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Alt 21.03.2023, 08:03
frankfurt100 frankfurt100 ist offline
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Standard AW: Hodenkrebs Stadium IIIa mit 17 Jahren

Huhu,

sorry, dass ich bis jetzt nicht dazu kam zu antworten. Ich lerne aktuell gefühlt nur noch. Schreibe am 20.04 meine erste Abiklausur.
Zu den Fragen...
Ich hatte einen nicht-senimösen Keimzelltumor mit Anteilen eines Teratoms sowie vermuteten Anteilen eines embryonalen Karzinoms und Dottersacktumors. Insgesamt lautete die TNM-Klassifizierung: pT2 cN3 M1a L1 V1 Pn0 R0
Meine Mutter hat natürlich geschockt reagiert und konnte Nächte nicht schlafen. Was mein Umfeld in der Schule angeht....
Ich habs direkt am gleichen Abend (Morgen -> 2 Uhr früh) in eine Gruppe auf Whatsapp reingeschickt, weil wir kurz darauf eigentlich ein Treffen geplant hatten. Jemand aus dieser Gruppe sorgte dann dafür, dass es in meiner Stufe nur 2 Tage später jeder im Grunde wusste. Letztendlich nicht so schlimm, weil ich hab vom ersten Tag an kein Geheimnis drum gemacht.
Schlecht reagiert hat niemand. Aber man hat denen ihre besorgten Blicke schon angesehen. Drauf ansprechen macht bei sowas natürlich niemand, weil man sich natürlich fragt: Wie geht man sowas an?
Ich muss ehrlich gestehen.... Mich hat das Mitleid, was von allen Seiten kam ziemlich genervt. Ich wollte einfach trotz meiner Erkrankung normal behandelt werden, aber das ging nicht mehr.

Die Sache mit der Erstdiagnose ist find ich ziemlich dumm gewesen bei mir... Ich hab gemerkt: Irgendwas fühlt sich am Hodensack seltsam an. Die linke Seite ist vergrößert. Nach ner Zeit kamen Schmerzen in der Leiste hinzu. Bei der Größe des Hodens dachte ich mir: Jo.... hast halt irgendwas, vielleicht ne leichte Verdrehung oder so und das geht wieder weg. Die Leistenschmerzen hab ich als Rückenschmerzen abgetan. Da ich ein recht großer Mensch bin, sind Rückenschmerzen bei mir nichts neues.
Dann kam noch dazu, dass man bei G8 in der Oberstufe vom Gymnasium ziemlich eingespannt ist. Das hats noch erleichtert, es bedeutungslos abzutun. Schließlich hätt ich ja Unterrichtszeit verpasst um zum Arzt zu gehen.
Am Abend vom 03.07 wurden die Schmerzen dann aber so schlimm, dass ich zu meiner Mutter gesagt habe: Jetzt müssen wa ins Krankenhaus.
Dass da ein Zusammenhang besteht zwischen Hoden und Rücken hab ich dann da erfahren.
Das ist was, was ich jetzt fürs Leben gelernt hab.... Ich schieb nen Arztbesuch nicht mehr auf die lange Bank. Und wenn ich dann halt umsonst beim Arzt war, hat der eben sich leicht die 30€ von der Krankenkasse verdient. Aber ich bin zumindest auf der sicheren Seite.

Das mit der 11x12x6cm Metastase find ich echt krass!

Eine Sache will ich noch erwähnen....
Ich find beim Thema Krebs ist eines absolut wichtig: Man muss auf seine mentale Verfassung achten! Wenn die stimmt, ist schon mal eine ganz wesentlicher Grundstein für die Heilung da. Ich habe am Beginn des ersten Zyklus auch ein Gespräch mit dem Psycho-Onkologischen-Dienst gemacht. Einfach um zu schauen, ob alles ok ist. Geholfen hats mir ehrlich gesagt nicht wirklich. Aber ich hatte dann zumindest ne Meinung von ner Medizinerin, was meine mentale Gesundheit betrifft.
Insgesamt hab ich während der Chemo gemerkt, wie wenig man doch sein alltägliches Leben zu schätzen weiß.... Man geht zur Arbeit/Schule, geht nach Hause, schläft, geht wieder zur Arbeit/Schule....
Aber während meiner Behandlung hab ich mir nichts mehr gewünscht als das wieder zu haben. Ich bin davon überzeugt, dass mir das am Ende den Arsch gerettet hat, dass mein Körper mit der Chemo so gut klargekommen ist. Der Kopf kann den Körper maßgeblich beeinflussen.
Deswegen bin ich der Ansicht, was Reha betrifft:
Wenn man wirklich Strapazen hinter sich hatte und körperlich schwach ist: Machen! Unbedingt!
Ansonsten möglichst schnell wieder in den Alltag zurück.
Ich habe direkt schon nach der Orchiektomie eine Reha angeboten bekommen. Im Verlauf der Behandlung noch weitere 4x. Ich habs jedes Mal abgelehnt.
Die beste Reha war und ist für mich der Alltag. Ich will mich einfach nicht noch mehr mit dem Thema auseinandersetzen müssen, als es wirklich sein muss.
Ein weiteres Argument war....
Die Anzahl der Standorte, wo man unter Gleichaltrigen ist (ich war 17 Jahre alt), ist nicht grad hoch.... Wenn ich mit Menschen zusammen gewesen wäre, die meine Eltern sein könnten, hätte ich das auch als nicht angenehm empfunden.

Geändert von frankfurt100 (21.03.2023 um 08:07 Uhr)
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