Thema: Rezidiv
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Alt 10.09.2014, 00:08
sebastian1811 sebastian1811 ist offline
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Standard AW: Rezidiv

Hi

Ich heiße Sebastian und bin 23 Jahre alt. 2001 wurde nach 2 Jahren fortwährender Beschwerden, mal mehr mal weniger, ein Ewing Sarkom im rechten Calcaneus (Fersenbein) diagnostiziert. Ich war damals 10 Jahre alt. Meine Beschwerden vorher waren Schmerzen beim Auftreten, am Schluss konnte ich morgens kaum laufen, an manchen Tagen war es aber auch besser. Mir wurde 2x gesagt es seien Wachstumsbeschwerden. Als es dann aber immer schlimmer wurde habe ich von meiner Hausärztin zum Ende des 4. Schuljahres Blut abgenommen bekommen. Als die Ergebnisse kamen und gemerkt wurde dass da mehr dahinter steckt wurde ich wenige Tage später im Ortenauklinikum in Offenburg operiert und eine Probeentnahme wurde durchgeführt. Knapp eine Woche später kam dann die Diagnose Krebs. Der Tumor war fast so groß wie ein Tennisball, das komplette Fersenbein war betroffen. Gott sei dank hatte ich zu dem Zeitpunkt des Entdeckens keine Metasthasen. Ich war noche in Kind und hab vieles nicht so recht verstanden. Doch für meine Familie war es die Hölle. Noch am selben Tag kam ich nach Freiburg in die Kinderklinik in die Onkologie. Ich bekam dann innerhalb eines Jahres 5 Chemos, dann eine OP in Münster und danach nochmal Bestrahlung und 5 Chemos. Die OP war im Januar und das komplette Fersenbein musste raus. Mein rechter Fuß wurde dann umgebaut. Der Knöchel rutschte nach unten und das ganze wurde mit 4 Titanschrauben versteift, heißt Fußgelenk im 90 Grad Winkel. Nach einer Woche kam das Ergebnis der Probeanalyse. Die Chemo hatte kaum angeschlagen und es waren noch sehr viele Tumorzellen vorhanden. Die Ärzte rieten dazu den Fuß abzunehmen aber ich war jung, dumm und naiv. Ich wollte meinen Fuß behalten. Koste es was es wolle. Und das kostete mich beinahe das Leben. Es wurde nach einer alternativen Lösung gesucht und ich wurde deshalb bestrahlt. Das Bestrahlfeld lag 5-10cm über dem Fuß und ging fast bis zu den Zehen. Es ist heute noch sehr gut sichtbar, da dort keine Haare wachsen und die Haut trockener ist. Soweit ich weiß war dies das erste Mal dass diese OP so in Münster, den Experten für Ewing Sarkome durchgeführt wurde. Durch die Bestrahlung wuchs dann mein Fuß und mein unteres Schienbein nicht mehr richtig weiter. Heute habe ich links Schuhgröße 43 und rechts ca. 35. Im Juni 2002 galt ich als "geheilt". Die Chemo war um und der Krebs war besiegt. Seither bin ich Rückfall frei. Ich gehe regelmäßig zu meinen Nachuntersuchungen, die Intervalle liegen mittlerweile bei einem Jahr, was mir allerdings zuviel Zeit dazwischen ist. Ich lebe immernoch täglich mit der Angst rückfällig zu werden. Das komplette 5. Schuljahr bzw. die fünfte Klasse hab ich übersprungen und bin direkt in die sechste Klasse eingestiegen. Das war ein Fehler. Ich kam von der Grundschule und war brutal gut und danach fiel mir vieles sehr schwer. In der neunten hat es mich dann gekostet und ich musste wiederholen. Am Ende habe ich aber dann doch mein Abi gemacht und studiere nun. Meine Schuhe sind rechts immer eine Spezialanfertigung, ich habe nun eine Beinlängendifferenz von rund 5cm. Das wird mit Schuherhöhung und Einlagen ausgeglichen. Damit kann ich leben, bis darauf dass ich humple durch die Abrollbewegung und das nicht vorhandene Fußgelenk, die brutalst dünne Wade rechts kann ich mich kaum beklagen. Ich versuche mich halbwegs gesund zu ernähren, ich rauche nicht und ich versuche nicht übermäßig Alkohol zu trinken. Was in der Pubertät und den Jahren darauf nicht immer geklappt hat
Man sagt ja bei Ewing Sarkom ist man nach 8 Jahren ohne Rückfall geheilt. Diesen Zeitpunkt habe ich bereits überschritten und hoffe das bleibt so. Doch die Angst ist mein ständiger Begleiter. Der Krebs hat mein Leben verändert, ich sehe gewisse Dinge anders als andere. Zum Beispiel vieles nicht so eng. Da wird auch mal eine Vorlesung geschwänzt...
Die Beinlängendifferenz hat sich noch nicht auf meinen Rücken ausgewirkt sprich keine Schmerzen wegen Beckenschiefstand oder so. Ich will es nicht beschreien aber da wird sicher irgendwann etwas kommen.
Medizinisch habe ich mich sehr gut versorgt gefühlt. Die Betreuung der Uniklinik Freiburg, allen voran mein Arzt Dr. Jörg Meerpool und Prof. Dr. Niemeyer waren sehr gut. Auch der Oberarzt Dr. Kontny, welcher seit diesem Jahr in Aachen ist und auch seit einigen Jahren Professor war sehr gut zu mir. Bei ihm hatte ich die letzten Jahre meine Nachuntersuchungen und Gespräche in der "Sarkom Sprechstunde" der Uni Freiburg. Auch von den Experten unter dem Team von Prof. Dr. Winkelmann in Münster habe ich mich sehr gut betreut gefühlt, auch die ersten Jahre nach meiner OP wo ich dort zur Nachsorge war. Mir wurde anfangs gesagt dass ich die Sportart und mein Lebenselixier, dem Handball, nicht weiter nachgehen werden könne. Das habe ich allerdings nur ein paar Jahre geschafft und seither bin ich bis heute voll dabei. Es birgt zwar ein gewisses Risiko aufgrund meiner Osteoporose nach der Bestrahlung, also der Knocheninstabilität, aber bisher ist nie etwas passiert. Und das ausüben zu können bedeutet für mich auch ein Stück Lebensqualität.
Es ist das Erste mal dass ich mich so öffne und es tut gerade echt gut. Ich hoffe ich kann vielen die Angst nehmen und auch Mut machen. Es lohnt sich zu kämpfen. Die Therapie war echt hart damals, ich war verwöhnt und habe die ganze Woche über nichts gegessen während ich die Chemo bekam. Wurde flüssig ernährt. Weil durch das Mensa, so schreibt man das glaube ich, das Essen ungenießbar war. Wie gesagt ich war jung und dumm und das hätte mich auch beinahe das Leben gekostet. Pro Block nahm ich zwischen 5 und 10 Kilo ab und das war mit knapp 30 kg Körpergewicht sehr gefährlich. Heute würde ich wohl vieles anders machen, mich weniger dumm anstellen und weigern Dinge anzunehmen. Wahrscheinlich würde ich heute sogar meinen Fuß opfern. Alleine um meinen Mitmenschen nicht die Sorgen zu bereiten die ich ihnen damals gemacht habe.

LG Sebastian
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