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Alt 03.08.2002, 09:47
Gast
 
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Standard Hilflose Helferin

Morgen Ihr Lieben,
... also an alle hier, die noch immer wegen mir ein bisschen schimpfen: Ich habe mich - etwa vier Beiträge zurück - entschuldigt! Was soll ich denn jetzt NOCH tun? Vor meinen Computer hier hinknien und IHN anflehen?
Kann ja auch nichts dafür, DASS ich manchmal krass bin. So bin ich nun mal, das ist keine Absicht. Und wenn ich mich mal aufrege, dann rege ich mich eben auf. Darf ich das etwa auch nicht?
Oder anders gefragt: Nehmt Ihr es nicht ernst, wenn sich eine Krebsbetroffene über etwas aufregt, das sie immerwieder und immerwieder erleben muss? Könnt Ihr nicht ein bisschen versuchen, meine Zeilen mit Eurem Herzen zu lesen?

Mir geht's hier nicht um's Hervorheben von meiner Person (was hab' ich denn davon?), sondern um die "Verarbeitung" des Ganzen. Es ist genau so wichtig, unser System und die Gesellschaft zu "begreifen", wie die ganze Sache mit dem Krebs. Denn alles hängt zusammen, alles ist ein einziger Kreis. Ich lebe nun mal in dieser Gesellschaft, MIT dem Krebs, und GEHÖRE in diese Gesellschaft, MIT dem Krebs. Anders geht es gar nicht.
Ich hoffe jedenfalls, dass es für Euch nun okay ist. Ich schwinge die Friedensflagge, könnt Ihr sie sehen?

Liebe Anja, Du hast da eine echt gute Erklärung gefunden. Diese Theorie, dass manche Ärzte nur Ärzte geworden sind, weil sie den Tod nicht ausstehen können und selber Angst davor haben. Wenn man das liest, muss man fast schon schmunzeln. Und gleichzeitig ist es zum heulen. Denn wenn ein Arzt solche Angst davor hat, ... macht er schneller mal Fehler, nicht wahr?
Und somit wäre es ebenfalls eine Erklärung, so wie Du sagst, dass diese Ärzte noch nicht auf dem "gewissen" Entwicklungsstand (menschlich gesehen) sind.
Klingt vielleicht wieder mal krass, aber wenn man es nüchtern betrachtet, stimmt es schon ... und wir kommen ja somit wieder auf diese "Unwissenheit" zurück, so wie ich es eben nenne.
Tja, und nun die Frage: Was nützt mir das als Krebspatientin? Denn so ein Arzt wird doch auf Biegen und Brechen versuchen, mein Leben zu erhalten. Das IST zwar die Aufgabe eines Arztes, ... aber es wird dann auch oftmals missbraucht, indem er eben auch "Tests" und "Versuche" mit mir als Patient macht, ... eben auf Biegen und Brechen. Wenn ich als Patient darüber informiert und damit einverstanden bin, okay. Aber oftmals WEISS man ja nicht mal was davon. Also auf Biegen und Brechen. Vieles ist ja noch reine Forschung. Da steck ich als Patientin mittendrin.
Diese Haltung meiner Ärzte, so wie ich es erleben durfte, zeigte mir einen Einblick in diese ganze Maschinerie, und zeigte mir auch diese unendliche eigene Hilflosigkeit der Ärzte. Sie konnten mir nur jenes bieten, was sie "inzwischen" kennen, doch für alles andere waren sie gar nicht offen. Ich war kein "Mensch" für sie, sondern lediglich einer von diesen vielen Brustkrebsfällen.
Ob es nun ihre Angst war oder ihre eigene Hilflosigkeit (wahrscheinlich beides), half und nützte mir nicht im geringsten etwas.
Ich wusste zwar schon immer, dass so manches schief läuft (habe ja bei Versicherungen gearbeitet), aber dass es SO kalt zugehen würde, ... hätte ich mir nie gedacht. Es war ein zusätzlicher Schock.

Nun, um noch schnell auf die "Spezialisierungen" zurück zu kommen, ... da gibt es also Tumorkliniken, Sterbehospize usw. Freude herrscht, denn WENN es das nicht geben würde, ... was wäre DANN?
Ich gehe ja auch (nächste Woche wieder) in die Reha. In die Tumorklinik. Zu den Antrophosophen. Warum gehe ich DORT hin? Weil die dort noch die einzigen sind (die ich kenne), die GANZheitlich denken. Weil sie mich als MENSCH sehen.
Und weil ich DAS, was mir diese bieten können, sonst nirgends finden kann.
Ich könnte mir sogar vorstellen, dass ich - sollte es soweit kommen - ebenfalls FREIWILLIG in ein Sterbehospiz gehen würde. Weil das wahrscheinlich der EINZIGE Ort sein wird, an welchem ich es gut haben, und wo ich als Mensch mit Würde angesehen werde. Und warum würde ich dort freiwillig hingehen? Weil ich DAS, was mir diese bieten können, sonst nirgends finden kann.
(Ausnahmen immer möglich, gell?)
Irgendjemand hatte da also mal die Idee, diese "spezialisierten" Kliniken zu bauen, zu gründen. Das waren weise Menschen, finde ich. Denn sie hatten erkannt, dass es etwas geben muss, wo der Mensch als Ganzes betrachtet wird. Und mit Würde behandelt wird. Weil es das sonst offensichtlich nirgends gab!
Aber warum gab es das nirgends?
Nun, diese "Spezialisierungen" haben eben ihre Vor- und Nachteile. Einerseits ist es gut, GIBT es sie, aber andererseits ändert sich in der übrigen Gesellschaft nicht viel, weil sich jeder von der "Zuständigkeit" zurück ziehen kann.
Daher auch meine Worte mit dem "herumschubsen". Niemand ist da zuständig, jeder meint, der andere müsse das "Spezielle" tun. Daher auch meine Worte mit dem "Abschieben", denn weil niemand zuständig ist, oder sich niemand zuständig fühlt, kommt es schon hin und wieder vor, dass man eben für das eine oder andere "abgeschoben" wird.

Ergo haben wir unsere "Spezialisierungen", und der Rest ist nicht dafür zuständig.
Also doch eine Marktlücke, oder? Denn als Patient steckt man da mittendrin. Ich kann es nämlich schon bald nicht mehr hören, wenn man mir nur schon am Telefon sagt: "Ja, da sind wir leider nicht zuständig, da müssen Sie sich schon an XY wenden ...!" Und wenn ich mich an XY wende, heisst es dort: "Ja, das machen wir, jedoch KOSTET dies ...!" Und wenn ich das Kleingeld nicht dazu habe, frage ich wo anders an, aber dort geht die Geschichte wieder von Vorne los. Es sind nicht nur die Ärzte und Kliniken, ... es sind auch unsere ganzen sozialen Einrichtungen.
Ein einziger Kreis.
Unsere "spezialisierte" Gesellschaft eben.

Weisst Du, wie ich es meine? (Das Ganze ist auch nicht so einfach zu erklären, ohne dass man missverstanden wird.)

Bis demnächst, ja? Habe diese Tage noch einiges zu erledigen, bevor ich in die Reha gehe. Sollte ich mich also nicht mehr oft melden, wünsche ich Euch allen hier eine recht schöne Zeit.
Ganz liebe Grüssli
von der "Krassen"
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