wird nicht drüber geredet.

Wobei, der Großteil der Betroffenen wird wohl tatsächlich schon in einem Alter sein, in dem "das" nicht mehr so wichtig ist- oder gar unerheblich.
Hier schreiben viele junge Frauen, aber ich denke, das verzerrt ein wenig das Bild.
Die vielen betroffenen älteren Frauen kommunizieren vielleicht auch nicht übers Internet usw. Oder sie reden gleich gar nciht drüber??

Aber wir (noch jungen) Frauen, die ev. in Beziehungen leben, die "vorher" ein gutes und erfüllendes Sexualleben hatten, halt ein weibliches Leben in allen Facetten führten...

Ich hab neulich in einem Buch gelesen, dass ein gutes und intaktes, erfüllendes Sexualleben ca. 15 bis 20% einer Beziehung ausmacht.
Ist es problematisch (und das ist es bei uns operierten Frauen nach Krebs wohl in den allermeisten Fällen), dann kann es dazu führen, dass dieser "Defekt" bei dem/der Betroffenen sehr viel psychische Energie auffrisst und es dann 70, 80% "einnimmt".
Weil er ja hilflos vor einem Problem steht, das erstens nirgendwo offen besprochen werden darf/kann und das zweitens unlösbar erscheint.

Was ich nur bestätigen kann, aus eigener leidvoller Erfahrung.
Und dass das dann auch überschwappt auf den Partner/Partnerin.
Die sind auch oft hilflos und alleingelassen mit "dem".


Es kann niemand, der es nicht selbst erlebt hat, ermessen, was es heißt, seine Sexualität, sein Lustempfindungen, usw. durch eine (notwendige) OP verloren zu haben. Ja, man ist danach verstümmelt. Rein faktisch. (Warum darf man die Dinge nicht beim Namen nennen?) Und das macht was mit einem Menschen!

Im Nachhinein finde ich es unfair, dass zb. mein Mann niemals in irgendein Gespräch miteinbezogen wurde.
Bei Männern, die von Prostatakrebs betroffen sind, macht man das umgekehrt schon. Warum?? Tabu halt. siehe hier:


http://www.springermedizin.at/artike...d-unverstanden


Und ich denke auch, das Reden drüber ist von der Ärzteschaft ein Tabu. Grade bei Erkrankungen der Geschlechtsorgane.
Denn bitte, die Betroffenen hatten ja Krebs. Wen interessiert danach der Sex? Dass wir noch junge Frauen sind, die mitten im Leben stehen/standen, das wird übergangen. Oder auch ältere, die trotzdem diesen Teil ihres Lebens als wichtig betrachten.

Ein Teil dieser ganzen Problematik ist sicher psychisch, aber ein Teil ist auch physisch.
Das hängt zusammen.

Mittlerweile seh ich das so: es ist ein Faktum, dass mir meine Sexualität genommen wurde mit meiner OP. (Niemand hat vorher mit mir darüber offen und ehrlich gesprochen, dass das passieren würde. Stillschweigen.)

Und damit einen wichtigen Teil meines Mensch-Seins. (ich sag jetzt absichtlich nciht Frau-Sein dazu, denn betroffene Männer leiden bestimmt genauso, es ist ja eine Urangst des Mannes, impotent und kastriert zu sein)
Sexualität ist ja auch so eine Urkraft, ja, ein Teil der Persönlichkeit.
Und ja, vorher war das "ganz normal", einfach "ganz normal schön", eine Selbstverständlichkeit und Teil des Lebens. Ich finde auch, dass man als Frau mit lustvollem Leben (auf Sexualität bezogen) ganz bei sich sein kann, ganz weiblich, ganz pur, ja, das gibt Selbstbewusstsein und Stärke, definitiv!!!
Das fällt natürlich mit so einer Erkrankung komplett weg.
Denn was ist ein Mensch, der "funktionsunfähig" und/oder frigide operiert wurde?
Diese Frage stelle ich mir seit geraumer Zeit. Ihr auch?

Und ich kann diese Aussagen von wegen "Schmusen kannst ja noch" oder "es gibt so viele Arten von Liebe, nicht nur körperliche" auch oft nicht mehr hören.
Weil sie das Problem nicht lösen.
Das ist, als ob man einem durch OP impotenten Mann sagen würde: ach, kraulst halt den Frauen den Rücken, das ist auch geil.
Verzeiht die offenen Worte, aber manchmal hab ich genug von den Umschreibungen usw.


Bin heut etwas wütend, sorry für den langen Text.

Ich bewundere Natalie, dass sie diese OP machen hat lassen und die Aussagen von wegen "Lernen Sie damit zu leben" etwas wegschieben konnte!!
*verneigvordir*
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