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Alt 02.03.2004, 23:50
Gast
 
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Standard Unterstützung des Forums

Lieber Martin,

na, Du sprichst sicher manchen aus dem Herzen, die keine sachlichen Diskussionen mögen, weil sie so pingelig genau und nur mit Argumenten geführt werden müssen: „Und statt sich zu freuen und alles einfach nur einmal positiv zu sehen wird wieder einmal versucht alles in Frage zu Stellen oder gar auseinanderzuflücken. Habt ihr euch denn auch schon einmal gefragt wer eure Daten alle hat?? Und was daran eigentlich noch geheim ist?? Und unser KK ist jetzt der Auslöser für einen eventuellen Datengau???“

Ich freue mich, Martin. Aber deshalb muss ich weder meinen Verstand abschalten noch den Versuch unterlassen, eine Änderung so zu begleiten, dass sie einwandfrei geregelt wird. Allgemeine Floskeln über die schlimme Internetwelt sind da ebenso wenig hilfreich wie die Unterstellung, hier sehe jemand einen eventuellen „Datengau“.

Ich habe langsam den Eindruck, hier sei nur nett und lieb und knuddelig zu sein gefragt, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen und zu bestätigen. Dass die intensivste und auf Dauer nützlichste Art der Unterstützung nicht kritikloser Beifall ist, sondern kritische Begleitung, ist wohl schwer zu verstehen.

Zu Deinen allgemeinen Bemerkungen, lieber Martin, die ja zu keinem konkreten Punkt der Diskussion Stellung nehmen, ausnahmsweise mal eine persönliche Anmerkung:

Ich habe durch meine berufliche Arbeit, durch meinen Kontakt zum Medizinbetrieb und in rund 25jähriger Tätigkeit als Betriebsrat reichlich Erfahrung mit dem Umgang personenbezogener und personenbeziehbarer Daten gewonnen. Ich kenne die Daten-Sammelwut von Arbeitgebern und öffentlichen Einrichtungen, ich sehe die Diskussion über das Sammeln von personenbeziehbaren Einkaufsdaten in Supermärkten, den Drang, möglichst alle Menschen auf öffentlichen Straßen und Plätzen video-überwachen zu wollen, und den Missbrauch von Daten, die bei der Nutzung des Internets anfallen. Ich bin kein Experte für all diese Fragen, und vielleicht kennst Du, Martin, ja das eine oder andere deutlich besser als ich. Aber auch auf die Gefahr hin, dass Tina NRW nun noch einmal etwas von „Selbstdarstellung“ schreibt, sag ich’s mal so: Nachdem ich für einen 3000-Beschäftigten-Betrieb Betriebsvereinbarungen zu Datenschutz, Netzwerk, Softwareeinsatz, Firewall, Internet- und Intranet-Nutzung und ähnlichem verhandelt habe, rede ich – salopp ausgedrückt – zumindest nicht wie ein Blinder von der Farbe.

Wie wenig Datenschutz im Bewusstsein vieler Menschen verankert ist, solange sie nicht direkt selbst betroffen sind, habe ich an vielen Stellen erfahren. Ein Erlebnis war vor einiger Zeit ein Besuch bei einem Hautarzt, wo ich Zeuge dieser Szene wurde: Ein junger Mann stand vor mir an der Anmeldung, dem Bildschirm der Arzthelferin direkt gegenüber, nur gut einen Meter entfernt. Auf dem Bildschirm war eine Patientendatei aufgerufen, und die Arzthelferin ging weg, ohne die Datei zu schließen. Als sie wieder kam, wies der junge Mann auf die geöffnete Datei auf dem Bildschirm hin, und die Arzthelferin sagte leicht schnippisch, das würde doch nichts machen, schließlich würden sich die Patienten doch nicht kennen, und was sollte jemand damit auch schon anfangen. Na ja, sagte der Mann, die Frau X da wohnt zufällig zwei Häuser weiter, und ob es ihr so recht ist, dass ich jetzt weiß, dass sie eine Scheideninfektion hat, bezweifle ich doch sehr. Ich muss nicht weiter schildern, was dann weiter geschah, das Beispiel soll nur zeigen, wie lax man oft mit den Daten anderer umgeht, dass es aber im konkreten Fall doch anders aussieht, wenn man selbst unversehens betroffen ist.

Was ich nicht weiß und wahrscheinlich auch sonst niemand von den einfachen Teilnehmern hier: Sehen die Moderatoren auch, welche Seite vor dem KK besucht wurde? Viele kommerzielle Betreiber nutzen solche Informationen für ihre Zwecke – aber eine solche Information könnte natürlich auch zu Diffamierungen missbraucht werden.

Es gibt eine Grundregel für Eheverträge: Man muss sie abschließen, solange man sich versteht. Genauso ist es mit dem Datenschutz und klaren Regeln für alle Beteiligte: Natürlich kann man erst einmal jedem vertrauen – aber wenn mal ein einziger das Vertrauen missbraucht, nennt man es einen Skandal, wenn man vorher keine Schutzregeln formuliert und durchgesetzt hat, und alle dann Betroffenen schreien auf. Es ist also nicht im Geringsten boshaft oder miesmacherisch oder freudlos oder ans Bein pinkeln wollend, wenn man sich JETZT Gedanken über diese Themen macht, und nicht erst, wenn etwas schief gelaufen ist.

Lieber Martin:

Was mich stört, ist nicht, wenn jemand begründet anderer Meinung ist als ich. Und wenn mir jemand nachweist, dass ich eine Frage falsch gestellt habe oder dass ein Argument Fehler enthält, dann danke ich ihm, dass er so aufmerksam mitgedacht und meinen Fehler bemerkt hat. Was mich stört, ist, dass schon das Nachfragen und Argumentieren an sich als unbotmäßiges Verhalten gesehen wird – warum freuen wir uns nicht einfach und bewundern das Positive?

Trotz vieler schlechter Erfahrungen setze ich darauf, dass Argumente und sachgemäße Fragen etwas bewirken können – nebenbei vielleicht sogar, dass ich bei Dir und ein paar anderen nicht nur als störend empfunden werde.

Für Marcus gilt diese Antwort natürlich auch.

Liebe Grüße,

Christian H.
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