Thema: Yes I Can
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #11  
Alt 12.11.2009, 18:33
loewi loewi ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 31.08.2008
Beiträge: 245
Standard 7.märz 2009

ich habe derzeit so riesige probleme mit meiner betreuerin und habe jetzt beschlossen, ihr einen brief zu schreiben. begonnen habe ich mit einem kurzen text:

Wir alle stricken unser Leben- jeden Tag ein Stück weiter.
Die einen stricken liebevoll und sorgsam, man merkt, welche Freude es ihnen bereitet, ihr "Lebenswerk" zu gestalten.
Die anderen stricken mühevoll und ungern, man merkt, welche Kraft und Arbeit es sie kostet, "Leben" jeden Tag neu aufzunehmen.
Manche wählen ein kompliziertes Muster, andere ein ganz schlichtes.
Oft ist es ein buntes Maschenwerk oder aber ein Stück in tristen Farben.
Nicht immer können wir die Farbe selbst wählen und auch die Qualität der Wolle wechselt, mal weiß und flauschig weich, mal grau und kratzig.
Und öfter lässt man eine Masche fallen oder sie fällt ohne dein zutun und zurück bleiben Löcher und ein unvollständiges Muster.
Manchmal reißt der Faden und es hilft nur ein dicker Knoten. Wenn wir unser Leben betrachten, wissen wir genau, welche Stellen es sind.
Und oft geschieht es, dass einer sein Strickzeug in die Ecke wirft.
Es wird uns Menschen ein ewiges Geheimnis bleiben, wie viel Lebensfaden uns noch zu stricken bleibt.
Ich habe die Nadeln in meiner Hand, ich kann das Muster wechseln, die Technik oder das Werkzeug.
Nur aufribbeln kann ich nichts, auch nicht ein kleines winziges Stück.

Liebe Frau W.,
nach einem sehr langen Gespräch gestern mit der Psychoonkologin und auch mit Frau Gründler habe ich nachgedacht, und dann diesen Text geschrieben, da er nicht nur in meine derzeitige Lebenslage wunderbar passt, sondern auch passend für die Beziehung zwischen uns beiden ist. Ich merke seit spätestens nach der OP, aber auch schon vorher, dass mich unsere gemeinsamen Treffen stark verunsichern und das ist das, was ich gerade am allerwenigsten gebrauchen kann. Eigentlich fing es bei mir schon vor der OP an, denn Ihre Zweifel und Überlegungen, die OP nun so schnell durchführen zu lassen und noch eine und noch eine Meinung einzuholen, und und und haben mich sehr verunsichert. Und ich habe einen riesigen Respekt vor meiner eigenen Stärke, die ich meinen Eltern zu verdanken habe, dass ich auf mich gehört habe und diese Entscheidung zu diesem massiven Schritt gewagt habe. Denn genau dieser Schritt war es, der mir auf lange Sicht, das Leben gerettet hat. Ich habe es Ihnen bisher nicht gesagt, aber ich habe seitdem ein reichlich ungutes Gefühl, wenn wir uns treffen, eine Mischung aus Unbehagen und gleichzeitig Wut und erneuter Unsicherheit, was Ihre Gedanken zur weiteren OP angeht! Und Unsicherheit ist wie gesagt das, was ich gerade am Wenigsten gebrauchen kann.
Ich habe Vertrauen zu den Ärzten in der Uniklinik und werde vor allem weiterhin auf meine Stärke vertrauen.
Ich habe nicht vor, das Strickzeug in die Ecke zu werfen, doch um weiter mit dem Text zu sprechen, ist der Faden gerissen und ich muss ihn derzeit dick verknoten.
Ich habe die Nadeln in meiner Hand, ich kann das Muster wechseln, die Technik oder das Werkzeug.
Was für mich im Klartext bedeutet, dass ich es für besser halte, wenn wir unsere wöchentlichen Treffen erst einmal auf Eis legen, von mir aus gerne einmal die Woche telefonieren, aber nicht treffen. Es ist mir einfach zu viel. Ich muss nach diesem Schock wieder sicheren Boden schaffen. Und diesen Halt bekomme ich derzeit bei Frau Gründler und Herrn Dr. Frosch. Und um diesen sicheren Ort zu er-/behalten will ich auch nicht dieses gemeinsame Gespräch beim Dr. Frosch, zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt, genauso wie unser Treffen am Donnerstag, bevor ich meinen Termin in der Uniklinik habe. Denn ich brauche jedes noch so kleine Stück Stärke.
Liebe Frau W., ich möchte Sie bitten, es auf diese Weise zu akzeptieren, dass gemeinsame Treffen derzeit nicht gut sind für mich, zumindest so lange, bis ich meinen festen Boden wieder unter den Füßen gefunden habe. Denn derzeit habe ich auch nicht die Kraft für schwierige Gespräche. Und auch wenn Briefe nicht immer die beste Wahl sein mögen halte ich es in diesem Fall für durchaus legitim, denn im Moment muss ich einfach auf das gucken, was mir am besten tut.

C.S.

einige tage später hat der leiter des bewo das gespräch mit mir alleine gesucht und ich habe mal so meine punkte allesamt vorgetragen. ein gespräch zwischen ihr und mir gab es nicht mehr. ich habe nun eine neue betreuerin (super nett) und frau w. hat kurze zeit später beim bewo aufgehört. wie gesagt es war nie geklärt zwischen uns aber für mich ok
__________________
Mitfreude, nicht Mitleid, macht den Freund aus. (Nietzsche)
Mit Zitat antworten