Thema: Auf und ab
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Alt 02.11.2008, 18:21
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Simon_der_Zauberer Simon_der_Zauberer ist offline
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Standard Auf und ab

Am 24. Oktober 2005 begann es. Diagnose Osteosarkom.

Dann gabs ne PE um zu schauen welches es genau ist - dann nen Port, zwischen vor Weihnachten die erste Chemo, zwischen Weihnachten und Sylvester 2005 fielen die Haare aus.

Im Februar 2006 wurde ich operiert. Knapp unter der Hüfte im Oberschenkel wurde der Knochen ersetzt, bis runter Mitte Schienbein, samt Kniegelenk.
So radikal wie möglich, damit das Ding über dem Knie auf jeden Fall weg ist.

OP erfolgreich.

Nach einer Infektion im April wurde die Titanprothese wieder rausgebastelt, Platzhalter rein, Platzhalter raus, neue rein. Danach ne Muskelverpflanzung vom Latissimus auf den Oberschenkel. Den Muskel angeschlossen - und ich kann ihn dort super bewegen! Er hilft mir jetzt beim Laufen.

Nach 2 Monaten Chemopause, wegen den OPs gings weiter - bis zum 02.09. Dann war Feierabend mit Chemos.

Therapie erfolgreich abgeschlossen, Chemo hat gut angeschlagen. Alles wunderbar.

Im März 2007 ne Reha und seit August 2007 mache ich nun die Ausbildung zum Erzieher weiter.

Ich kann laufen, ich hab mein Bein behalten können, ich nehme keine Schmerzmittel mehr, ich mach ne Ausbildung, ich gehe ins Fitnessstudio und treibe Kraftsport, ich fahre Motorrad, ich habe meine Traumfrau getroffen und bin mit ihr zusammen, ich habe eine wundervolle Familie die mich unterstützt ... ich hab doch gar keinen Grund zu jammern?!

Seit Anfang 2008 bin ich in Psychotherapeutischerbehandlung.
Diese hat eine ganze Menge gebracht. Ich kann nun bedeutend besser damit umgehen und darüber reden.

Heute ... sitz ich hier im Zimmer, höre laut Musik und könnte den ganzen Tag heulen.
Ich hab Tage, da hab ich einfach keinen Bock mehr. Es muss nur das falsche Wort, am falschen Tag fallen und der dieser ist gegessen.

Ich habe jeden Tag sehr viel um die Ohren. Menschen, Ablenkung.

Diesen Monat ist mal wieder eine der Nachsorgeuntersuchungen. Ich träume, 4 Wochen vorher, jeden Tag davon wie ich wieder im Krankenhaus liege, wie sie mir mein Bein wegnehmen, wie mein Leben den Bach runtergeht.

Je schöner mein Leben wird, umso mehr Angst bekomme ich.

Heute morgen fing der Tag super an. Heute Mittag war er gelaufen.
Bin völlig antriebs- und kraftlos. Fühle mich als wenn ich ne Chemo hinter mir hab. Fix und fertig. Keinen Bock auf nix und niemanden.

Ich versuche dann Sachen wie: gute Laune Musik, was leckeres Essen, ne Runde rausgehen, am Mopped basteln ... Sport zum Abreagieren.
Klappt manchmal. Leider nicht immer.

Ich möcht hier niemandem die Ohren voll jammern, nur frage ich mich oft:
wie gehen andere damit um? Gibts da nen Trick, den ich noch nicht rausgefunden habe?

Diese "Tage" kommen 3-4 Wochen vor den Untersuchungen. Auf einmal wach ich nach nem Albtraum nachts auf und bin schweißgebadet.
Die Themen sind immer gleich. Untersuchung mit neuer Diagnose, Tod von mir oder eines Fam. Mitgliedes.
Manchmal wach ich mit Tränen in den Augen auf und weiß nicht warum. Im Laufe des Tages wird mir der nächtliche Traum dann wieder bewusst.
Dann ists klar, warum der Tag so begann.

Ich dachte der Psychoterror hört irgendwann mal auf. Klar dass man über das nicht "hinwegkommt" - sondern damit irgendwann "nur klarkommt".

Das Leben ist geil! Solange man diese "Leichtigkeit" leben kann.
Dieses Gefühl - mir kann eh nix passieren. Das Gefühl, was man im Alter von 22 eigentlich noch sehr lange haben sollte.
Diesen Verlust betrauer ich ziemlich.

Warum ich das hier alles hinschreibe? Gerade im Moment hilft es mir meine Gedanken aufzuschreiben.

Ich mache hier jetzt nen Punkt - geh zu meiner Freundin, mache Abendbrot und lass mich mal drücken.
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Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum


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