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Alt 06.07.2010, 18:04
gottfried gottfried ist offline
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Registriert seit: 23.06.2010
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Standard AW: Stent konnte erstmals nicht gesetzt werden.

Hallo Manfred,
vielen Dank für deine netten Worte.
"Zu früh gefreut" könnte man meinen und nachdem es meinem Vater nach dem Eingriff und dem Seitenausgang relativ gut gegangen ist, er hatte Hunger und Humor, war am nächsten Tag alles wieder schlechter.
Man merkte eine leichte Benommenheit bzw. Verwirrtheit wir konnten aber doch noch mit ihm ganz gut kommunizieren.
Wie gesagt, das war vergangenen Freitag. Am Samstag hat er noch mehr gejammert, der Arzt meinte er würde irgendwo Blut verlieren und bekommt jetzt Blutkonserven. Bei dieser Hitze vergangenes Wochenende hat er unter der stickicken Krankenhausluft gelitten und ich habe ihm daher vorgestern, Sonntag vormittag einen großen Ventilator gebracht. Noch dazu hat uns die Krankenschwester ein Einzelzimmer für ihn angeboten (ob das nicht schon Absicht war?!). Ich war eben vorgestern vormittag noch alleine ca. 3 Stunden bei ihm, habe ihm nochmals gesagt das die Gelbsucht schön langsam weggeht und dann vielleicht mit einer leichten Strahlungstherapie begonnen wird. Habe ihm halt gut zugeredet. Vom Sohn (59) zum Vater (81). Gestern haben wir dann erfahren dass er in die Intensivstation verlegt wurde. Als wir ihn um ca. 14 Uhr gesehen haben - schrecklich, schockierend, wie sich ein kraftstrotzender Mann innerhalb von zwei Wochen zu einem gesundheitlichen Wrack verändert hat. Ich habe weinend seine Hand gehalten und er hat die Augen aufgemacht, mich angelächelt und meine Hand gedrückt.
Da habe ich erstmals meinen Onkel, seinen jetzt noch einzigen Bruder aufrichtig weinen gesehen! Es hat geheissen, wenn es schlechter wird werde ich bzw. meine Mutter telefonisch verständigt. Also gestern Nacht fast nichts geschlafen, keinen Appetitt, hab schon rund 5 Kilo weniger, aber der Schmerz und die Trauer sind einfach für mich unbeschreiblich. Ich kann es nicht fassen, das mir das so nahe geht!!
Heute früh Anruf auf der Intensivstation, Zustand unverändert, er schläft, hieß es. Meine Frau und ich holen unseren Onkel und meine Tante ab und fahren um 11 Uhr wieder in die Intensivstation. Schock, mein Vater atmet nur mehr schwer, macht die Augen nicht mehr auf, sein Gesicht ist schon gezeichnet. Der Arzt sagt meiner Mutter das er nachmittags auf sein Zimmer kommt, ohne alles. Er wird nur mehr notdürftig versorgt, da jetzt nach und nach die Organe aufgeben und er die nächsten drei Tage nicht überleben wird.
Ein netten Krankenhausseelsorger kommt um 13 Uhr und spendet ihm die letzte Ölung, er macht das wirklich aufrichtig und nett und sagt meinem todkranken Vater ins Ohr das er jetzt von Jesus beschützt wird auf seiner letzten Reise. Und auf einmal macht diese todkranke Mann der vorher keinerlei Lebenszeichen mehr von sich gegeben hat den Mund auf, versucht Worte zu formulieren und dreht den Kopf in Richung Pfarrer. So als ob er sich bedanken wollte oder einfach sagen wollte, das brauche ich alles nicht. Aber das kann ich nicht beurteilen. Wir, mein Bruder und seine Frau, ein Onkel, Tante, Mutter und wir zwei reichen alle einander die Händer sodaß wir mit den Händen meines Vaters eine Verbindung herstellen und so versuchen ihm Kraft zu geben.
Es war herzerschütternd und alle haben innigst geweint ob diesem Elend, in Erinnerng an die schönen Zeiten in der Vergangenheit, die allzurasch vergangen ist.
Jetzt liegt er alleine auf seinem Zimmer, nur mehr die Atmung funktioniert und ich frage mich ob das so richtig ist, das wir nicht bei ihm sind. Aber ob ihm alleine unsere Anwesenheit helfen würde, ob er das überhaupt noch bemerken würde? Ich weiß es nicht. Morgen fahren wir auf jeden Fall wieder ins KH. Leider wurde alle meine Gebete nicht erhöhrt, das soll jetzt kein Vorwurf sein, aber man hofft halt doch immer, das der Kelch vielleicht doch an uns vorbeigehen würde. Andererseits denke ich, wir hatten unseren Vater fast 81 Jahre lang zur Verfügung. Bei vielen meiner Schulkollegen ist deren Vater oder Eltern bereits seit 20 Jahren tot.
Rohe Menschen sind mir ein Greuel, die nichts empfinden, nicht einmal in so einer Situation. Mein Bruder und meine Schwägerin haben keine Miene verzogen, vielleicht haben sie Tabletten genommen. Jetzt beginnen die Arbeiten mit der Organisation des Begräbnisses und ich danke allen in diesem Forum die vielleicht meine Worte gelesen haben und meinen Schmerz ungefähr erahnen konnten für ihre geistige Unterstützung. Möget Ihr davon verschont bleiben und versucht jeden Tag für Eure Lieben da zu sein. Ich hätte noch so viel meinem Vater bieten wollen. Leider zu spät.
Liebe Grüße.
Gottfried
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