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Alt 28.10.2002, 22:47
Gast
 
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Standard Kübler-Ross und ihr Sterbephasen Modell

Hallo Tanja,

es wird mir zu vage und subjektiv, wenn du es auf "lesen *wollen* wie man will" reduzierst. Da stehen genug eindeutige Sachen drin. Ich wüsste auch nicht, welches 'Wollen' ich befriedigen könnte, in dem ich es "so lese", wie ich es tue.
(Ne bitte, jetzt keine Spekulationen darüber)

Das mit den "Fakten" bringt uns nicht weiter. Nicht in dem Sinne, dass du mir deins und ich dir meins erzähle, dann wissen wir gerade höchstens mal ZWEI. (Und das hat noch nicht mal direkt mit der Anwendung dieses Modells zu tun)
Trotzdem gibt es Millionen anderer Situationen und Verläufe. Es kann also nur um die *Essenz* dieses Modells und die *wahrscheinliche* Art der Anwendung gehen. Ich hab übrigens auch noch nicht ganz verstanden, was die 'Sterbebegleiterin' in deinem speziellen Fall mit KR zu tun hat. Und sie hat sehr wohl deiner Mutter in *ihrem* Sinne geholfen. Denn du schreibst, dass deine Mutter *wollte*, dass "die Familie diese Möglichkeit wahrnimmt."
Das war also ihr Sinn und damit gibt es wie gesagt auch nichts zu kritisieren.

Kuck dir mal den Schluss aus dem "Modell" Text, den du so umfangreich zitiert hast, ganz genau an. Insbesondere den letzten Satz daraus.
Ich weiß nicht wieviel Erfahrung du mit der Kunst der Dialektik hast. These und Antithese nebeneinander zu stellen ist schon ok, aber nur mit dem Ansinnen, zu einer schlüssigen SYNthese zu finden.
Ansonsten dient es nicht selten dazu, möglichen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, in dem man eine Antithese daneben stellt, auch wenn sie der Hauptaussage ganz offensichtlich widerspricht.
Das ist ungefähr so, wie wenn jemand sagt : "Du bist ein Idiot, aber bitte fasse das jetzt nicht als persönliche Beleidigung auf."

Also in diesem Sinne zu dem von dir zitierten Schlusstext die Analyse :

>>"Das Sterben eines Menschen muss also individuell betrachtet werden. Modelle dienen nur dem grundlegenden Verständnis von Abläufen."<<

Letzteres setzt voraus, dass es auch 'grundlegende Abläufe' gibt. Sonst macht die Formulierung 'grundlegendes Verständnis' auch keinen Sinn.
Grundlegend können sie aber nicht sein, wenn sie individuell wirklich unterschiedlich sind. Der ganze Text räumt zwar 'Individualität' ein, aber nur *ein bisschen*.
Und zwar ein bisschen innerhalb eines 'grundlegenden Rahmens'.
Dass dir diese Denkweise weder unbekannt noch unsympathisch ist, hast du ja in einer Randbemerkung zum Thema 'Pubertät' schon mal geoutet :

"... gerade in der Pubertät bringen sich viele Jugendliche um, weil sie eben nicht wissen, dass sie sich in einer Phase ihres Lebens befinden, die auch wieder vorbei geht und weil sie nicht ernst genommen werden. "

Ob sich das auch wie folgt anwenden ließe :
"Gerade wenn Patienten das Wort "austherapiert" mitgeteilt wird, hoffen sie besonders stark, weil sie noch nicht wissen, dass sie sich in einer "Verleugnungsphase" befinden, die auch wieder vorbei geht ...."

Nein ? So dann doch nicht ? Warum nicht ?

>>"Der Sterbeprozess verläuft nicht starr in der angegebenen Reihenfolge von Phasen oder Stadien; Sprünge, Schwankungen oder andere seelische Entwicklungen sind möglich. Die Annahme des nahenden Todes kann nicht als Norm für alle gesehen werden."<<

Da sich ja auch der letzte Satz noch auf den davor sogenannten "Sterbeprozess" bezieht heißt das ganz eindeutig, dass eine möglicherweise anderslautende "Annahme" eines Patienten *falsch* (unzutreffend) wäre.
Heißt : Der Patient sieht sich selbst nicht als "sterbend", seine Umgebung darf es aber *besser* wissen als er.

>>"Sterbebegleiter dürfen keine "Soll-Entwicklung" erwarten, damit sie nicht mit Enttäuschung oder Ablehnung reagieren, falls diese sich nicht einstellt."<<

Der Satz für sich ist nach dem Komma schon der Hammer. Muss man nichts zu sagen. Nur einfach *wirken* lassen.

>>"Umgekehrt können sie jedoch Elemente aus der Phasenlehre nutzen, um die Sterbenden besser zu verstehen. Beispielsweise ist die Verleugnung der Diagnose oft ein Zeichen dafür, dass der Patient noch Zeit braucht, um der Wahrheit ins Gesicht zu sehen."<<

Ich starre auf diesen letzten Abschnitt jetzt schon seit ein paar Minuten und frage mich, was ich hier eigentlich tue.

Ich analysiere den letzten Satz auch nicht mehr. Starre du selbst ein paar Minuten drauf und wenn du nicht siehst was ich sehe, werde ich es dir auch nicht nahebringen können. Eigentlich hab ich auch schon alles gesagt, wiederhole mich nur noch. Vielleicht schreibt mal jemand anderes zu diesem Thema? Ich mach langsam schlapp.

Du hast recht, dass ich KR hasse. Und ich sag dir auch warum unter vielem anderen.
Sie verquickt die Grundwerte jeglichen Miteinanders mit ihren genauen Gegenteilen und löst die Bedeutung dieser Grundwerte dadurch in völlige Beliebigkeit auf. Und das eigentlich immer wieder in ganz verschiedenen Zusammenhängen.
Zum Beispiel : Jemand sagt etwas, und ich sage (oder denke 'nur') ganz liebevoll : "Ich verstehe ja, warum du es leugnest".
Und das nenne ich dann "Verständnis haben für den anderen" ?

Na, gute Nacht ...

Lillebror
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