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Alt 08.02.2005, 11:03
Gast
 
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Standard Erfahrungen mit Selbsthilfe- und Trauergruppen

Lieber Peter,

ich habe mir die empfohlene Seite angesehen, kannte sie auch schon. Allerdings wurde mir dabei wieder etwas deutlicher, woher meine Berührungsangst eigentlich wirklich kommt. Im Grunde habe ich keine Angst, bei einer Selbsthilfegruppe mitzumachen. Ich habe eher Angst, dort auch wieder ein kleiner Alien zu sein, weil ich weder meinen Mann noch mein Kind verloren habe, sondern "nur" meinen besten Freund. Klingt bescheuert, aber alle Angebote schrecken mich ab, weil sie so fürchterlich spezialisiert oder auf den intimsten Kreis beschränkt sind!

Dazu kommt, dass ich eine ähnliche Erfahrung auf unserer Palliativstation gemacht habe: Mein bester Freund wurde umsorgt von seinen Eltern, seinem Freund (schwul) und mir. Wir waren wochenlang da. Für seinen Freund und mich bedeutete das, wochenlang in einer anderen Stadt herumzulungern. Ich war ebenso wie sein Freund die fünf Wochen des Sterbens an der Seite meines besten Freundes, im Grunde sogar länger. Habe danach seine Beerdigung mit organisiert, um seinen Eltern Last abzunehmen. Habe auf der Trauerfeier eine Rede gehalten! Die gesamte Belegschaft der Palliativstation war da. Die haben mich jeden verdammten Tag gesehen. Haben gesehen, wieviele Nerven ich an diesem letzten Tag gelassen habe, da vor 150 Leuten zu sprechen.

Aber Peter, glaubst Du, ein einziger von den Krankenhaus-Leuten hätte mir Hilfe angeboten? Eltern und Freund haben tausendmal gesagt bekommen: Kommt doch vorbei wenn ihr reden wollt, blabla. Und ich? Ich hatte in der ganzen Geschichte die beschissenste Position. Als beste Freundin musste ich Pseudo-Freundin vor der Trauergemeinde spielen, weil das Schwulsein vertuscht werden sollte, auf der Station aber hatte ich überhaupt keinen Status, weil ich kein direkter Angehöriger im engsten Sinne war. Einfach negiert haben die mich!

Nun bin ich ohnehin nicht mehr in meiner Heimatstadt, wo sich das alles abgespielt hat, sondern in Berlin, wo ich lebe. Ich müsste mir also sowieso etwas Neues suchen. Diese Erfahrung schreckt mich allerdings deutlich ab.

Liebe Grüße,

jabka
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