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Alt 27.07.2006, 17:55
Anemone Anemone ist offline
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Standard AW: Erfahrungsaustausch

Hallo Katchen,
mach dir nicht so viele Selbstvorwürfe. Ich denke, du verhältst dich nicht komisch oder unnormal. Es steht uns einfach zu, dass wir in unserer Situation neben der Spur sind.
Mir ist heute ein kleines Buch wieder in die Hände gefallen, das mir jemand geschenkt hat, kurz nachdem mein lieber Schatz mir genommen wurde.
Es ist von Jörg Zink und heißt "Trauer hat heilende Kraft". Es gibt Gedichte und wunderschöne Fotos dort. Ein Gedicht hat mich besonders angesprochen. Ich tippe es mal eben ab:

Auch kann ich mir denken,
dass du manchen Morgen mit Angst beginnst.
Wie solltest du auch alles plötzlich allein können,
was ihr bisher gemeinsam bedacht
und entschieden habt?
Allem gewachsen sein, alles allein durchstehen?
Ich kann mir vorstellen, dass du dich fühlst
wie ein Haus ohne Hüter,
ohne Tür, ohne Riegel, ohne Dach.
Dass du dich fürchtest vor Tagen,
an denen ein Wetter kommt und niemand ist,
der sich zu dir stellt.
Aber darin gerade liegt zu einem Teil
der Sinn des Trauerns:
Dass du mit ihm sprichst wie früher
und alle die Gespräche wiederkehren,
alle die Entscheidungen. Und der gemeinsame Wille.
Dass die Kraft, die ihr gemeinsam hattet,
zurückkehrt und dich erfüllt.
Dass du Halt findest an dir selbst
und das Vertrauen wiederfindest;
dass du kannst, was dir zugemutet ist,
und dein Tag Licht bekommt.

Hier ist noch eins, von dem ich mich angesprochen fühle:

Ich will dir sagen,
was dir hilft:
Weinen, weil du verlassen bist, denn du bist es.
Weil dir kalt ist. Es ist wirklich kalt.
Weil dir das Weh das Herz zusammenzieht,
mehr, als irgendeiner von uns ermisst.
Du brauchst nicht unter der Eisdecke zu leben.

Schreien. Auch wenn es jemand hört.
Ich verstehe es, wenn du zornig bist
über das Unrecht, das dich getroffen hat.
Wenn du wütend bist auch auf Gott,
der das zugelassen oder gar gewollt hat.
Auch Hiob klagte Gott mit harten Worten an.

Verstummen, wenn du das Gefühl hast,
der andere könne dich nicht verstehen.
Wenn du zu müde bist, zu reden,
oder wenn du dich, auf eine seltsame
und grausame Weise, schuldig fühlst.

Eines Tages wird es nicht mehr so wichtig sein,
zu weinen oder zu schreien. Aber jetzt ist es gut.
Und jetzt soll es dir niemand verwehren.

Katchen, ich weiß nicht, ob du mit den Gedichten was anfangen kannst, wenn nicht, vergiss sie einfach. Ich wünsche dir, dass es dir bald ein wenig besser gehen und dein Schmerz ein bißchen erträglicher wird. Bei mir gibts auch solche und solche Tage. Manchmal zerreißt es mich fast, dann wieder finde ich ein klein wenig Frieden. Solche Berge und Täler wird es für uns sicher noch lange geben.
Viele liebe Grüße,
Anemone
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