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Alt 24.03.2008, 11:35
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Es ist wie ein kleines wunderbares Vermächtnis und berührt mich wieder zutiefst, was ich nach einem größeren Aufräumen wiedergefunden habe. Ich veröffentliche diesen letzten erhaltenen schriftlichen Liebesbeweis meiner verstorbenen Frau ungekürzt, den sie ein halbes Jahr vor ihrem Tod (im Jahr 2000) an mich geschrieben hat.

Damit appelliere ich an die Begleiter von Sterbenskranken, ihnen nicht die Würde und den Lebenswillen zu nehmen, sondern ihnen wenn möglich die Selbstentscheidung und die Handlungfreiheit zu lassen.

Hier nun ihr wunderbarer Brief, der mich mit Dankbarkeit für die vielen gemeinsamen Jahre erfüllt.

Lieber F.,

mir war es in den letzten Wochen und Monaten öfters ein Bedürfnis, Dir zu danken für Deine liebevolle Unterstützung. Meistens befand ich mich aber hinter einem Dunstschleier, vielleicht auch einem Schutzmantel. Nun habe ich seit einigen Tagen den Eindruck, dass er sich lichtet.

Ich habe sehr wohltuend wahrgenommen, wie Du mich eingebettet hast in Schutz und Fürsorge: Angefangen von dem obligatorischen Kaffee am Bett, bereits ein Ritual. Ich brauche keine schweren Arbeiten erledigen, nicht einkaufen, Wäsche waschen. Du hast Verständnis, wenn ich nicht reden kann. Du erledigst alle Sachen außerhalb des Hauses. Du bist ein guter Zuhörer, verständnisvoll, wenn es um meine Ängste geht. Du versicherst mir, dass Du das alles nicht nur gerne machst, sondern auch ohne Dir selber zu schaden. Danke, F., für alle diese Geschenke und noch mehr.

Ich bin so froh, dass ich Dich habe und Du so liebevoll zu mir stehst.

Wenn es mir jetzt hoffentlich psychisch langsam besser geht, nimm es nicht persönlich, wenn ich dann auch wieder aufmüpfiger werde und manches wieder selber bestimmen möchte.

In diesem Sinne auf ein wieder fröhlicheres Zusammenleben!

Dir wünsche ich auch die nötige Kraft für Dein ganz persönliches Leben.

Deine Dich sehr liebende H.
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Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
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