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Alt 17.01.2005, 11:22
Gast
 
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Standard Noch ein letzes mal sehen?

Hallo Karsten,

ich glaube auch: so schrecklich es ist unsere Lieben leiden zu sehen, wird es letztlich gut sein dass Du noch mal bei Deiner Mutter warst. Vielleicht hättest Du dir sonst irgednwann Vorwürfe gemacht nicht dort gewesen zu sein, wer weiss. Und wie Du sagtest: es ist ja nun wie es ist.

Mein Vater lag bevor er schliesslich starb 9 Wochen auf der Intensivstation - ich kann mir daher gut vorstellen welche Situationen Du meinst, wenn man nicht weiss was derjenige will, ob er einen erkennt oder nicht, WAS er sieht (mein Vater konnte wegen der Beatmung die ganzen Wocehn nicht mehr sprechen).

Dass Du jetzt vollkommen verwirrt und von wechselnden Emotionen geschüttelt wirst halte ich in deiner Situation für "normal". Es ist eben nichts mehr so wie es einmal war. Ist doch klar dass die Bilder von den sterbenden Eltern, vor denen wir als erwachsene Kinder so hilflos stehen, uns immer wieder in Tränen und Verzweiflung und Entsetzen stürzen. Wie sollte es auch anders sein? Aber es bleibt bestimmt nicht immer so, man kann damit fertig werden. Es braucht halt Zeit, bei dir ist es ja noch ganz frisch.

Wenn Du aber Sorge hast damit nicht fertig zu werden könntest Du Dir eine Trauergruppe oder einen Psychotherapeuten suchen. Verdrängen ist sicher nicht der richtige Weg, das holt einen irgendwann wieder ein. Man muss lernen mit dem was man nun einmal erlebt und gesehen hat, zu leben, es zu verarbeiten. Dafür kann man sich Hilfe suchen (oder man schafft es allein).

Übrigends glaube ich dass wir alle in der Trauer verschiedene Phasen durchlaufen. Es ist natürlich für jeden anders. Aber die Dinge verändern sich - ich glaube sogar je weniger man "verdrängt" umso mehr haben die Dinge eine Chance sich zu verändern - und zu verbessern. In den ersten Wochen nach dem Tod meines Vaters habe ich mich geradezu zwanghaft mit seinen letzten Wochen auf der Inteniv beschäftigt, mit Koma und Langzeitbeatmung und habe ihn immer nur SO vor mir gesehen. Inzwischen kommen auch wieder die alten Erinnerungen, als er noch gesund war.

Ich hatte nachdem mein Vater tot war nicht den Mut ihn im Sarg nochmal zu sehen. Aber wir haben die Bestatterin gebeten ihn zu fotographieren (wenn er "OK" aussieht...), und sie tat es. Jetzt bin ich froh die Fotos zu haben. Vielleicht ist das auch für Dich eine Idee: wenn Du Fotos von ihr hättest wie sie ganz friedlich und ohne Schmerz und Kampf daliegt, vielleicht kannst Du dann die letzten Bilder deiner Mutter besser verabeiten...? Du müsstest sie Dir ja nicht gleich ansehen, vielleicht erst in ein paar Monaten - nur muss man sowas rechtzeitig entscheiden sonst ist es für immer vorbei.
Hoffentlich nimmst Du mir diesen Vorschlag (und mehr ist es ja nicht) nicht übel.... ich sage es nur weil ich selbst damals nicht auf die Idee gekommen wäre aber meine Freundin hatte kurz davor ihre Tochter verloren und sie haben sie auch fotografiert (eine Freundin hatte das gemacht). Ich hätte mich das garnicht getraut aber ein Bestatter kann das auch machen. Ist ja nicht jedermanns Sache - hätte ich mir auch nie vorstellen können aber mir hilft es jetzt.

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft.

Kerstin
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