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Alt 15.03.2009, 10:36
Benutzerbild von Susanne85
Susanne85 Susanne85 ist offline
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Registriert seit: 20.09.2008
Ort: Fürstenfeldbruck
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Standard AW: Geht es nur mir so ???

Hallo liebe Cindy,

auch ich kann dich so gut versehen. Morgen sind es drei Monate, dass Mama nicht mehr da ist.

Zuerst war ich betäubt. Ich habe zwar viel darüber gesprochen, aber kaum geweint. Das ging so ca. 2 Monate. Und seit ca. 1 Monat geht es mir unglaublich schlecht. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen. Und da sitze ich nun allein. Auch ich muss mir taktlose Sprüche anhören. Ein paar Beispiele:

Mein Nachbar stellte ca. 2 Wochen nach ihrem Tod fest, dass ich nun ihr Auto habe. Sein Kommentar "Naja, das ist doch auch was!"

Eine andere Nachbarin traf mich letztens im Hausflur und fragte mich "Na, haste dich jetzt wieder gefangen?" Sie meinte dann noch, dass man die Eltern ja immer erst zu schätzen wisse, wenn sie nicht mehr da sind!!

Mein Freund kommt auch nicht mit mir klar. Wenn ich weine, ignoriert er mich einfach. Er meinte auch, ich könnte mich doch langsam wieder einkriegen und solle mal ein Buch über positives Denken lesen.

Als ich ihm dann sagte, dass er vorübergehend vielleicht besser ausziehen und mich allein lassen sollte und er das auch tat, rief ich aufgelöst meine Schwester an. Ich dachte, sie würde mich verstehen, denn sie ist ja in der gleichen Situation. Sie meinte allerdings auch, ich sollte mich mal wieder einkriegen und einfach mein altes Leben weiterleben. Sie würde das ja schließlich auch tun. Außerdem sollte ich mehr Rücksicht auf meinen Freund nehmen, denn es würde ja reichen, wenn ich leide. Da müssten ja nicht andere auch noch leiden.

Und mein egoistischer Alkoholiker-Vater fand es nur gerecht, dass ich nun auch allein bin, so wie er.

In der Arbeit bin ich total gereizt, wenn man mit mir wegen sämtlichen Kleinigkeiten 10 Min diskutiert. Ich frage mich dann immer, ob die meinen, dass ich nichts besseres zutun habe, als um Dinge zu diskutieren, die nun mal so sind.

Auch Freunde (?) haben sich von mir abgewendet. Eine von denen ist im gleichen Fitnessstudio wie ich. Sie ignoriert mich einfach.

Aber ich schließe mich Summer an: Wir orientieren uns neu, gehen mit geöffneten Augen aufmerksamer durchs Leben. Und das ist sicherlich kein Nachteil. Wir achten mehr darauf, wer uns wirklich liebt und wer nicht. Und wir achten mehr auf uns.

Sicher ist es für die anderen Menschen nicht leicht, mit uns umzugehen. Denn sie stecken nicht in uns drin. Aber sie sollten sich vielleicht einfach mal vorstellen, dass uns das schlimmste widerfahren ist, was es gibt. Das Schicksal hätte bei mir nicht härter zu schlagen können. Und dann sollen sie einfach mal darüber nachdenken, was sie tun würden, wie sie drauf wären, was sie brauchen würden.

Wir haben die Krankheit durchgestanden, den Tod miterlebt und müssen das nun erstmal alles verarbeiten. Nebenbei müssen wir uns damit auseinandersetzen, dass wir nie wieder eine Mama haben werden und den Alltag müssen wir auch noch meistern. Wen es da wundert, dass wir gereizt sind, der hat Pech gehabt.

Ich bin total egoistisch. Ich denke nur an mich. An das, was ich will und was mir gut tut. Die Menschen, die mich lieben, stehen das mit mir durch. Alle anderen sind es nicht wert und die werde ich in meinem Leben auch nicht vermissen. Und mittlerweile bin ich auch so "unhöflich" und sage es den Menschen, wenn mich was nicht interessiert. Und bevor ich mir wieder taktlose Kommentare anhören muss, sage ich, dass ich nicht darüber reden will, wenn mich jemand auf Mama anspricht.

Auch ich dachte schon, ich drehe durch. Aber scheinbar geht es uns allen in einer gewissen Art und Weise doch gleich. Und es ist schön, sich wenigstens hier austauschen zu können, wenn man es im eigenen Umfeld teilweise nicht kann.

Brigitte hat recht: Es ist ein schwerer und trauriger Weg.

Viele Grüße


Deine Susanne
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Für meine geliebte Mama
13.06.1964 - 16.12.2008
http://de.youtube.com/watch?v=PP_NQPrbRvM
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