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Alt 20.01.2008, 23:11
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Ily Ily ist offline
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Standard AW: Du fehlst mir, und ich möchte von Dir erzählen

Mein liebster Peter,

am 08.11.2007 musstest Du mich verlassen. Du wolltest es nicht, aber Du hattest leider keine Wahl.

Sommer 2003. Nach 1 ½ Jahren Wochenendbeziehung wirst Du nach M versetzt, wo ich lebe. Wir planen unser gemeinsames Leben.

Ende 2003 tritt Heiserkeit auf, die nicht besser wird. Der HNO-Arzt stellt einen Belag auf den Stimmbändern fest, der auch mit Medikamenten nicht weg geht. Im Januar 2004 die Diagnose: Stimmbandkarzinom (Ich war seltsamerweise gar nicht so erschrocken: durch die Heiserkeit wird der Krebs frühzeitig erkannt; Heilungschancen 80 – 90%!). Im Februar Laseroperation. Kontrolle im April: Rezidiv. Im Mai erneute Laseroperation. Erste Kontrolluntersuchung: alles o.k.; zweite Kontrolluntersuchung: erneutes Rezidiv. Der Arzt rät dringend, den Kehlkopf entfernen zu lassen.
Wir sind am Boden zerstört. Meinem kontaktfreudigen Peter soll die Stimme genommen werden!
Am 12.10.2004 heiraten wir, am 19./20.10. ist der Umzug in das neue Haus, am 26.10. wird Dir der Kehlkopf entfernt. Es folgt ein achtwöchiger Krankenhausaufenthalt, da sich eine Fistel gebildet hat. Kurz vor Weihnachten kann ich Dich endlich nach Hause holen.
Du bist todunglücklich über deine neue Stimme (Stimmprothese). Trotzdem war 2005 – rückblickend gesehen – ein gutes Jahr (natürlich mit Problemen, z.B. war die Prothese im Juli undicht – aber trotzdem).
Im Dezember treten bei Dir Schluckbeschwerden auf, der HNO-Arzt (Uni-Klinik) verschreibt Antibiotika. Es wird nicht besser, erneuter Arztbesuch im Februar. Der Arzt kann nichts entdecken; er meint, Du wärest wohl „sehr anspruchsvoll“. Mitte März geht es mit dem Reden nicht mehr so gut; Eintrag im Nachsorgekalender: kein Anzeichen für ein Rezidiv. Ende April kannst Du zeitweise gar nicht mehr sprechen; jetzt endlich wird genauer untersucht. Ergebnis: Rezidiv am Zungengrund!
Im Mai 2006 Operation, anschließend Bestrahlung (eine schlimme Zeit; Gewichtsverlust 15 Kilo) und gleichzeitig Chemo (die Du aber gut vertragen hat). Abschluss der Behandlung Anfang August, verbunden mit der Hoffnung, dass es langsam wieder aufwärts geht.
Mitte Oktober Kontrolle: Verdacht auf erneutes Rezidiv. Eine Biopsie bestätigt diesen Verdacht nicht; der Arzt meint aber, dass es so tief sitzt, dass man die Krebszellen durch die von außen durchgeführte Biopsie nicht erwischt hat (laienhaft ausgedrückt). Er schlägt Chemo vor; vorher soll ein CT von Lunge und Bauchraum durchgeführt werden. Sechs Tage vorher erleidest Du einen Blutsturz; Dir wird die linke Lunge komplett entfernt – Metastasen!
Kurz vor der Entlassung ist plötzlich die Stimmprothese verschwunden - zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit (beim ersten Mal steckte sie in der Lunge). Wahrscheinlich hatte sich durch die Bestrahlung das Gewebe so verändert, dass sie nicht mehr fest genug saß. Es wurde Dir geraten, das Loch, wo die Prothese eingesetzt war (Verbindung zwischen Luft- und Speiseröhre) zu verschließen. Dies gelang erst im dritten Anlauf, indem der rechte Brustmuskel zum Hals heraufgezogen und dort angenäht wurde (sehr schmerzhaft!).
Seit dieser Operation Anfang Januar 2007 hast Du keinen schmerzfreien Tag mehr erlebt.
Durch diese Operation hatte sich wieder eine Fistel gebildet. Zweiwöchiger Krankenhausaufenthalt im Februar. Ernährung seitdem über Magensonde. Im März Lungenentzündung – erneut Krankenhaus. Dort wurde uns mitgeteilt, dass man in Lunge, Leber und Nebenniere Metastasen festgestellt hat. Ab April Chemo. Vorzeitiger Abbruch, da die Metastasen größer wurden. Umstellung der Therapie auf Antikörper. Im Juli hieß es: Stillstand. Ende August neues CT, Ergebnis: Die Metastasen wachsen wieder. Es wurde eine neue Chemo vorgeschlagen, die im September begann.
Mitten während dieser Chemo haben Dich dann die Kräfte verlassen. Du warst zu schwach zum Aufstehen; Deine Atemnot wurde immer größer. Zunächst warst Du noch 1 ½ Wochen zuhause, dann ging es nicht mehr. Die letzten 2 ½ Wochen warst Du im Krankenhaus (Palliativstation). Am Dienstagabend hattest Du plötzlich den Wunsch, dass ich über Nacht bleibe – was ich natürlich gemacht habe. Ab Mittwoch warst Du sehr unruhig; am Donnerstag wurden Dir so viel Medikamente gegeben, dass Du nur noch geschlafen hast. Ich konnte nur noch bei Dir sitzen und Deine Hand halten. Irgendwann am Nachmittag habe ich Dir gesagt, dass Du das tun sollst, was für Dich am besten ist. Gegen 17.30 Uhr hast Du dann einfach das Atmen aufgehört.

Du warst, bist und bleibst für immer die Liebe meines Lebens.

Ily
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