[Natascha85]

Hallo Mama!

Es neigt sich eine Woche zu Ende mit vielen Emotionen. Es war zu Beginn eine sehr traurige Woche. Deine Trauerfeier habe ich immernoch vor Augen. Wie sie uns alle anstarrten und nicht wussten was sie sagen sollten. Dein Mann habe ich immernoch im Kopf. Wie ein Häufchen Elend saß er da. Wie ein Schuljunge, der nicht wusste wohin mit ihm. Werde morgen zu ihm fahren, weil er die Geburtsurkunde von mir braucht und da kann ich gleich nach dem Rechten schauen, ob er seine Medikamente nimmt. Natürlich darf er das Essen nicht vergessen. Wobei ich ihn gut verstehen kann. Mir ging es die letzten Monate nicht anders. Erst seit ich öfters hier bei meinem Schatz bin geht es einigermaßen. Dachte schon, dass ich irgendeine Störung hätte, weil ich das Essen erst gar nicht sehen bzw. riechen konnte. Du weißt Mama, bei Kummer schlägt mir immer alles auf den Magen. Ganz zu Schweigen von den Kopfschmerzen. Bin teilweise total ausgebrannt gewesen und wusste weder Ein noch Aus. Gerade dann warst du für mich da, als es dir noch gut ging. Weißt du das noch? Wie du sagtest "du musst stark sein". Wusste damals nicht genau was du damit meintest. Ob wegen Franzi oder wegen der angeknacksten Beziehung bzw. dann Trennung. Jetzt kann ich diese Worte genauer deuten. Ja, stark sein für das Danach. Ich versuche es Mama. Natürlich knicke ich Ab und An ein und könnte nur noch Heulen. Aber du hast uns Kinder stark gemacht und uns so gut es geht darauf vorbereitet. Auch wenn es fast nie direkt war, eher zwischen den Blumen. Jetzt erst werden viele Gespräche von uns klarer was du damit gemeint hast. Warum das Wohl deines Mannes immer für dich wichtiger war als unseres. Weil er so labil ist. Jetzt sehe ich das ganze Ausmaß. Du hast weiter gedacht, als wir alle erahnt haben. Du hast von Anfang an Bescheid gewusst und immer so getan, als wüsstest du von nichts. Ach Mama, manchmal frage ich mich warum du dich erst so spät mir gegenüber geöffnet hast. Aber auf der anderen Seite bin ich dankbar dafür, dass es überhaupt passierte. Du hättest auch stillschweigend einfach gehen können. Das wäre, so glaube ich, das Schlimmste für mich gewesen. Danke Mama. Dieser Morgen werde ich nie vergessen. Wie du es gesagt hast, wie dein Blick dabei war und wie du deine Kraft gesammelt hast um mich noch einmal an dich zu drücken. Diese Wärme, diese Liebe ein letztes Mal zu spüren werde ich nie vergessen. Ich weiß auch nicht. Auf einmal sind soviele Erinnerungen da wie was wann passierte. Auch meiner Schwester ergeht es so. Wir telefonieren viel und erzählen uns Geschichten von damals. Als wir uns noch ein Zimmer teilten und etliche Dinge anstellten. Ja, es war eine sehr sehr schöne Zeit. Du hast aus deiner Situation immer das Beste getan, damit es uns Kindern gut geht. Das allein macht mich als Tochter unglaublich stolz. Ich sehe es nun selbst wie es ist Mama zu sein. Es ist verdammt schwer immer das richtige zu tun. Das einzige was mir dabei hilft sind deine Worte "vertrau auf dein Gefühl" und bis jetzt fahre ich auch ganz gut damit. Naja, zumindest was meine Erziehung angeht. Deine Enkelin hat sich toll entwickelt und ist unser aller größter Stolz. Selbst Fremde, in der Straßenbahn z.B., sagen, dass sie ein sehr goldiges braves Kind sei. Das bestärkt mich sehr, dass ich auf dem richtigen Weg bin eine gute Mama zu sein. Zwar werde ich nie so toll wie du sein, aber hoffe, dass ich Franzi die Werte mitgeben kann, die sie in ihrem späteren Leben brauchen wird.