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Alt 10.11.2006, 11:00
Urs Urs ist offline
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Standard AW: Leben nach Nexavar (Sorafenib)

Liebe Nerie
Liebe Resala

Ihr beide habt auf verschiedene Weise kurz zum Eigenschaftswort „gläubig“ Aussagen gemacht.
Im Krebs-Kompass wird viel über Medikamente, Behandlungsmethoden und Verhaltensweisen geschrieben. Gegenseitig versuchen wir uns zu stärken, für uns selber Kraft aus den Erfahrungen anderer betroffener Menschen zu schöpfen. Wir brauchen diese Kommunikation und sind Menschen, indem wir uns austauschen.
Glaube und Gläubigkeit sind selten ein Thema. Darum spüre ich wohl auch manchmal Hemmungen, darüber zu schreiben.
Doch lasst mich ein paar Worte dazu sagen:
Ich scheue mich, mich selber als speziell gläubig zu bezeichnen. Ich würde eher sagen, ich versuche, wie das andere Menschen auch tun, mich mit den essentiellen Gedanken und Gefühlen eines Menschen auseinanderzusetzen.
Und, Nerie, wenn Du sagst, ihr seid nicht gläubig, so möchte ich antworten, es gibt in meinem Leben wenig Beispiele von Menschen die wirklich nicht gläubig sind. Es ist eher eine Frage des Standortes und der Ansprüche an sich selber, vermischt mit unserem modernen Denken der Qualifizierung und Quantifizierung von Eigenschaften, die zu einer solchen Selbsteinschätzung führen. Ich glaube sehr wohl, dass Du Dir sehr viele Gedanken zum Leben machst, Deine Gefühle durchforstest und auf diese Weise Deinen Weg gehst. Glaube ist ja immer zuerst ein Suchen nach Antworten auf die Lebensfragen. Früher oder später entdecken viele Menschen, dass dieser Weg zu Gott führt. Kurz gesagt: Glaube ist nicht erst im Erreichen eines Zieles fassbar, Glaube ist der Aufbruch zu diesem Ziel.
Und noch was: Bewahre mich vor „Gläubigen“, die alle Antworten kennen. Glaube ist schlussendlich auch die Anerkennung nicht beantwortbarer Fragen.
Warum schreibe ich solche Sachen überhaupt? In den letzten Monaten erlebte ich auch diese Achterbahn der Gefühle, suchte nach vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten und bin heute an einem Punkt angelangt, wo ich sehr starkes Vertrauen in meine Beziehung zu Gott setze. Ich spreche mit ihm, setze mich mit dem Leben, dem Sterben und dem Tod auseinander und spüre, dass er mir zuhört und mich ernst nimmt.
Ich empfinde mein Verhalten als aktiven Akt. Ich bin wirklich der festen Überzeugung, dass Gott in meinem Körper wirkt. So weicht die Angst vor Medikamenten, die eventuell nicht wirken könnten, vor dem Absetzen von Medikamenten, welches das Wachstum der Metastasen beschleunigen könnte.
Nur darf man meine Aussage nicht falsch verstehen. Ich sage nicht, dass Gott meinen Körper auf jeden Fall heilt. In der Mehrzahl der Fälle müssen wir wohl sterben. Was will ich mir anmassen, Gottes Ratschluss in Frage zu stellen.
Was er in jedem Fall tut, er heilt meine Seele.

Ich bin dankbar, dass ich mich Euch gegenüber äussern darf.

Liebe Grüsse
Urs
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