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Alt 03.03.2003, 06:25
Gast
 
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Standard Wünsche für Michi

Liebe Ladina und ihr lieben, die das hier lesen und mitverfolgen,
es ist jetzt wieder mal irgendwann spät in der Nacht (oder früh am Morgen), und ich kann wieder mal nicht schlafen. Und da ich meistens schreibe, wenn ich nicht schlafen kann, tue ich das auch jetzt wieder.
Ladina, Du wolltest wissen, wie sich die Besuche bei der Psychologin entwickeln...nun, ich war ja bis jetzt selbst nur einmal mit dabei und habe die Frau als eine sehr warmherzige, verständnisvolle Frau kennengelernt. Meine Tochter geht dort alleine hin und was ich feststellen konnte, ist, dass sie offener mit ihren Gedanken bezüglich meiner Erkrankung umgeht. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass es sich recht gut anlässt....aber ich denke, dass es noch etwas dauern wird, bis man sichtbare Erfolge sehen wird. Es stehen jetzt erst mal noch ein paar Einzelsitzungen (was für ein furchtbares Wort) an und dann wird unsere ganze Familie ein paarmal zusammen dort sein....ich bin schon gespannt darauf.

Ladina, Du hast in Deinen Gedichten oben sehr gut zum Ausdruck gebracht wie ich mich fühle oder schon mal gefühlt habe. Was mir in erster Linie so vertraut ist, ist der Umgang mit den Lieben und die Kraft und Stärke die andere in mir sehen, mir aber gar nicht bewusst ist. Ich habe meinem Mann schon so sehr und so oft bewusst weh getan, mit genau denselben Gedankengängen wie Du....wenn ich scheisse zu ihm bin, ist er nicht ganz so traurig wenn ich dann gehen muss. Eigentlich weiss ich ja, dass es der falsche Weg ist, den ich schon allzu oft eingeschlagen habe, aber ich ertappe mich dennoch desöfteren bei den Gedanken ihm wieder weh zu tun, um es ihm leichter zu machen. Ist denke ich eine logische Reaktion...! Zumindest in meiner Logik. Ich will nicht, dass er leidet, ich will, dass er es leichter hat. Im Endeffekt weiss ich natürlich, dass er es nie leicht haben wird....vor allen Dingen dann nicht, wenn ich gehen muss. Er bleibt zurück....er und die Kinder. Er muss genauso seine Träume, die er mit mir hat aufgeben, wie ich das tum muss...er ist derjenige, der den Kindern erkären muss, was geschehen ist....er hat all die quälenden Erinnerungen an mich (und ich bin mir sicher, dass es auch quälende sein werden). Natürlich wird sein Schmerz irgendwann verblassen....vielleicht früher oder später, aber bis dahin ist er derjenige, den es zerreissen wird. Er hat zu mir mal gesagt, dass es keinen Sinn macht ohne mich....meine Antwort darauf war, dass er muss, wegen der Kinder. Leicht dahin gesagt....Du musst! Was man tun sollte und was man fähig ist zu tun, sind doch ein paar ganz verschiedene Schuhe.
Du hast auch von der Kraft geschrieben, die andere in mir sehen...ich sehe sie nicht...ich sehe auch nichts davon, dass ich anderen etwas geben kann, denn ich schreibe nur meine Gedanken und meine Gefühle auf....das tun viele andere auch. Ausserdem fühle ich mich ganz und gar nicht stark, sondern eher sehr schwach....so schwach, dass ich oft nicht klar denken kann. Ich weiss nicht ob es stark ist, für seine Familie weiter zu machen....ist es das? Ja, dann bin ich wohl "stark". Ich liebe meine Kinder und meinen Mann von ganzem Herzen....ist es eigentlich nicht selbstverständlich? Ich weiss nicht, ob es "stark" ist, zu versuchen anderen zu helfen, wenn man fähig ist es zu tun....ich denke, dass ich ab und an fähig bin, deswegen tue ich es gerne...bin ich dann auch stark? Nein, finde ich nicht, denn ich bringe meinen Mitmenschen egal woher sie kommen, wo sie leben, wie sie aussehen oder was auch immer sie sind denselben Respekt gegenüber, den sie mir entgegen bringen und ich helfe gerne....und wenn ich das schaffe mit zuhören, dann tue ich das gerne...oder wenn ich jemanden erfolgreich zum Lachen bringe, dannist das der größte Dank für mich. Es ist für mich völlig normal...nicht stark. Es ist für mich nicht stark mit meinen körperlichen Ausfällen oder Gebrechen oder wie auch immer man das nennen mag umzugehen...ich muss es tun, was bleibt mir sonst für eine Wahl?

Was bringt es mir, zu lamentieren wenn ich wieder mal nicht schlafen kann...die Toilette wieder mal zu meiner neuen besten Freundin wurde...oder wenn ich wieder mal nicht gerade stehen kann vor Schnerzen? Was? Natürlich ist es so, dass mich das Ganze zusätzlich belastet, ich kann nicht gerade behaupten, dass es mir leicht fällt mit meinen Schmerzen die ich trotz Schmerztherapie habe umzugehen....ich hasse sie...will sie nicht mehr....will Ruhe, versteht ihr? Innen...! Ich hasse es, nicht mehr toben zu können, nicht Fahrrad fahren zu können, jeglicher Sport ist tabu für mich...ich hasse es! Meinen Haushalt führen ist oft eine Qual für mich...aber solange ich es kann, auch wenn das Saugen zum Beispiel eine viertelstunde länger braucht wie normal, werde ich es tun....es ist eines der wenigen Sachen, die ich noch tun kann. Deshalb fällt es mir auch nicht leicht, mir von meinem Mann oder auch anderen helfen zu lassen. Es geht nicht mehr allzu lange gut, dass weiss ich...bin mir dessen völlig bewusst!
Im Moment habe ich eine endlose Wut...Wut auf die Kranheit, wut auf alles und jeden, sogar auf mich selbst. eigentlich könnte ich es mir so viel leichter machen....man nehme sich eine Haushaltshilfe und verbringe diese Zeit, die einem dann bleibt mit....ja mit was? Mit was soll ich diese Zeit füllen? Ich könnte schreiben, habe sogar einen namhaften Verlag, der sich für mein Geschreibe interessiert, aber ich kann nicht immer schreiben...es gibt Tage, da bekomme ich nichts zustande und Tae (oder Nächte, an denen geht viel). Ok...was noch? Ich könnte mich mit meinen Kindern beschäftigen....ist eines der schönsten Dinge die es gibt, zumindest für mich. Aber (schon wieder), dass kann ich auch nicht immer....Kinder wollen spielen, geht nicht immer wirklich so gut, da für Gesellschaftspiele oft die Konzentration fehlt...toben wäre auch nicht schlecht, ist aber auch schwierig, weil ich etwas kurzatmig bin (und das ist noch untertrieben)...meine Grosse will reden, geht auch nicht immer...und mein Kleiner ist ein derart braves Kind, dass ich nicht mal da viel zu tun habe, da er schläft, isst und ansonsten freundlich ist. Und mich die ganze Zeit an sein Bett stellen, ist auf Dauer gesehen auch nicht mehr der Brüller (und ich beobachte ihn und auch meine Grosse wirklich gerne, nehme davon wirklich viel mit). Ich weiss nicht ob ihr verstehen könnt was ich meine, wenn nicht, auch nicht schlimm...!
Ich bin es leid, ständig zu sagen, dass ich Schmerzen habe. Mein Mann zum Beispiel will es wirklich wissen, wie es mir geht....und ich bin es leid. Zu gerne würde ich mal wieder sagen: "Ja, mir geht es gut"! Es sind die kleinen Dinge die mir fehlen...schwimmen, länger lesen können, mit den Kindern toben, Inliner oder Fahrrad fahren, all sowas eben. aber das Wissen, dass es nicht besser wird und da kann ich auf ein Wunder hoffen wie ich will, macht es noch schwerer. Ich versuche nicht immer darüber nachzudenken, was mein Arzt gesagt hat, was meine Lebenserwartung angeht...gelingt mir eigentlich auch ganz gut. Ich versuche nicht ständig daran zu denken, wie gross mein Tumor tatsächlich ist und ihr sollt wissen, dass er sehr gross ist(über 30cm vom Durchmesser her). Aber ich kann ihn fühlen...er ist ihn mir...und er ist böse! Ich versuche nicht immer daran zu denken, dass ich doch schon soviele Metastasen habe, aber wie soll das denn immerzu funktionieren, wenn ich zum Beispiel bei der kleinsten Anstrengung Atemprobleme bekomme?
Oha, jetzt sitze ich hier schon seit einer geschlagenen Stunde und habe meines Erachtens doch lamentiert...aber tut es was zur Sache? Ich denke nicht.
Ich werde nun noch eine kleine Geschichte reinsetzen die mir eine gute Freundin hat zukommenlassen und die ich doch sehr passend finde...
Bis dahin verbleibe ich für euch alle mit den besten Wünschen, alles Liebe, Michi