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Alt 23.09.2008, 09:50
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Bianca-Alexandra Bianca-Alexandra ist offline
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Registriert seit: 15.02.2008
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Standard AW: Betroffene und Angehörige im Umgang miteinander

Hallo ihr Lieben,

zuerst möchte ich mich bedanken bei Euch. Für die liebevollen PNs und für Blume s Engagement nicht locker zu lassen und ein wundervoll verständnisvolles Telefonat.

Dass ich mich hier nicht mehr gemeldet habe, hat mehrere Gründe. Zum einen ist es schon so, dass ich dieses Forum als Hilfestellung empfinde, vor allem als Halt für all die neuen, die leider hier herein strömen (müssen) und auf der Suche nach Informationen, aber meist doch auf der Suche nach den kleinen Fünkchen Hoffnung sind.

IN den letzten Tagen, eigentlich shcon seit ein paar Wochen fiel mir das aber immer schwerer. Der "Zustand" meiner Mutter verschlechterte sich. Wir haben geahnt, welche Wege in der nächsten Zeit eingeschlagen werden. Geahnt schreibe ich deshalb, weil es vorletzte Woche noch keine Anzeichen für eine rapide Verschlechterung gab. Aber es gab dieses Gefühl meiner Mutter. Sie hat mir davon erzählt und ich habe versucht, sie aufzufangen. Aber dennoch blieb das Gefühl und ich hatte Vertrauen in ihr Gefühl für sich selbst.

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag letzter Woche kam sie dann ins Krankenhaus und die Tumorschmerzen, die sie schon seit Montag, aber bis dahin "ertragbar" hatte, vervielfachten sich in der Nacht und vor allem am Donnerstag. Morphium zu akzeptieren fiel ihr schwer - und mir fiel es schwer, sie dennoch davon überzeugen zu müssen. Letztlich haben wir es aber geschafft. Sie hat am Anfang bei jeder Spritze geweint und mich so "ergeben" und ängstlich angeschaut dass es mir fast das Herz brach. Sie fixiert sich sehr in meinen Augen und in denen ihres Mannes wenn sie Angst hat. Wir halten dann stand, es scheint für sie in irgendeiner Art ein "Geländer" zu sein. Ich habe ihr versprochen darauf zu achten dass sie nicht "wegdriftet", bzw. mit ihr zu sprechen wenn wir auf den Punkt zugehen. Inzwischen sagte sie allerdings, die Schmerzen möchte sie auf keinen Fall aushalten müssen und nimmt dann lieber in Kauf dass das Morphin hoch dosiert wird. Ich bin sehr froh, dass sie uns diese Last genommen hat. So kann sie optimal behandelt werden.

Sie ist jetzt fast schmerzfrei und es gab noch eine schlimme Luftnotattacke in der Nacht von Samstag auf Sonntag für die allerdings außer einer Stimmbandläsion (alt) keine Ursache gefunden werden konnte. Sie lagert sehr viel Wasser ein und der Bauch ist sehr aufgequollen. Das Wasser setzt sich leider auch in die Stimmbänder. Die Medikamente sind inzwischen aber so gut dosiert, dass es ihr gut geht. Wir haben sehr viele, sehr intensive Gespräche geführt. Und führen jeden Tag und jede Nacht mindestens ein weiteres.

Sie - und auch wir alle - wussten dass es zu Ende geht. Langsam. Wir haben noch etwas Zeit. Aber dass ihr die Nachtschwester gesagt hat, es werde knapp ihren 50. zigsten Geburtstag zu erreichen (04.10.08) war ein Unding. Seither ist soviel Traurigkeit in ihr. Vor allem verstehe ich nicht, wie sie sich zutrauen kann, solche Aussagen zu treffen. Wir wissen alle, auch meine Mutter, dass es jetzt sehr schnell gehen kann. ABer dieser Zeitrahmen hat miener Mutter einfach sehr, sehr viel Traurigkeit gebracht und sie weint bei allem was ihr gefällt, sogar wenn sie den Himmel ansieht, weil sie dann denkt dass sie ihn vielleicht zu letzten Mal sieht.

Diese Schwester ist ansonsten in JEDER Hinsicht ein Engel. Aber ich glaube nicht, dass sie weiß was sie ausgelöst und genommen hat mit dieser Aussage. Auch wenn meine Mutter sie darum gebeten hat. Ihr Mann und ich schlafen abwechselnd bei ihr. Wir haben ein Zweibettzimmer und das zweite Bett wird immer von uns "in Beschlag" genommen. Über das Wochenende war das noch kostenfrei, jetzt zahlen wir natürlich entsprechend. Aber das ist uns alles egal. Sie hatte meist in der Nacht Angst dass etwas passiert und wir nicht da sind. Zumindest die konnten wir ihr nehmen. Seither braucht sie auch weniger Beruhigungsmittel. Sie bekommt derzeit noch eine relativ geringe Morphindosis; 40 mg am Tag. Außerdem Paracetamol bzw. jetzt Novalgin Tropfen weil sie sie leichter schlucken kann, davon 60 Tropfen am Tag. Das Beruhigungsmedikament nur zum Abend. Über Tag zweimal Lasix zum Entwässern und eine weitere Entwässerungstablette deren Namen ich nicht kenne. Morgens bekommt sie eine Antibotikum Tablette. Movicol nimmt sie einmal tgl. um abzuführen. Cortison bekommt sie seit der Luftnotattacke prophylaktisch um die geschwollenen Atemwege zu vermeiden.

Das Novalgin senkt das Fieber und bildet eine gute Grundlage im Mix gegen die Schmerzen. Wie ich schon letzte Woche befürchtete kann es sein dass sie auch eine Lungenentzündung hat. Sie wird heute geröngt.

Ich will ganz und gar nicht sagen, dass es uns leicht fällt. Überhaupt nicht. Viele Tränen sind geflossen und fließen immer noch. Aber ich bin unendlich dankbar für all die Zeit die wir verbringen durften und immer noch dürfen. Sie war von Anfang an sehr, sehr intensiv. Es herrscht blindes Vertrauen und sehr viel LIebe. Meine Mom sagte neulich einen Satz der mich erstaunt hat, denn ich habe ihn auch schon oft hier geschrieben. Diese Krankheit bietet auch eine Chance. Eine Chance, sich verabschieden zu dürfen. All die ungesagten, liebevollen Dinge zu sagen, sie anzufassen, zuzulassen.

Seid mir nicht böse wenn ich nicht jede PN beantworten kann. Ich lebe im MOment zwischen meinen Verpflichtungen zuhause (drei Katzen), dem Krankenhaus und zwischendurch, aber selten auch auf der ARbeit. Ein Teil der Begründung warum ihr mich weniger lest liegt auch einfach in der Zeit und der Möglichkeit, ins Internet zu kommen.

Aber es tut so gut, zu wissen dass wir rund um die Uhr bei ihr sind. Ihr Mann und ich wechseln uns ja ab und heute nacht werde ich bei ihr schlafen. Das ist anstrengend, gar keine Frage denn sie hustet sehr viel und schläft dennoch. Natürlich lässt mich jedes "beängstigende" Geräusch wach werden. ABer dennoch fühle ich mich einfach gut wenn ich in ihrer nähe bin, ich habe angst dass sie angst hat und ich sie dann nicht auffangen kann. zuhause zu schlafen fällt mir schwer, aber ihr mann schreibt mir dann immer wenn er wach ist eine kurze sms wie es ihr geht. das tut mir gut und beruhigt mich. umgekehrt ist es natürlich genauso. sie ist froh dass sie nachts nicht alleine ist. viel ruhiger seither.

So, nun habe ich aber wirklich alles geschrieben was mich bewegt. Ich habe immer gewusst wie es sich entwickeln wird und dennoch ist die zeit einfach zu kurz gewesen. meine familie hat jetzt begriffen warum ich das ganze jahr immer wieder darauf hingewisen habe. jetzt sind sie traurig so wenig gute tage mit ihr verbracht zu haben. dieses gefühl habe ich nicht und ich könnte auch nicht damit umgehen. ich bin dankbar für diese unglaublich gute zeit - und sehr dankbar für die onkologie die es bis jetzt immer noch geschafft hat, ein schnippchen zu schlagen. unser arzt ist sehr sehr gut. und wir haben mit dem kleinzeller 1 1/4 jahr gehabt dass im großteil gut war, wenn auch mit nebenwirkungen keine frage. aber die meiste zeit war dennoch so gut wie es eben ging. und ich vertraue weiterhin auf die medizin, ich sehe wie gut es ihr ejtzt, ohne schmerzen geht. und das ist so wichtig. keine schmerzen.
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Liebe Grüße - Bibi
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Dankbarkeit
ist die Erinnerung
des Herzens

Geändert von Bianca-Alexandra (23.09.2008 um 09:53 Uhr)
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