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Alt 21.10.2002, 19:30
Gast
 
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Standard Kübler-Ross und ihr Sterbephasen Modell

Hallo,

Ich sehe gerade, daß das Thema hier weiter diskutiert werden soll. Ich hänge also meine Antwort an Anjas Beitrag an mich hier herein.


auf deine erste Frage habe ich schon einige Male geantwortet.


Ja, und wenn ich trotzdem nachfrage, bedeutet das, daß ich deine Antwort unbefriedigend fand. Sie bleibt auch jetzt unbefriedigend und widersprüchlich, aber das sagst du ja selbst.


Ich kann mich daran erinnern, dass ich die Frage nach einer Definition von "Sterbender" gestellt habe, damit sichergestellt ist, dass wir hier nicht über Äpfel und Birnen diskutieren, sondern über die gleiche Sache. Keiner ist bisher meinem Wunsch nach einer Definition nachgekommen. Schade eigentlich.


Das liegt daran, daß es keine Definition eines Sterbenden geben kann. Für mich gilt das Prinzip Hoffnung, bis zuletzt. Wenn bei einem Menschen der Tod festgestellt wird, dann weiß ich, daß er davor ein Sterbender war. Aber vorher würde ich mir niemals erlauben, diesen Begriff zu verwenden.


Warum wirfst du mit Begriffen wie "ekelhaft" usw. um dich ohne zu versuchen, meine Gedanken nachzuvollziehen. Auf deine Fragen habe ich bereits geantwortet.


Ich kann deine Gedanken nachvollziehen. Du suchst Trost. Du bist unsicher, und fühlst dich wohl, wenn du eine Anleitung hast. Etwas schwarz auf weiß, weil du deinen Gefühlen nicht traust.


Ich glaube, dass ein Krebskranker im Endstadium (wieder so ein Wort...) nicht mehr unbedingt die Hoffnung auf Heilung hat.


Was du glaubst oder nicht glaubst, ist aber doch in diesem Fall völlig egal. Wie ich Lillebror verstanden habe, und auch ich bezog mich auf diese Situation, geht es darum, daß ein Kranker ganz eindeutig Hoffnung auf Heilung hat, diese Hoffnung aber von den Angehörigen uminterpretiert wird.


Ich denke, dass er sich insgeheim sehr wohl mit dem Sterben und dem Tod befasst.


Anja, du machst mir wirklich Angst. Hast du denn so ein großes Problem, mit dir nahestehenden Personen zu sprechen? Frag den Betroffenen doch! Hier wird permanent mit Binsenweisheiten um sich geworfen, jetzt bringe ich auch einmal eine an: Redet miteinander! Frage ihn, wenn du unsicher bist: Worauf konzentriert sich deine Hoffnung? Warum spekulierst du darüber, was ein Mensch, der dir dazu ja auch noch nahesteht, denkt? Warum findest du es nicht heraus?


Er hat sicherlich Hoffnungen, aber nicht mehr die Hoffnung auf Heilung. Vielleicht gibt es Betroffene, bei denen es so ist, aber die meisten werden ihre Situation wahrscheinlich realistisch einschätzen können. Wenn du etwas anderes behauptest, finde ich sprichst du den Menschen eine ganze Menge Selbsteinschätzungsfähigkeit ab, also in gewisser Weise Mündigkeit.


Anja, bei allem Verständnis für deine Lage, das geht mir zu weit. Du forderst Dinge ein, die du selbst nciht erfüllst. Beispielsweise forderst du, daß man auch mal andere Blickwinkel einnehmen soll. Aber du selbst bist dazu nicht in der Lage. Ist es wirklich so schwer für dich, das Prinzip Hoffnung zu verstehen? Ich habe in meinem persönlichen Umfeld die Beobachtung gemacht, daß die meisten Menschen hoffen - bis zuletzt. Bis zum bitteren Ende. Darunter waren sicherlich auch viele, die du als "unrealistisch" disqualifizieren würdest. Aber, noch einmal: Was gibt dir das Recht, eine bestehende Hoffnung zu zerstören?
Und ich habe in keinem Satz mich über die Betroffenen hinweggesetzt, wie du es permanent tust, ich habe ihnen niemals Mündigkeit abgesprochen. Im Gegenteil, der einzige, dem ein Urteil über Hoffen oder Nichthoffen zusteht, ist der Kranke selbst.


Nicht jeder wird sicherlich auf diese Weise seinem Tod ins Auge sehen können, aber du streitest diese Möglichkeiten ja pauschal ab.


Bei dir klingt es immer so, als wären Kranke, die den Tod nicht akzeptieren oder nicht als Möglichkeit in Betracht ziehen, auf einer niederen Bewusstseinsstufe. Als wären sie unreif, als würden sie etwas verdrängen, wären noch nicht von Weisheit erleuchtet. Denkst du, daß Weisheit darin liegt, den Tod zu akzeptieren? Meinst du, daß Resignation wertvoller ist als Hoffnung?
Ich streite die Möglichkeit, daß ein kranker Mensch akzeptiert, daß er stirbt, nicht ab. Ich streite nicht einmal ab, daß es Kranke gibt, die sich den Tod wünschen.


Noch einmal: Ein Angehöriger kann einen Krebskranken nicht in "die Kategorie Sterbender einordnen", er kann dies aber tun, wenn der Krebskranke ihm durch eine symbolische Sprache oder Geste zeigt, dass er weiß , dass sein Ende naht.

Genau das ist doch das Problem. Eine symbolische Sprache, eine Geste. Nun habe ich, angeregt von einem Bekannten, vor zwei Jahren bereits ein Buch von Kübler-Ross gelesen. Ich weiß also, wie diese angebliche Symbolsprache aussehen kann. Sie läßt viel Raum für Interpretationen. Im Prinzip kann ich mit viel Phantasie jede Geste umdeuten, in Richtung "er hat sein Schicksal akzeptiert". Ist das nicht ein grauenvoller Gedanke? Nehmen wir einmal an, ein sehr kranker Mensch kennt das Phasenmodell, er hat aber selbst noch Hoffnung. Ganz egal, was er tut, was er sagt, alles kann umgedeutet werden. Ich würde mich in dieser Situation extrem unwohl fühlen, um es einmal vorsichtig auszudrücken.

Das ist Psychologie! Ich hätte einige Bemerkungen meines Vaters nicht verstanden, wenn ich die Bücher nicht gekannt hätte.

Anja, ich will dich nicht verletzen. Aber das, was du meinst zu verstehen, ist deine persönliche Interpretation. Du wirst niemals erfahren, was dein Vater wirklich gemeint hat. Wirklich erfahren, was Menschen denken und fühlen kann man nämlich nur, wenn man sie fragt, mit ihnen spricht.

LG Susanne
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