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Alt 19.10.2009, 11:14
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: Krebs als Chance

Hallo Rudolph,

Zitat:
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und welchen konstruktiven Vorschlag hast du zum Umgang mit dem Krebs?
Schade, dass du dein posting zurückgezogen hast. Falls es wegen Nikitas posting war: ich kann für mich selbst sprechen und brauche da keine Unterstützung. Wenn ich auf irgendetwas nicht antworten will, sage ich das schon selbst.

Zwei Dinge, an die ich mich aus deinem posting noch erinnern kann, und auf die ich antworten wollte.

Du sagtest, dein Bruder (? - weiss nicht mehr, aber ein naher Verwandter IIRC) hatte schon etwas von einer „Krebspersönlichkeit“). Sicher, das hatte meine Frau auch, das habe ich auch. Im Sinne eines Menschen, der jahrzehntelang mit seinem Leben rumaast und sich um seine Gesundheit nicht schert. Gibt es oft. Jemand, der seelisch nicht ganz gesund ist, behandelt in der Regel auch seinen Körper nicht besonders rücksichtsvoll. Dass solche Menschen Krebs bekommen, kommt vor. Und mag einigen als Indiz für eine bestimmte Theorie gelten. Nur läßt das ausser Acht, dass die meisten solcher „Krebspersönlichkeiten“ halt keinen Krebs bekommen. Die fallen nur nicht auf, weil sie hier halt nicht präsent sind. Wenn ich z.B. wahrheitsgemäß sage: „Ich rauche seit fast 30 Jahren 2 Schachteln am Tag, seit einem Jahr das Doppelte, und habe trotzdem keinen Lungenkrebs.“ Das würde hoffentlich niemand als Argument dafür akzeptieren, dass ich dank meiner starken „Anti-Krebspersönlichkeit“ gegen die cancerogene Wirkung des Tabakrauchs gefeit bin.

Das Zweite war deine Frage nach „konstruktiven“ Vorschlägen im Umgang mit Krebs, Habe ich nicht, sondern kann nur sagen, wie es meiner Fau erging. Anfang 2007 Diagnose und sofortige Ablatio mit anschließender AHT, Reha usw. Scheinbar geheilt, nach knapp 1 Jahr wieder arbeitsfähig. Sicher haben wir bewußter gelebt, weil plötzlich klar war, dass das Leben endlich ist. Und niemand weiss, ob er morgen früh noch aufwacht. „Bewußter“ in dem Sinne, die kleinen Freuden des Alltags schätzen zu lernen; Dinge nicht mehr aufzuschieben, sondern sofort zu machen, wenn sie wichtig scheinen; Arbeitszeit reduzieren von ganz- auf halbtags, um mehr Zeit für sich/uns zu haben; sich von Menschen trennen, die einem nicht gut tun, und sich auf die konzentrieren, die wichtig sind.Insgesamt: die schönen Dinge im Leben nicht mehr zu übersehen, sondern wahrzunehmen.

Das macht denke ich jeder Menschen nach einem Schicksalsschlag so oder ähnlich. Damit war es bei meiner Frau Mitte 2008 leider vorbei, als die Metwstasen wuchsen. In den Nebennieren und überall im Lymphsystem um 1 cm pro Monat. Erst Übelkeit, Durchfall, allgemeine Schwäche, dann lange Diagnostik-Odyssee, dann Chemo, Klinik... da war keine Zeit und Kraft mehr für die kleinen, schönen Dinge des Lebens. Als so Ende Oktober 2008 klar war, dass es vorbei ist, ging es nur noch darum, so schmerzfrei wie möglich zu leben und meine Frau zum Sterben nach Hause zu bekommen. Was zum Glück geklappt hat.

Sicher lehrt einen das Schicksal, bewußter zu leben. Sehe ich auch so, und das sehe ich auch sehr positiv. Aber „Krebs als Chance“ - im Falle meiner Frau eindeutig nicht. Sie ist tot. „Krankheit als Chance“ unterschreibe ich sofort, sofern die Krankheit nicht tödlich ist. Ich z.B. hatte mehrfach diese Chance. Als ich wegen einer Angsterkrankung ein Vierteljahr die Wohnung nicht verlassen konnte. Das war sehr lehrreich. Und später 3 Monate in der Klapsmühle. Auch aufschlußreich. Zeit zum Nachdenken, die ich auch genutzt habe. Und seither deutlich besser mit mir lebe als jemals zuvor. Diese Chance gab es aber nur, weil diese Krankheit nicht lebensbedrohlich bzw. tödlich war. Bzw. ich die Wahl hatte: mich umzubringen oder mein Leben grundsätzlich zu ändern.

Mir blieb die Entscheidung für das Leben. Meiner Frau blieb sie nicht. Sie hätte sich für das Leben entschieden, wenn sie gekonnt hätte. Was denn sonst?

Viele Grüße,
Stefan
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