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Alt 14.10.2010, 21:57
Bernsteinkind Bernsteinkind ist offline
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Standard AW: Essentielle Thrombozythämie/Kontakte zu Betroffene

Hallo!

Ich habe das Forum gerade erst entdeckt, da ich so langsam beginne, mich mit meiner Krankheit ein wenig auseinanderzusetzen. Ich hoffe, dass mein Beitrag an dieser Stelle nicht fehl am Platz ist. Er ist leider auch ziemlich lang, da ich versucht habe, mir ein bisschen was von der Seele zu schreiben. Nehmt's mir bitte nicht übel.

Zunächst zu mir – ET wurde 2004 diagnostiziert, damals war ich gerade 18 geworden und mehr oder weniger durch Zufall ein großes Blutbild machen lassen. Die Werte lagen zu diesem Zeitpunkt bei 1,7 Millionen Thrombos. Zunächst bekam ich ausschließlich ASS 100 und setzte die Pille ab (seitdem trage ich eine Kupferspirale, da man mir von Hormonen generell abriet). Dann verwies man mich an einen Hämatologen, der mir Interferon verschrieb, O-Ton: „Wir machen da mal eine milde Interferon-Therapie.“ Interferon sei ja zudem ein körpereigener Stoff. Dass es sich aber nicht gerade um Bachblüten handeln konnte, verriet spätestens der 1 m²-große Beipackzettel. Letzteren las ich mir zwar mehr oder weniger gründlich durch, dachte mir jedoch nicht viel dabei. Nach einigen Jahren Pille war ich wohl abgehärtet, stehen in deren Beipackzettel doch auch immer wieder unangenehme Nebenwirkungen – trotzdem wird sie von fast jeder Dame geschluckt und das scheinbar ohne furchtbare Konsequenzen.

Mein Fazit zum Thema Interferon: Bearbeiten – Rückgängig wäre schön. Heute würde ich alles anders machen. Nicht blind dem Arzt vertrauen, sondern eine weitere Meinung einholen. Forenbeiträge zum Thema Interferon lesen.
Ich nahm Interferon lediglich ein halbes Jahr, von Oktober 2004 – ca. März 2005. Schon die erste Nacht war von Kopfdröhnen, Schüttelfrost und Gliederschmerzen begleitet, am folgenden Morgen kippte ich erstmal um. Daraufhin durfte ich dann eine kleinere Einheit spritzen. Nichtsdestotrotz hatte ich während der gesamten Einnahmezeit die typischen grippeähnlichen Nebenwirkungen, mir war so gut wie immer kalt und ich fühle mich schwach.
Schließlich begann der Haarausfall. Nicht nur, dass sich meine Haare einfach „krank“ anfühlten, eine komische Struktur aufwiesen und meine Locken plötzlich verschwunden waren – nein, sie fielen auch aus und das ziemlich stark. Mit vom Interferon stark angegriffener Psyche saß ich also weinend vor diesem Arzt und sagte, dass ich die Therapie abbrechen wollte. Er behauptete, es gäbe keine wirkliche Alternative zu Interferon, alle anderen Medikamente hätten noch stärkere Nebenwirkungen. Überhaupt; wenn ich mit 30 Jahren im Rollstuhl säße, würde mir wohl klar werden, dass das mit den Haaren nicht so wichtig sei.
Ich fuhr also nach Hause, heulend, die Qual der Wahl zwischen Haarausfall oder Schlaganfall, so schien es mir.
In dieser Zeit stand ich kurz vor einem Suizid(versuch). Ich bin teilweise überhaupt nicht mehr aufgestanden – oder nur, um nach einem Blick in den Spiegel wieder heulend ins Bett zu verschwinden. Schließlich wechselte ich den Arzt, ließ mich in der Uniklinik behandeln.

Das war 2005 – seitdem nehme ich Xagrid und muss sagen, dass ich es bisher gut zu vertragen scheine. Meine Werte sind ok soweit, zumindest besser als früher – meist so um die 600 000 Thrombos. Mittlerweile wohne ich in einer anderen Stadt und bin – nachdem man mir in der hiesigen Uni-Klinik in einem Nebensatz (!) eröffnete, dass man „falls sich doch mal eine Leukämie entwickelt, dann wohl eine Chemotherapie“ machen müsste (da war ich 20 und gerade wieder einigermaßen auf die Beine gekommen) – in einer hämatologischen Gemeinschaftspraxis in Behandlung.

Ich bin hier, weil ich nicht das Gefühl habe, richtig informiert zu werden. Ich habe das Gefühl, meinem Arzt Informationen über meine Krankheit aus der Nase ziehen zu müssen. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie es um mich steht, schwanke immer wieder zwischen „todkrank“ und „eigentlich ganz gesund“ – jeweils abhängig vom ärztlich hinzugefügten Senf.
Gleichgesinnte habe ich keine, allein schon auf Grund meines Alters. Im Wartezimmer bin ich meist die Jüngste oder – Jackpot! - die Einzige ohne Krebs (noch?).
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich hier die Möglichkeit hätte, mich endlich zu informieren, nachdem ich die ganze Sache jetzt einige Jahre von mir geschoben habe, weil die Interferon-Zeit einfach so schmerzhaft war – und noch immer ist, sind doch meine Haare bis heute nicht so wie vorher. Hat da jemand Erfahrungen gemacht? Und wie sieht es mit Alternativen zu Xagrid aus – gibt es welche? Seit kurzem leide ich nämlich unter einer Laktose-Intoleranz und Laktose ist in den Xagrid-Kapseln ja enthalten... wobei die Konzentration vermutlich ohnehin sehr niedrig ist.

Vielleicht hat ja jemand Zeit und Muße, sich meine Geschichte einmal durchzulesen und mir ein paar Informationen und Ratschläge geben. Ich bin nach wie vor sehr verunsichert und wenn ich dann bei meiner Recherche gewisse Zeilen lesen muss („bösartige Krankheit“), dann kommen mir leider einfach nur die Tränen und ich mag gar nicht mehr weiterlesen. Generell leide ich schon seitdem ich 13/14 bin unter starken Depressionen, die momentan auch wieder zunehmen. Ich freue mich sehr über Antworten. Danke.
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