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Alt 24.08.2022, 20:24
Benutzerbild von Martina2015
Martina2015 Martina2015 ist offline
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Standard AW: Oh mein Gott ! Kleinzeller Stadium IIIB bei meinem Lebensgefährten

Vielen lieben Dank für eure lieben Worte.

Jetzt sieht es so aus: mein Mann hat seit Dezember 2021 Pflegegrad 4 und auch die Schwerbehinderung ist unbefristet 100% mit Kennzeichen "H" für hilflos. Wer sich etwas auskennt, kann nachvollziehen, was das heißt.

Schleichend musste ich immer mehr übernehmen, was er sonst noch konnte. Z.B. Frühstücksbrot schmieren. Früher hat er immer noch Kaffee gekocht, fand ich super, da strömte der Kaffeeduft durchs Haus. Das ist schon lange nicht mehr so, seit er eines morgens in der Küche lag und nicht mehr aufstehen konnte und ich total froh war, dass er sich nicht verbrüht hat.

Seit meinem letzten Eintrag war er so gut wie nicht mehr draußen, sein Radius wurde immer kleiner und bewegte sich zwischen Pflegebett und Tisch im Wohnzimmer und der Toilette. Im Obergeschoss war er trotz Treppenlift sicher mehr als 9 Monate nicht mehr.

Ab und zu kam schlimmer Durchfall dazu, da er sich nicht mehr selbst richtig waschen kann habe ich das gemacht. Das einzige, was neben Essen noch zusammen ging, war Fernsehen. also haben wir jeden Abend was gestreamtes geguckt. Was macht man auch sonst beim Lockdown ? Haben diejenigen, die uns Treffen mit Freunden verboten haben, mal an pflegende Angehörige gedacht, die zusammen mit dem Pflegebedürftigen monatelang zuhause hocken ? Meine Psyche war ziemlich im Keller, weil mir die Auszeiten fehlten.

Aber unser lieber Schäferhund hat mir positive Energie gegeben und mit der Freundin habe ich mich mitten im Winter im Garten mit dicker Decke und Pizza und Bierchen getroffen. Weihnachten kamen meine Eltern und ich habe für sie gekocht, obwohl ich viel lieber auch selbst mal bedient werden wollte.

Mit der einzigen Tochter ist es wieder mal schwierig, sie war krank, was wir ja nicht wussten wegen Kontaktsperre. Aber auch nicht schon 2018, jetzt wird natürlich alles auf die Krankheit geschoben. Als ich sie gebraucht habe, war sie nicht da und ich bin wohl unsterblich und werde nie krank. Von wegen, sowohl mein Mann als auch ich hatten Corona im August. D.h. ich musste trotzdem ich selbst krank war alleine Mann, Hund und Haushalt versorgen, wir wollten ja keinen anstecken. Ganz grosses Kino.

Schon vorher hat er tageweise nur im Pflegebett verbracht und dann stand er nur noch für unvermeidbare Toilettengänge auf. Urinflaschen sind seit Jahren griffbereit vorhanden, aber das hat dann auch tw. nicht gereicht.

Ende vom Lied, er war total inkontinent und bettlägerig. Er hat viel zu wenig gegessen und getrunken. Das habe ich eine Zeitlang mitgemacht und dann kam er ins Krankenhaus. Die haben ihn nach einer Woche wieder entlassen, er hatte einen guten Appetit entwickelt und sogar ein kleines Bäuchlein gekriegt.

Am nächsten Morgen hat er keinen vernünftigen Satz zustande gebracht, aber verstanden, was ich sage. Nach einiger Zeit haben ich den Notarzt gerufen, seitdem ist er im Krankenhaus. Es gab einige Untersuchungen und es gibt noch den Verdacht auf "paraneoplastisches Syndrom", also Nebenwirkungen eines neuen Tumors. Die Symtome sprechen dafür. In ein paar Tagen wird eine Bronchioskopie gemacht mit anschliessendem Labor. Dann wissen wir mehr.

Ich habe für mich entschieden, dass mit der Bettlägerigkeit, der Inkontinenz und der demenziellen Aussetzer für mich jetzt der Punkt erreicht ist, wo es nicht mehr in der häuslichen Pflege geht. Das ist verdammt hart und ich habe auch das erste mal seit langem geweint. Er fragt, wann er wieder nach hause kommt. Ich sage, Du gehst erstmal in die Kurzzeitpflege. Dann sehen wir weiter.

Kurzzeitpflegeplätze in der Nähe sind nicht zu kriegen. Da ich einfach nicht mehr kann nach über 7 Jahren Pflege und Begleitung und selbst bald 64 Jahre alt werde, ist es mir mittlerweile egal, wohin er kommt. Hauptsache nicht mehr zuhause. Ich kann es einfach nicht mehr, bin total ausgelaugt und habe wohl schon lange meine Grenzen überschritten, ohne es zu merken.

Da Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung usw. lange schon vorhanden sind, ich meinen Mann seit über 40 Jahren kenne und liebe, werde ich das beste für ihn entscheiden. Sollte er wirklich ein Rezitiv haben, werde ich ihm von einer weiteren Chemo abraten. Dazu ist er zu geschwächt und würde ihm nicht helfen. Die Verantwortung ist riesig.

Meine Eltern leben noch und hören mir zu, sie hatten dieses Jahr eiserne Hochzeit. Darüber bin ich froh.

Soweit für heute.
Viele liebe Grüße an euch alle da draussen
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mein Mann - Kleinzelliges Bronchialkarzinom T4NXM0 ED 01/2015
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