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Alt 30.10.2005, 17:49
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Geli-Emilie Geli-Emilie ist offline
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Standard AW: Halslymphknotenmetastasen bei CUP - keine Freude mehr am Essen

Hallo Renate, und Sybille,

@ Sybille: was "Raumforderungen" sind, würde mich auch interessieren. Ich drücke Dir auf alle Fälle die Daumen, dass es harmlos ist.

@ Natchen: ich möchte kurz auf Deine Worte "grotesk, sarkastisch und ironisch" eingehen. Stimmt, ich ecke sogar öfters damit an. Es versteht auch nicht jeder meine Art von Humor, aber das macht nichts. Allerdings möchte ich damit niemandem weh tun oder jegliche Problematik herunterspielen. Für mich ist es eine Art Selbstschutz und Ausdruck von Wut und Hilflosigkeit. Indem ich meiner Krankheit diese Sichtweise gebe, kann ich besser damit umgehen. Natürlich gibt es auch die "verletzte" Geli, die sich von Zeit zu Zeit zeigt, Momente, in denen ich einfach alleine sein will. Es liegt mir allerdings nicht, mich dann für andere zu öffnen. Zum Glück sind diese Momente nicht von langer Dauer und kommen nicht so oft vor, und erst, wenn sie vorbei sind, kann ich darüber reden. Ich möchte halt nicht, dass das Thema Krankheit meinen Alltag beherrscht. Ich würde verrückt werden dabei.

Wie Du schreibst, fängt bei Manni nun auch eine Geschmacksveränderung an. Ich glaube, das ist leider unvermeidbar bei einer Bestrahlung im Halsbereich. Mein Arzt hatte es ja schon im Vorfeld gesagt, dass das passieren wird. Ab diesem Zeitpunkt habe ich nur noch geschlemmt, so lange es ging. Es war ja kurz vor Weihnachten, überall (Arbeitsplatz, Sportverein...) gab es Weihnachtsfeiern, da habe ich zugelangt, was das Zeug hielt. Und ordentlich zugenommen. Das war auch gut, dass ich mir noch etwas Speck zugelegt habe. Dank PEG-Sonde habe ich auch während der Radio/Chemo nur 500 Gramm abgenommen. Die Gewichtsabnahme kam erst ab April, nach der Neck-dissection, als die PEG-Sonde weg war.

Hoffnung habe ich insofern, als dass ich nunmehr wenigstens Fisch "schmecken" kann. Und bin ganz stolz, dass ich gestern eine ganze halbe Pizza "Pescatores" geschafft habe, die mir mein Pizza-Bäcker nach meinen Bedürfnissen gebacken hat. Teig schön dünn und "sutschig" (d.h. viel Olivenöl) und nur ganz mild gewürzt. Habe allerdings lange dran gekaut und war daher schnell satt. Champignons und andere Pilze kann ich ja auch mittlerweile identifizieren.

Tja, das sind so die kleinen Freuden des Lebens - man wird ja soooo bescheiden. Weißt Du, dass ich eigentlich zur Zeit sehr zufrieden bin? Wenn ich so manche Beiträge lese, von Patienten, denen es noch viel, viel schlechter geht als mir, dann kann ich tatsächlich dankbar sein über mein Umfeld. Ich bewundere grenzenlos diejenigen, die außer den eigenen Problemen mit der Krankheit noch ganz andere Verantwortungen haben, denen sie nachkommen. Zum Beispiel die vielen Frauen, die es sich nicht leisten können wie ich, sich einfach ihre Auszeit zu nehmen. Da sind Kinder in der Familie, die versorgt werden müssen, da gibt es Schicksale, wo die Krankheit in den Ruin treibt, Lebenspartner, die einem das Leben zusätzlich zur Hölle machen.

All das trifft ja auf mich nicht zu. Gut, meinen Job habe ich verloren, demnächst werde ich EU-Rente bekommen. Ich war aber nicht unser Haupternährer und habe nur halbtags gearbeitet, insofern können wir "froh" sein, dass es mich getroffen hat und nicht meinen Mann. Und die Spritkosten für meine Fahrten zur Arbeit sparen wir auch. Dann habe ich - schusselig wie ich bin - versäumt, meine Krankenhaustagegeldversicherung zu kündigen. Jetzt freu' ich mich natürlich! Mit dem Geld, das ich für die langen Krankenhausaufenthalte bekommen habe, konnte ich locker zu meinem Mann sagen: "Hej, Schatz, ich zahl' uns zwei Wochen Urlaub, das hamma uns verdient - wo willst du denn gern hin?" und sind nach Kreta geflogen. Bernd muss übrigens beruflich nach Paris, insofern habe ich gute Chancen, ihn öfters zu begleiten. Am Freitag bekamen wir Post vom Tourist-Büro unseres Urlaubsortes in Dänemark: sie bieten uns eine Woche Gratis-Urlaub im Ferienhaus, weil Bernd eine Foto-CD gemacht hat und diese dem Tourist-Büro zur Verfügung gestellt hat. Und mit dem Katalog hat das Büro den ersten Preis in der Gestaltung gemacht. Guck' mal unter "www.tversted.dk" - die Fotos hat Bernd gemacht. Mittlerweile ist er so eine Art "freier Mitarbeiter" des Touristbüros. Gut, ne? In der zweiten Dezemberwoche fahren wir hin und genießen die stürmische Nordsee und unser gemütliches Ferienhaus.

Und wenn ich dir jetzt noch erzähle, was ich gestern getrieben habe, dann bekomme ich fast ein schlechtes Gewissen, weil ich es mir so gut gehen lasse! Seit gestern habe ich einen Adelstitel: "Geli, mutige Luftgräfin von Schönstadt zum zarten Abendnebel von Hauborn". Ab jetzt ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf, ja? Na gut, darfst weiterhin Geli sagen. 2002 haben Bernd und ich zu unserem 100. Geb. (beide fuffzich geworden) einen Gutschein für eine Ballonfahrt geschenkt bekommen. Seither standen wir auf der Warteliste. Zwischenzeitlich hatte ich mich natürlich ab und zu gefragt, ob ich das jemals... klar! Wir also rein in den kleinen Korb, dann ging der Ballon aufwärts wie Schmidts Katze. Das gab schon ein Gefühl von "au weia, hätt' ich doch bloß nicht..." aber dafür war es zu spät. Nach ein paar Minuten ging das brei-ige Gefühl aus den Knien und die geschwitzten Hände wurden wieder trockener. So konnten wir das Schweben 400 m über der Erde eine Stunde lang genießen. Wowww! Leider gab es eine Bruchlandung, der Korb kippte um, und wir wurden darin ca. 20 m auf einer Wiese durcheinandergewirbelt. Ich hatte das Glück, auf den beiden andern zu liegen. Bernd lag unten, der Pilot konnte auf seinem Bauch abfedern. Anschließend kam die Taufe mit Sekt, Erde und Feuer - und nun sind wir Luftadelige.

Für nächstes Jahr habe ich mir einen Tandemsprung vorgenommen. In diesem Jahr ist es zu spät, der Verein macht das nur bis Ende Oktober. Das wird heiß: aus 3300 m Höhe ca. 60 sec im freien Fall. Und ich bin dem Springer wie ein Känguruh-Junges an den Bauch gebunden. Davon träume ich schon seit Jahren!

Für heute genug der Schwärmereien! Ich wünsche Euch noch ein schönes Rest-Wochenende!

Liebe Grüße von Geli, mutige Luftgräfin von Schönstadt zum zarten Abendnebel von Hauborn
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