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Alt 26.02.2015, 08:52
starlight9688 starlight9688 ist offline
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Standard AW: Morbus Ollier / multiple Enchondromatose

Hallo Simon,

zunächst einmal: Wow, wie du dich mit deinen 15 Jahren mit der Krankheit auseinandersetzt und wie gewandt und gekonnt du mit den medizinischen Fachbegriffen umgehst finde ich wirklich ganz bewundernswert. Aber ich kenne das, ich war auch immer so, wollte auch immer alles ganz genau wissen, was mit mir los ist, was gemacht werden muss und vor allem wie operiert bzw. behandelt wird. Ich glaube, dass das die Krankheit an sich mit sich bringt, denn man muss sich ja ab der frühesten Kindheit damit auseinander setzen.

Mein Morbus Ollier ist, wie bereits gesagt, bloß rechtsseitig, dafür aber in allen Knochen verteilt. Schlimm betroffen ist mein ganzes rechtes Bein, meine Hüfte und meine Schulter bzw. mein Arm. Deswegen wäre das Entfernen der Enchondrome bei mir leider ein Fass ohne Boden. Wo fängt man an, wo hört man auf? Zumal, wenn sie, wie leider bei dir, ohnehin wieder nachwachsen, kann ich auch gleich meine alten Dinger behalten

Also, meine Geschichte:

Als ich etwa mit einem Jahr zu laufen anfing, ist meinen Eltern aufgefallen, dass ich nicht gerade gehen kann. Der Kinderarzt konnte damit leider nichts anfangen, und dann fing auch bei mir der Ärztemarathon an. Zunächst wurde vermutet, dass ich die Glasknochenkrankheit (zum GLÜCK blieb mir das allerdings erspart) oder fibröse Dysplasie habe, im Endeffekt hat sich dann jedoch doch die Diagnose Morbus Ollier bestätigt.

Die Krankheit geht bei mir mit einer Verkürzung aller langen Röhrenknochen, also Unter- und Oberschenkel sowie Unter- und Oberarm einher. Bis ich fünf war, war mein rechtes Bein leider schon 13 cm kürzer als mein linkes Bein, das musste damals unbedingt geändert werden, da das leider auch damals schon sehr auf meine Hüfte ging. Im Alter von 5 Jahren hatte ich dann im Kinderkrankenhaus Aschau im Chiemgau bei Prof. Dr. Corell (Eine Koryphäe auf dem Gebiet) meine erste Unterschenkelverlängerung (Operationsdauer 9 Stunden) mittels einem externen Ilizarov-Fixateur. Und ich muss wirklich sagen, dass das damals in dem jungen Alter kaum (soweit ich mich daran noch erinnern kann) mit Schmerzen verbunden war, ich hab das als kleines Mädchen wirklich gut weggesteckt. Ich war damals gut drei Monate im Krankenhaus, den Fixateur an sich hatte ich sehr lange dran.

Als das beendet war, waren meine Beine zunächst gleich lang. Aber, wie es die Natur so will, ist man mit sechs Jahren natürlich nicht ausgewachsen und so ist natürlich im Laufe der Zeit wieder eine enorme Beinlängendifferenz entstanden, sodass klar war, dass ich diese Operation nochmal durchführen lassen muss, allerdings erst kurz bevor ich ausgewachsen war.

Dann ist eigentlich lange nichts passiert, ich musste eben jedes Jahr zur Verlaufskontrolle und wieder mit einem Schuhausgleich leben, der die Längendifferenz der Beine ausgleichte.

Im Alter von 14 Jahren habe ich dann leider einen bösartigen Eierstocktumor bekommen, einen juvenilen Granulosazelltumor. Da dies nicht bemerkt wurde, ist der Tumor in meinem Bauch geplatzt und ich habe enorm viel Blut verloren. Nur soviel: Seit diesem Tag darf ich zwei mal im Jahr Geburtstag feiern

Ich wurde dann zwei mal sehr groß im Bauch operiert und musste 6 Chemo-Blöcke durchstehen, das war die schlimmste Zeit in meinem Leben. Aber auch diese ist vorbei gegangen

Mit 16 Jahren wurde dann schließlich mein Morbus Ollier wieder behandelt, ich hatte eine Oberschenkelverlängerung mittels Fixateur externe (Operationsdauer ca. 5 Stunden), welche leider immer recht problematisch war (häufig Entzündungen des durch die Verlängerung gereizten Oberschenkels; einmal ist der Knochen wieder zusammengewachsen, sodass nicht mehr verlängert werden konnte und ich nochmal operiert werden musste). Und natürlich immer Physio, Physio, Physio, ist ja eh klar

Direkt im Anschluss daran wurde mein Unterschenkel mittels Taylor Frame verlängert (Op-Zeit ca. 7 Stunden) und eine Achskorrektur durchgeführt. Und das war, im Gegensatz zu der ersten Unterschenkelverlängerung, leider immens schmerzhaft und langwierig. Ich glaube je jünger man ist, umso besser verkraftet man diese Operationen.

Da ich danach glücklicherweise nicht mehr gewachsen bin (ich bin nur kleine 1.60 m ) sind meine Beine seither gleich lang.

Seitdem bin ich einmal jährlich bei den Verlaufskontrollen um eine mögliche Entartung der Enchondrome frühzeitig zu erkennen. Dies wird bei mir mittels Ganzkörperknochenszinti (vielleicht ist das die Untersuchung, die du meintest? Da wird zumindest eine radioaktive Spritze gegeben ), MRT und natürlich dem obligatorischen Röntgen durchgeführt.

In den nächsten Monaten muss leider auch bei mir ein Enchondrom im rechten Ringfinger entfernt werden, da der Knochen schon immer relativ aufgetrieben war, aber in letzte Zeit das Enchondrom auch an Größe zunimmt. Wie lange hat es denn bei dir gedauert, bis die Finger nach der Enchondromentfernung wieder einsatzfähig waren?

Zu deiner Frage, wie ich in meiner Jugend damit umgegangen bin. Also wie gesagt, ich wollte immer, schon als Kind, alles ganz genau wissen. Ich habe mir immer sehr viele Gedanken gemacht, aber dann ist ja ohnehin der Krebs (wenn auch ein anderer) in mein Leben getreten und ich musste mich zunächst mal damit auseinandersetzen. In der Zeit war für Gedanken an Morbus Ollier gar nicht so viel Zeit.
Nach meiner Krebsbehandlung kamen dann natürlich schon wieder die Gedanken "Was ist, wenn die Enchondrome entarten? Wie hoch ist das Risiko genau? Wie und wo lasse ich mich am besten Untersuchen, um eine Entartung frühzeitig festzustellen?". Aber weißt du was? Du kannst im Endeffekt eh nichts anderes tun, als deinen Ärzten zu vertrauen und sehr gut in dich und deinen Körper hinein zu hören. Du bist der erste, der eine Veränderung an deinem Körper feststellt, und das musst du sorgfältig beobachten.

Und dass man sich trotzdem Gedanken macht, ist ganz normal denke ich, solange diese Gedanken und die Angst nicht dein Leben bestimmen. Und umso normaler sind diese Gedanken, wenn eben eine Stelle da ist, die noch nicht geklärt wurde, wie eben in deinem Knie. Das ist auch bei mir ein Schwachpunkt, wo mir noch nie jemand genau sagen konnte "machen sie sich keine Sorgen, das ist zu 100 % nur ein Enchondrom", weil es an dieser Stelle eben einfach zu schwammig ist und der Übergang, wie du bereits gesagt hast, fließend ist.
ABER: Ich habe jedes Jahr meine Kontrollen, und solange es so bleibt wie es ist und nicht wächst und sich nicht zum negativen verändert, kann ich damit leben. Wenn es sich tatsächlich zum Chondrosarkom entwickelt, würde es sich auch in den Bildern verändern.

Auf jeden Fall freue ich mich wirklich sehr, dass du dich gemeldet und mir geantwortet hast. Und hey, wenn das Risiko, Morbus Ollier zu bekommen, tatsächlich bei 1:1.000.000 steht, müsste es ja (natürlich nur statistisch gesehen ) in Deutschland noch etwa 80 von unserer Sorte geben, vielleicht meldet sich ja noch der oder die Ein oder Andere

Für dich hoffe ich wirklich sehr, dass dein Knie auch nur von einem harmlosen Enchondrom befallen ist, das sich NIE, NIE, NIE in ein Chondrosarkom und schon gar nicht in ein Osteosarkom verwandelt. Und, dass du dir deine unbedarfte Art, über deine Krankheit zu schreiben, beibehältst

Sorry, für meinen unendlich langen, ziemlich unformatierten Text, ich hatte im Moment einfach so viel zu schreiben. Ich würde mich aber freuen, wieder von dir zu hören

Ganz, ganz liebe Grüße

Und noch ein kurzer Nachtrag für alle Eltern, die eine Tochter mit Morbus Ollier haben:

Bitte lasst euer Kind ab Beginn der Pubertät IMMER regelmäßig auch vom Gynäkologen untersuchen! Es wird vermutet (und das haben ich und meine Eltern leider erst erfahren, als es für mich schon zu spät war), dass der juvenile Granulosazelltumor in Verbindung mit Morbus Ollier steht, als dass bei Vorliegen eines Morbus Ollier gehäuft auch der Tumor am Eierstock auftritt. Wenn der juvenile Granulosazelltumor jedoch früh entdeckt wird und nicht, wie bei mir, im Bauch platzt, ist die Chance SEHR hoch, dass eine einfache Operation reicht.

Geändert von starlight9688 (26.02.2015 um 09:03 Uhr)
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