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Alt 08.05.2002, 13:36
Gast
 
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Standard Liebe Angehörige von Krebspatienten

Hallo Kerstin,
danke für Deine Story hier. Sie ist gerade so ein typisches Beispiel, welches mir selbst weh tut und mich gleichzeitig wütend macht, weil ich es als Selbstbetroffene so gut verstehen kann. Obwohl ... Deine Nachbarn übertreiben es aber jetzt doch ein bisschen heftig mit ihrem "Zurückziehen", findest Du nicht? Man könnte ja echt glauben, Krebs sei ansteckend!
Macht ihnen das Thema solche Angst? WOVOR haben sie denn Angst? Oder kann es sein, dass Du hin und wieder ein wenig zu OFT von der Krankheit gesprochen hast, dass es ihnen einfach zu viel wurde? Kann es sein, dass sie es nicht ertragen können, an Krankheit denken zu müssen, wenn sie Dich nur schon ansehen?
Ich stell hier jetzt nur mal einfach alles in Frage, liebe Kerstin, ich suche keine Schuldigen, weil es ja keine gibt. Ich stelle mir nämlich auch die gleichen Fragen bei meinen Leuten, die sich ein gutes Stück von mir zurück gezogen haben. Und ich habe auch kein Patentrezept, wie man am besten miteinander umgehen könnte, weil ich selber und meine Leute ja auch alle die selben menschlichen Probleme haben. Aber mir ist es einfach ein Anliegen, darüber zu sprechen, weil wir Menschen manchmal so doof sind, richtig miteinander zu reden, und statt dessen tun wir uns gegenseitig bloss weh.

Ich weiss noch aus eigener Erfahrung, wie ich - als ich selbst noch keinen Krebs hatte - mit anderen Krebspatienten umgegangen bin. Nämlich GAR nicht! Das einzige, was ich getan habe, war, ihnen zuzuhören. Aber das war auch schon alles. Ich glaubte, ich müsse einfach so tun, als WÄRE nichts, also ging ich ganz normal mit ihnen um, wie mit jedem anderen Gesunden eben auch. Mit der Zeit wurde das Thema von den Kranken dann auch gar nicht mehr angesprochen, (vielleicht hatten sie es ja selber verdrängt? Oder sie wollten MICH schonen? Wie kann man das wissen, wenn man nicht darüber spricht?) also nahm ich an, sie WOLLTEN auch gar nicht darüber sprechen, Thema tabu! - Nun, vielleicht war das auch Glück, weil die eine Bekannte heute nach fünfzehn Jahren immer noch Gesund ist! Die andere ist überraschend gestorben, so dass ich mich dann auch nicht mehr mit der Krankheit auseinander setzen musste und mich eben nur noch meiner Trauer hingeben durfte!

Hätten jedoch die Betroffenen mir damals MEHR gesagt, wäre ICH wiederum eher damit konfrontiert gewesen, mich zünftiger damit beschäftigen zu müssen. Dann wäre es aber an MIR gelegen, wie ich damit umgehe! Es wäre MEINE eigene Verantwortung gewesen, wie ich diesen Konflikt bewältige!
Nun, mit Konflikten umgehen, ist eben auch nicht gerade leicht, ich weiss. Aber gibt es uns deshalb das Recht, vor ihnen zu flüchten?

Daher auch meine Frage nach dem Sinn.
Klar, Krebs an und für sich gibt keinen Sinn. Absolut keinen. Ich könnte gut und gerne darauf verzichten!
Trotzdem sehen wir Betroffene doch eigentlich alle, wie sich manches um uns herum verändert, oder? Und nicht nur WIR verändern uns ein bisschen ... sondern auch unsere Umgebung, unsere Mitmenschen! Rein sachlich betrachtet: Es sind offenbar Erfahrungswerte, Lebenserfahrungen, denen wir uns stellen werden/müssen, ... oder vor welchen wir halt eben kalte Füsse kriegen und schnellstens flüchten!

Tja! Ich glaube eben, Deine Nachbarn sind mit ihrem eigenen "Rückzug" vor Dir bestimmt auch nicht gerade glücklicher geworden, oder was denkst Du?

Ganz liebe Grüsse
von Brigitte
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