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Alt 26.02.2006, 18:42
BettinaM BettinaM ist offline
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Registriert seit: 03.01.2006
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Standard AW: Du fehlst mir, und ich möchte von Dir erzählen

Es sind gerade "erst" 25 Tage, dass mein Lebensgefährte tot ist - und mir kommt es vor, als wäre es schon eine Ewigkeit.

Am 24.11.05 haben wir erfahren, dass die Schmerzen in der rechten Hüfte nicht etwa Arthrose war ... sondern ein 10cm großer Tumor, der schon fast die ganze Hüfte zerstört hatte.

Mit einem Schlag war dann auch klar, dass diese schmerzhafte Stelle am rechten Schulterblatt nicht etwa eine Verspannung war, sondern eigentlich auch ein Tumor sein musste.

Wir sahen uns an und ich dachte ... das war's. Gerade mal 53 Jahre hatte er, und noch nicht einmal 6 Jahre hatten wir gemeinsam.

"Willst du mich heiraten?" hat er mich gefragt, als klar war, dass es Krebs ist und ihm vermutlich klar wurde, dass er sterben wird. "Schatz," sagte ich "frag mich nochmal, wenn du wieder gesund bist, ok?"

"Unsere private Hölle" dauerte bis zum 1.2.06. Da ist er dann gestorben. An Lungenkrebs mit multiplen Knochenmetastasen. "Haben Sie sich das genau überlegt, Frau M... Es wird eine ziemliche Viecherei." Ja, ich hatte es mir überlegt, und es war ganz klar, dass er auf keinen Fall im Krankenhaus sterben würde. Es sollte zuhause sein, in unserem Schlafzimmer, mit unserer Musik, unserer Bettwäsche, unseren Katzen auf seinem Bett.

Mein "Bettelprinz", mein "Paradiesvogel", mein "Weihnachtsgeschenk". Er war einfach ein außergewöhnlicher Mann, mit Ecken, Kanten, Spinnereien. Er hatte klare Vorstellungen über die Dinge, die er für wichtig hielt - und hat es doch oft nicht geschafft, sie zu leben. In vielem ist er gescheitert - wirklich erfolgreich war er nicht, aber keine materiellen Dinge können wichtiger sein als das, was er war - ein Bettelprinz. Er liebte gestreifte Hosen, hatte immer irgendwo ein Zigarettenloch in seinen T-Shirts und war ein Virtuose als Programmierer - mein Paradiesvogel. Unser erstes Weihnachten war das erste Weihnachten, an dem ich mich wirklich wohl fühlte und an dem ich mich nicht fragte, warum Sinn des Festes und Wirklichkeit nicht zusammenpassen - mein Weihnachtsgeschenk.

Er konnte mich nicht mehr in den Arm nehmen - seine Arme waren durch die Tumore im Rücken, Brustkorb und der Wirbelsäule zu geschwächt. Er konnte mir nicht mehr sagen "ich liebe dich".

Dafür haben wir noch seinen Geburtstag hineinfeiern können. Seine Freunde drüben im Wohnzimmer, wir im Schlafzimmer. Um 12 haben sie ihm dann ein Ständchen gebracht. Am Abend des 29.1., seinem 53. Geburtstag, hat er dann offensichtlich beschlossen, dass es "jetzt reicht". Die Schmerzen wurden schlagartig stärker und stärker, und es dauerte nur noch 2 Tage, bis sein Körper aufgab.

Ich bin so dankbar, dass ich bei ihm war, als er starb, dass er nicht allein war oder eine fremde Schwester bei ihm war. Ich konnte seine Hand halten, ihm übers Gesicht streicheln und ihn als letzten Liebesdienst selbst waschen und anziehen.

Unsere Katzen lagen die Zeit, die er seine sterbliche Hülle noch zuhause war, bei ihm auf den Beinen oder dem Bauch, als wollten sie auf ihn aufpassen.

Er ist weg ... und ich muss mein Leben neu definieren. Ich habe Angst davor, morgen wieder arbeiten zu gehen, und doch muss ich, denn mein Leben geht weiter --- soll es auch.

Heute habe ich seine Liebesbriefe an mich gelesen, das erste Mal seit langer Zeit. Er konnte wunderbar schreiben - Gedichte, Briefe, Geschichten. So virtuos er programmieren konnte, so virtuos war er auch im Schreiben. Ein echter Ausnahmemensch.

Ich vermisse ihn schrecklich. Die Welt hat ein Loch. Und ich frage mich, wie man nach so etwas wieder ins Leben zurückfinden kann?!

Danke für deine Liebe, Mapcar, danke für alles und danke dafür, dass du mir "Leben" gezeigt hast.

Bettina
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