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Alt 22.05.2010, 09:02
Katrin&Mark Katrin&Mark ist offline
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Standard AW: Katrinchen, mein Schutzengel

Am 20.01. wurde die Urinableitung aus der Niere mittels Katheter durch die Haut vorgenommen. Der Eingriff war nicht allzu groß und Sie erholte sich relativ schnell. Wenige Tage später waren Ihre Darmschlingen verknotet. Sie wurde am 29.01. operiert, wieder mal. Gegen 21.00 traf ich Ihre OP-Ärztin. Wir trafen uns im Flur. Sie wollte etwas sagen zögerte aber, also schoss ich raus, ist es wirklich so schlimm. Sie hatte Tränen in den Augen. Wir setzten uns und sie erzählte mir das der Tumor nun schon kindskopfgroß sei. Ich wollte wissen wie lange Sie noch hat. Sie bewahrte Ihre Professionalität und schwieg, doch ich war hartnäckig und fragte, Tage, Wochen, Monate, wieviele. An Ihrer Mimik auf meine Fragen sah ich wieviel Zeit blieb, ich erstarrte und Sie nahm mich tröstend in die Arme. Ihre Umarmung war distanziert, ihr Mitgefühl echt. Ich war in dem Augenblick so allein. Wir verabschiedeten uns und ich wollte so schnell wie möglich zu meinem Schatz aber nicht mit Tränen im Gesicht. Ich lief den Flur rauf und runter und wischte mir die Tränen weg.

Oft erzähle ich wildfremden Menschen oder nur mäßig Bekannten von Katrin und habe jedesmal einen riesen Kloß im Hals. Ich entschuldige mich bei dem betreffenden mitten in der Erzählung, sage, ich dränge mich auf, sie haben sicher besseres zu tun. Es läuft jedesmal auf die selbe Weise. Ich bin dankbar, wenn die Person etwas sagt, wie, hören sie, ich finde, sie sollten sich bald eine neue Freundin suchen. Ich kann dann ohne schlechtes Gewissen und mit Wut im Bauch, eine Wut, die mich noch näher bei Katrin sein läßt, mir das nächste Opfer suchen. Manchmal gibt es aber Menschen die hören einfach interessiert zu, tun nicht bewegt, weil meist überrumpelt und völlig überfordert sondern lassen sich darauf ein und bereichern sich durch meine Erzählung, weil Sie sich selbst sind, ich kann es im Moment nicht richtig ausdrücken, und etwas, was auch immer von dem das ich erzähle ihr Herz öffnet und Sie zum nachdenken über ihr eigenes Leben bewegt. Ich fühle vor sochen Menschen große Scham und mir sind die ersten eigentlich lieber. Wenn ich mehr als nur Randnotizen erzählen kann komme ich immer wieder an den Punkt wo ich stumm werde, meine Gedanken und Gefühle nicht mehr äußern kann und ich glaube auch nicht will.

Ich liebe Dich, mein Schatz. Heute ist ein schöner Tag. Die Sonne scheint und ich weiß du würdest gerne mit mir diesen Tag verbringen. Ich denke an Dich, gleich wo ich bin.

Ich kann mir nicht vorstellen je wieder eine Partnerschaft, eine Beziehung einzugehen. Meine Gefühle für Katrin sind so groß und der Verlust begleitet mich ständig, das ich der Frau die nach Ihr kommen würde großes Unrecht zufügen würde. Ich wäre mit meinem Herzen bei Katrin. Frauen erregen meine Aufmerksamkeit, wenn Sie ähnliche Attribute wie meine Süße aufweisen. Ich ertappe mich immer wieder dabei wie ich Frauen hinterher schaue die das Haar ähnlich tragen, die Figur ähnlich ist, ein Lächeln wie Sie haben, die Stimme sanft ist, das Haar zum Pferdeschwanz gebunden oder das Haar offen, lang und hintenrum gefällig geschnitten und nicht abgehackt aussieht.
Ich suche Sie in den Straßen, Geschäften, Cafes, auf Festen und überall wo ich Menschen begegne. Ich finde immer nur Fragmente, Bruchstücke. Da blond, dort ein Lächeln, um die nächste Ecke Ihr Kleid.

Sie hatte eine raffinierte Methode Ihr Haar zu schneiden. Sie nahm es nach vorn und schnitt es gezwierbelt über Ihrer Stirn. Es war einfach aber genial. Ich glaube, Sie hatte es sich aus der Zeitschrift Brigitte abgeguckt.

Ich versuche mich jeden Tag etwas mehr an unsere gemeinsame Zeit zu erinnern und oft ist es so, das die schlimmen Vorfälle wie OPs, Konflikte, etc. versuchen die Oberhand zu gewinnen. Ich lese meine Einträge und finde die Bestätigung dafür. Dieser verdammte Krebs will mir auch noch meine lieben Erinnerungen streitig machen.

Katrin hatte geraucht. Nicht stark, vielleicht fünf, sechs Zigaretten am Tag, eher weniger. Als Sie die Diagnose erhielt hörte Sie auf damit. Sie war sehr willensstark. Ich selbst rauche nicht aber ich habe schon sehr viele Raucher erlebt die aufhören wollten und immer wieder scheiterten. Es gab auch auf der Krebsstation Patienten die nicht davon lassen konnten. Es lag noch ein offenes Päckchen in unserer Küche und ich fand es war Zeit das Päckchen zu entsorgen. Sie konnte sich nur schweren Herzens davon trennen. Das Fenster stand offen und ich nahm eine Zigarette aus der Verpackung und warf Sie zum Fenster heraus. Sie fand es sei eine ungeheure Verschwendung und ich zeigte auf den Penner direkt unterhalb von uns der sich vor unserem Hauseingang lümmelte und die eben nach unten geworfene Zigarette aufhob. Ich ließ Sie mit den restlichen Zigaretten machen was Sie wollte. Sie war erwachsen und ich vertraute Ihr. Ich weiß nicht was Sie mit dem Päckchen gemacht hat. Ich habe Sie dann noch einmal im Oktober rauchen sehen. Sie nahm sich von einer Freundin eine und zog zweimal und dann nie wieder. Sie wollte es nur noch einmal schmecken und sich erinnern. Ich war sauer. Wenn ich jetzt zurückblicke, denke ich mir, gut gemacht, meine Süße, nimm dir noch eine, am besten zwei auf einmal, lebe und laß dir nichts verbieten.

Das soll keine Anleitung für andere sein. Bitte hört auf mit dem Scheiß!

Werde jetzt eine Weile nicht mehr schreiben. Ich besuche einen Freund und werde wandern gehen. Keine Ahnung wann ich wieder zurück bin. Bis in ein paar Wochen.

Liebe Grüße,
Mark

Ich fühle mich furchtbar. Ich mußte in die Stadt, einige Vorbereitungen treffen und Liegengebliebenes erledigen, das keinen langen Aufschub mehr duldete. Auf meinem Weg fing ich unvermittelt an zu weinen. Es fällt mir so schwer das alles zurück zu lassen. Es ist fast so als kehrte ich Katrin den Rücken. Vor ein paar Wochen verbrachte ich zwei Tage bei meiner Schwester, das war etwas anderes. Ich wußte ich bin bald wieder zurück. Jetzt werde ich für mindestens 14 Tage fortbleiben. Ich will eigentlich nicht verreisen aber ich zwinge mich dazu.

Wo waren die offenen Worte wenn man Sie brauchte. Die Worte waren im Büro vom Psychologen. Niemand von euch wollte sich mit uns zusammensetzten und reden. Hättet Ihr euch doch mit euren Ängsten an uns gewandt, vielleicht wäre vieles leichter geworden. Ich gebe mir selbst auch Schuld, keiner war fähig mit dem anderen zu reden. Soviel Misstrauen und Unvermögen verdient ein Studium der Psychologie. Hallo es klopft die Wut an eure Tür. Zur Kenntnisnahme: ich habe an Katrins Seite acht Monate unablässig gekämpft, habe in Ihrem Sinne, nie ohne Ihr Einverständnis ohne Ihren ausdrücklichen Wunsch, alles mir Mögliche unternommen. Ich war für Sie da von Anfang an, bin mit Ihr durch diese Scheiße gewatet. Wir standen einem Ungeheuer gegenüber, völlig Machtlos und scheinbar allein. Mein ganzes Leben war auf Sie ausgerichtet. Ich war wohl in der Lage mit der Situation umzugehen und habe nie auch nur für eine Sekunde den Kopf verloren, geschweige denn kopflos gehandelt. Ich würde alles, alles, immer wieder genauso machen. Und wir haben uns geliebt. Ich wünschte Ihr hättet in den Monaten davor mehr Zeit miteinander verbringen können. Und ich habe Sie in all den Monaten nicht von euch fern gehalten. Es war Ihre und auch eure Entscheidung. Ich habe nicht verstanden warum Ihr nicht mehr Zeit miteinander verbracht habt und hätte es gerne anders gehabt, für Sie und für mich. Vielleicht wäre die gefühlte Eifersucht, das jetzt gehört Sie nur uns anders etwas weniger dramatisch ausgefallen. Sie wollte mit niemand anderem zusammen sein bis die Saat gesät war und ich völlig überrumpelt und nicht fähig Sie zu verstehen, das war eben nicht Sie, ich nichts anderes konnte als ertragen und Sie in den letzten Wochen hin und wieder anzurufen und Sie ab und an zu besuchen, wenn Sie dazu bereit war und niemand da war auf den ich kompromittierend gewirkt und Spannungen ausgelöst hätte. Ich wollte keinen Streit und keinen Kampf, weder zwischen uns, Sie sollte friedlich gehen, noch zwischen mir und anderen im Kreis. Die letzten fünf Wochen werden ein Leben andauern. Und das Wasser mit Geschmack das zuletzt an Ihrem Bett stand hatte Sie sich ausdrücklich gewünscht und spöttische Bemerkungen waren in anbetracht der Situation sowieso fehl am Platz. Mehr als diesen einen Satz räume ich dir hier nicht ein. Die betreffende Person wird wissen, das sie gemeint ist.

Da sind noch viele, so unglaublich, wahnsinnig viele Dinge die ich nur zu gerne rausprusten möchte. Ich kann nicht alles mitteilen was war ohne Menschen zu verletzen die mir etwas bedeuten und möchte auch nicht allein meine Sicht den Ereignissen aufdrängen. Es gab für mich heute Abend keine andere Möglichkeit als mir das von der Seele zu schreiben, auch wenn ich Menschen damit verletze. Ich lese meinen Text und finde zwischen den Zeilen noch so viel unsagbares und ich fühle mich davon bedroht.

Mein Zorn und meine Wut haben das Recht wahrgenommen zu werden. Und ich warte nicht damit bis ich alt, grau und gereift genug bin um reflektiert ins Grab zu steigen.

Ich will keine Verantwortung, keinen Job, keine Beziehung. Ich will kein Geld. Ich würde mein Geld nur für krebserregenden Müll aus Asien hergeben und meine Gesundheit auf´s Spiel setzen.

Ich will nicht. Eine endlose Aneinanderreihung von "ICH WILL NICHT OHNE KATRIN". Zorn und Wut sind auch kein Ersatz. Ich fühle mich mal wieder so richtig niedergeschlagen.

Am Donnerstag breche ich auf und ich fürchte, wenn ich neue Erlebnisse, Erfahrungen, Menschen, was auch immer, letzlich Erinnerungen zu lasse, sind die Erinnerungen, meine gemeinsame Zeit mit Katrin, nach denen ich so bemüht suche noch weiter weg. Sie werden verdrängt von neuem. Ich hasse Berlin jetzt schon. Mir hat eine Freundin gesagt vielleicht wirst du dich erst erinnern, wenn du bereit bist dich zu entfernen, nicht nur räumlich. Du wirst Neues erleben und das bringt dich wie eine Brücke von einem zum anderen Ufer, zu deinen dir so sehnlich erhofften Erinnerungen, an Momente des Unbeschwertseins fern vom Krebs, an die schönen Tage. Das wünscht Sie mir bestimmt und hofft es für mich. Ich aber fürchte mich vorm Scheitern und fühle mich hier mit meinen Erinnerungen sicherer. Trotzdem werde ich fahren, warum, weiß ich nicht.

Habt Ihr schon mal einen Partner an Zuckerwasser verloren und an einen gescheiterten Traum in München, der von vornherein unvernünftig war. München würde ich jederzeit wieder träumen allerdings dort nicht mehr von Ihrer Seite weichen, so das wir Gelegenheit hätten, und zwar alle, zu beraten was am Besten wäre und nicht messerwetzende Stationsärzte über Ihren von Drogen benommenen Körper herfallen zu lassen. Ich habe dort nie etwas unterschrieben. Sie war auf dem Weg nach München nochmal voller Hoffnung und Zuversicht aber der Preis war zu hoch. Es gibt da noch die Variante: Sie wollte mir den Abschied leicht machen oder wie wäre es mit zurück zum Anfang wo das Licht noch hell brannte, behütet und beschützt, und kein dunkler Tunnel, nur Dunkelheit ohne Ausweg ... Alles habe ich schon gehört und nichts davon macht es mir leichter oder sollte es mir leichter machen. Die Intentionen sind auch sehr unterschiedlich, je nachdem an wen man sich wendet. Die Einzige die darüber Aufschluß geben hätte können ist nicht mehr unter uns. Und ich bezweifele das Ihr Motiv klar war.

Ich habe Katrin, auch in der Zeit als es schon lange sinnlos und oberflächlich betrachtet dumm war, gesagt, bitte halte dich mit Zucker zurück. Ich habe Ihr keine Vorschriften gemacht und es war auch nicht als lebensrettende Maßnahme als nichts mehr übrig blieb gedacht. Ich war mir jederzeit darüber klar wie sinnlos in anbetracht von Glucose-Lösungen und >>andere zugeführten Nahrungsmittel können nicht vor Ausscheidung umgewandelt werden<< die Bitte war. Es ging immer um etwas anderes. Es war Verzweiflung und der Wunsch Katrin etwas zu geben das Sie mitgestalten konnte, etwas woran Sie sich und auch ich mich klammern konnte. Ich kannte Sie gut, Sie war nicht bereit und wollte nicht gehen. Eine Woche vor Ihrem Wunsch sich von mir zu trennen hatte ich längst eingesehen das ich Ihr damit nicht helfe aber es wurde von einem Menschen bis kurz vor Ihr Totenbett getragen. Es war zwischen Katrin und mir nur eine sehr kurze Episode. Wenn ich die Zeit in der wir über Zucker sprachen zusammenraffe war es ein Dialog von höchstens 15 Minuten. Überspitzt kommt es mir so vor als ob Sie sich für das volle Bauchgefühl und gegen mich entschieden hat. Ich finde keine Erklärung. Nichts der letzten fünf Wochen ergibt für mich einen Sinn.

Hätte ich die Wahl zwischen einer nachträglichen HPV-Impfung mit anschließender Aluminiumvergiftung trotz Nobelpreisgarantie, einer unerprobten Chemikalie aus den USA über falsch deklariertem Direktimport, das gelassene pflegen und Beste hoffen und dem drängen auf Zuckerverzicht mit B17 würde ich mich immer wieder für Viertens entscheiden. Es gab viel Gerede und Aktionismus und niemand wollte Sie aufgeben. Ich bin unseren Weg gegangen und stand am Ende alleine da. Die Trauergemeinde stand schon Schlange als ich noch lange nicht bereit war einzusehen das alle Hoffnung vergebens war.

Geändert von gitti2002 (03.11.2016 um 22:50 Uhr)
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